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21.02.03
13:57 Uhr
SPD

Dr. Ulf von Hielmcrone zu TOP 35: Lasst hundert Festivals blühen

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 21.02.2003 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell TOP 35 – Schleswig-Holsteinisches Literaturfestival

Dr. Ulf von Hielmcrone:

Lasst hundert Festivals blühen!
Schon der Große Steuermann Mao Zedong rief uns auf: Lasst hundert Blumen blühen, lasst hundert Schulen miteinander wetteifern! Ich will heute einmal wenigstens der Kleine Steuermann für unser Land Schleswig-Holstein sein und fordere: Lasst hundert Festivals blühen – Musikfestival, Kunstfestival, Opernfestival, Schauspielfestival, Klein- kunstfestival, Fotofestival, Festival der Bildenden Künste, Satirefestival, - na gut letzte- res ist vielleicht doch entbehrlich, denn bei uns wird immer wieder die Satire von der Realität überholt.

Wenden wir uns aber zunächst dem jetzt vorgeschlagenen Literaturfestival zu: Das ganze Land soll schreiben, soll vorlesen und vor allem zuhören. Damit sollten wir al- lerdings erst einmal hier in diesem Haus anfangen. Und da beginnt das Problem: Zu- hören ist eine schwierige Sache. Wer hört in diesem Hause schon dem anderen zu, das gilt sicherlich für beide Seiten. An diesem Punkt werden wir also mit den Vorberei- tungen für unser Festival anfangen und erst einmal tüchtig üben.

Ich stelle mir das so vor: Herr Greve, Sie lesen in mehreren Doppelstunden aus Ihren ungezählten Werken bei der SPD-Fraktion und den Grünen vor, auch der SSW wird willkommen sein. Ich hoffe, dass die CDU mit mir vorlieb nimmt und mir Gelegenheit gibt, Lesungen aus meinen diversen Husum-Führern bei ihr zu halten, auch um den ewigen Vorwurf zu entkräften, in Kiel kenne man die Westküste nicht und wolle sie
Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



auch nicht kennen. Zwischenrufe sind übrigens nicht erlaubt und ziehen eine Verlän- gerung der Lesung um jeweils weitere zehn Minuten nach sich. Die zweite Stufe lautet: Selbst schreiben. Unter uns schlummern so viele Talente, die der literarischen Entdeckung harren. Das Publikum wartet auf den großen Zyklus von Klaus Schlie: „Erzählungen aus Tausend und einer Gemeinde“, wird aber auch mit der Novelle „Die Ich-Gemeinde“ glücklich sein. Liebhaber historischer Belletristik würden sicherlich gern zu „Friede den Eisenbahnbrücken, Krieg den Palästen“ von Günter Neugebauer greifen.

Alles, was die jeweils zuständigen Musen dazu animiert, diese bis jetzt verborgenen Talente endlich zu küssen, muss gefördert werden, damit wir endlich mehr als nur ei- nen lebenden Nobel-Preisträger im Lande habe. Die aber brauchen wir, damit Ihre I- dee, Herr Greve, verwirklicht werden könnte.

Natürlich können Sie mit Günther Grass die Säle füllen, aber eben auch nur mit Schriftstellern seines Kalibers und seines Bekanntheitsgrades, das sind die meisten aber nicht, und auch nur Vereinzelte sind auf einem mühsamen Wege dorthin. Und wenn sie mit ihm die Säle füllen, dann auch nur deswegen, weil es den Zuhörern oder Zuschauern in erster Linie um das Erlebnis seines Auftrittes, nicht seiner Literatur geht.

Das Erlebnis Literatur oder Buch ist dabei doch ein ganz anderes, es ist ein höchst persönliches und individuelles. Der Charme des Buches liegt darin, dass es überall ge- lesen werden kann, in der Bahn und im Bett. Dieses individuelle Erlebnis entzieht es der Vermassung, und das ist gut so, auch bei noch so hohen Auflagen: Lesen muss ich das Buch selbst und allein.

Hier liegt übrigens der Unterschied zur Musik, die sowohl einzeln wie auch mit vielen Menschen zusammen genossen wird. Und er liegt darin, dass Musik unabhängig von der Sprache der Menschen aufgenommen werden kann. Naturgemäß kann man des- -3-



wegen mit Musik viel mehr Menschen auf einmal ansprechen als mit der Literatur, das liegt am Charakter des Mediums selbst.

Lesungen im übrigen benötigen – gerade bei unbekannter oder sich entwickelnder Li- teratur – den Schutzraum der kleineren Veranstaltung: in der Buchhandlung, dem Haus der Literatur, wo auch immer, aber eben nicht in den großen Sälen. Sie ist kein Event der Tausende. Deswegen ist das Haus der Literatur so wichtig, sind es Bücher- frühling und Nordische Literaturtage oder die Nord-Ostpassagen. Sie passen zum Me- dium Buch, Massenevents jedenfalls nicht. Und schließlich: Muss denn um Himmels Willen alles vermarktet und kommerzialisiert werden? Trotzdem: Ich wünsche uns wei- terhin viel Freude am Buch, am Lesen, hören Sie auch einmal zu, und lassen Sie uns auch im neuen Haus immer wieder über Kultur und auch Literatur diskutieren und auch streiten.

Ich finde es schön und bin auch dankbar dafür, eine der letzten Reden in diesem Haus über ein kulturelles Thema gehalten zu haben. Ideen hierzu brauchen wir immer wie- der, auch wenn nicht alle immer wirklich verwirklicht werden können. Herzlichen Dank trotzdem, Ihnen Herr Greve, und auch Ihnen, dass Sie mir zugehört haben – ein guter Anfang und ein gutes Ende in diesem Haus.