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03.04.03
12:35 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel zum Bundesverkehrswegeplan und A20

Fraktion im Landtag PRESSEDIENST Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 13 – Bundesverkehrswegeplan und A 20 Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Dazu sagt der Fraktionsvorsitzende Telefax: 0431/988-1501 von Bündnis 90/Die Grünen, Mobil: 0172/541 83 53 Karl-Martin Hentschel: E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.gruene-landtag-sh.de

Nr. 078.03 / 03.04.2003


Der Bundesverkehrswegeplan ist eine der wichtigsten politischen Weichenstellungen für die kommenden Jahre
Ein modernes wirtschaftlich erfolgreiches Land braucht eine gute Infrastruktur. Dazu ge- hört ein Telefonnetz, eine Energieversorgung, die Wasser- und Abwasserleitungen und eben auch, vielleicht als wichtigste Infrastruktur, das Verkehrsnetz. Diese Infrastrukturen zu gewährleisten, ist eine Aufgabe des Staates.
Aber es ist keineswegs Aufgabe des Staates, dies alles zu finanzieren. Telefonleitungen, Stromleitungen und Wasserleitungen werden von den VerbraucherInnen bezahlt, nicht vom Staat. Straßen und Schienen werden dagegen zu erheblichen Teilen aus Steuermit- teln finanziert. Selbst wenn man die Mineralölsteuer gegen rechnet, ist der Verkehr nach der Landwirtschaft der am meisten subventionierte Bereich unserer Wirtschaft.
Zugleich ist der Verkehr der Wirtschaftsbereich, der mit weitem Abstand vor allen ande- ren Wirtschaftszweigen die größten Umweltbelastungen und Gesundheitsschäden verur- sacht: Bei CO2-Emissionen, Landschaftsverbrauch, Lärm und Stadtzerstörung ist der Verkehr die Ursache Nummer 1.
Wenn wir heute über den Bundesverkehrswegeplan reden, dann reden wir über eine der wichtigsten politischen Weichenstellungen für die kommenden 15 Jahre. Da ich nur fünf Minuten Zeit habe, will ich hier nur einige zentrale Punkte ansprechen. Der mit weitem Abstand wichtigste Verkehrsträger bezogen auf die Transportleistung ist das Schiff. Das dürfen wir nie vergessen. Deswegen ist die von Schleswig-Holstein ge- forderte Aufnahme des Schiffsverkehrs in den BVWP ein großer Erfolg dieser Landesre- gierung. Der Ausbau der Häfen einschließlich der Hinterlandanbindung, der Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals und des Nord-Ostsee-Kanals sind strategische Weichenstellungen für unser Land.
Neben dem Schiff liegt die Zukunft des kontinentalen Güterfernverkehrs an zweiter Stelle auf der Schiene. In den USA werden bereits 40 Prozent aller Güter auf der Schiene transportiert – da sind wir aufgrund der Zersplitterung der EU noch weit zurück. Die stra- tegische Entscheidung für den Ausbau der großen Gütertransitlinien durch Schleswig- Holstein nach Skandinavien ist eine Weichenstellung für die Zukunft, die gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.
Hier gibt es allerdings unterschiedliche Auffassungen – ob die Priorität auf der Jütlandli- nie oder auf der Vogelfluglinie liegen soll. Und da sage ich deutlich. Der Ausbau der Vo- gelfluglinie kostet 4 Milliarden Euro – Geld , das wir dringend an anderer Stelle benöti- gen. Eine private Finanzierung – so sagen das Gutachten – ist außer jeder Sicht. Und ei- ne staatliche Übernahmegarantie für die Defizite, wie von der Wirtschaft gefordert, gehört für mich in das Kapitel „Absurdes Theater“.
Deshalb von mir die klare Aussage: Wir brauchen endlich eine Entscheidung über diese Frage, damit der zwei-spurige Ausbau und die Elektrifizierung der Jütland-Linie von Neumünster nach Oldesloe, der Tunnel unter dem Nordostseekanal bei Rendsburg und die Güterostumgehung Hamburg zügig in Angriff genommen werden können. Ich freue mich, dass der Entwurf des BVWP für diesen Weg – vorbehaltlich der nötigen Entschei- dungen – grundsätzlich grünes Licht gegeben hat und die DB-AG sich ebenfalls klar für diesen Weg entschieden hat.
Nachbesserungsbedarf sehe ich dagegen, was den Schienenpersonenverkehr betrifft. Ich bedauere, dass es uns noch nicht gelungen ist, die wichtigste Ausbaumaßnahme ü- berhaupt in Schleswig-Holstein, der Bau der Regionalbahn von Neumünster über Nor- derstedt, Hamburg-Flughafen zum Hauptbahnhof in den BVWP hineinzubekommen.
Diese Maßnahme allein würde vier Städte mit 120.000 Einwohnern an das Fernbahnnetz anschließen und 30.000 Fahrgäste täglich auf die Schiene bringen. Das ist mehr, als alle anderen geplanten Maßnahmen im Schienenpersonennahverkehr in den kommenden Jahren zusammen. Deshalb freue ich mich, dass der von uns heute vorgelegte Be- schluss dazu eine klare Aussage macht.
Nun komme ich zum größten Kapitel des BVWP, dem Fernstraßenausbau. Die Bewer- tungen des Bundesverkehrsministeriums über die Anträge aus Schleswig-Holstein haben Prioritäten ergeben, die wir jetzt aus Landessicht bewerten müssen. Prioritäten aus Sicht des Bundes sind der Ausbau der A20 von der Landesgrenze bis nach Bad Segeberg, der Ausbau der B404 von Kiel bis zur A1 bei Bad Oldesloe, und der sechsspurige Ausbau der A7 von Bordesholm bis Hamburg.
Der Ausbau der A7 hat mit Abstand den höchsten Nutzen-Kosten-Quotienten bekom- men. Ich möchte hier neidlos feststellen, dass Minister Bernd Rohwer, der dieses neue Projekt quer zu allen bisherigen Beschlüssen nach vorne gepuscht hat, den richtigen Riecher gehabt hat und erfolgreich war.
Die Bewertung des Weiterbaus der A20 westlich von Segeberg über die westliche Elb- querung bis zur A1 durch das Bundesverkehsministerium ist dagegen deutlich schlechter ausgefallen. Der Abschnitt von der A21 bei Segeberg bis zur A7 und der in Niedersach- sen von der geplanten A26 bis zur A21 sind in den weiteren Bedarf zurückgestuft wor- den, die Elbquerung selbst ist zwar im vordringlichen Bedarf geblieben, aber mit einem Vorbehalt versehen worden.
Niemand würde es mir glauben, wenn ich jetzt behaupten würde, ich sei ein glühender Befürworter der A20. Aber ich möchte hier klarstellen: Die A20 hat im Koalitionsvertrag hohe Priorität. Und das ist die gemeinsame Grundlage der Arbeit dieser Koalition, dabei bleibt es.
Ich warne an dieser Stelle davor, jetzt eine Legende über den mysteriösen Einfluss von Rainder Steenblock zu konstruieren.
Für die Bewertung der Elbquerung durch den Bund gibt es objektive Gründe: 1. Das of- fensichtliche Desinteresse der CDU-Regierung in Niedersachsen; 2. Die gravierenden naturschutzfachlichen Probleme und 3. die für eine Autobahn viel zu schlechten Ver- kehrsprognosen. Von den ursprünglich anvisierten 40.000 Fahrzeugen sind in der Schät- zung des Bundes zum Schluss nur noch 15.000 Fahrzeuge täglich übergeblieben.
Ich weiß, dass das für die Wirtschaft an der Westküste ein harter Schlag ist. Sollte es bei dieser Einstufung bleiben, so muss dringend darüber geredet werden, wie auf andere Weise die Verkehrsanbindung der Westküste verbessert werden kann.
Das Land wird jetzt seine Stellungnahme an den Bund abgeben. Die Koalitionsfraktionen haben dazu einen ausführlichen Landtagsantrag vorgelegt, der unsere Prioritäten deut- lich benennt, einschließlich der A20.
Dagegen verzichtet dieser Beschluss auf den sechsspurigen Ausbau der A23. Ich halte das angesichts der gravierenden Probleme – diese Autobahn läuft immerhin mitten durch drei Ortschaften, für eine vernünftige Entscheidung.
Ich freue mich auch, dass wir in diesem Beschluss klare Forderungen zum Ausbau der Wasserstraßen und einer Reihe von Schienenprojekten aufgeführt haben. Ich hoffe nun, dass es Minister Rohwer gelingt, an der einen oder anderen Stelle im Interesse des Lan- des nachzubessern. Ich wünsche ihm viel Erfolg bei den Verhandlungen. ***