Helga Kleiner: Fachaufsicht bleibt die Achillesferse des Sozialmi nisteriums
LANDTAGSFRAKTION S C H L E S WI G - H O L S T E I N Parlamentarischer Geschäftsführer Heinz Maurus Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.cdu.ltsh.de e-mail:info@cdu.ltsh.dePRESSEMITTEILUNG Nr. 29/03 vom 22. Januar 2003Sozialpolitik TOP 9 Helga Kleiner: Fachaufsicht bleibt die Achillesferse des SozialministeriumsDas Ergebnis meiner Bewertung nehme ich vorweg:Die Fachaufsicht war und ist die Achillesferse der Sozialministerin. Wir erwarten von ihr, dass sie sich zukünftig intensiv und vor allem ausreichend kümmert.Zunächst gilt es folgendes festzuhalten: Nach der Einführung der Pflegeversicherung 1995 haben sich die Heimaufsichtsbehörden weitgehend – und das nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern nach meiner Kenntnis auch in anderen Bundesländern – aus der Kontrolle der Pflegequalität zurückgezogen und dieses – zugegebenermaßen schwierige Arbeitsfeld dem MDK und damit den Pflegekassen überlassen. Hiermit hat die am 1.1.2002 in Kraft getretene Heimgesetznovelle Schluss gemacht. Sie stellt ausdrücklich klar, dass die Prüfung der Pflegequalität zu den originären Aufgaben der Heimaufsichtsbehörden gehört. Dem Bundesgesetzgeber war darüber hinaus bekannt, dass im Laufe der Jahre in der Praxis der Heimaufsichtsbehörden ein gewisser Schlendrian eingesetzt hatte. Ich sage dies einmal sehr deutlich. Die Heimgesetznovelle ordnet daher zugleich an, dass die Heimaufsichtsbehörden alle stationären Pflegeeinrichtungen mindestens einmal im Jahr prüfen müssen. Sie können im Einzelfall nur dann längere Prüfungsintervalle wählen, wenn der MDK gerade geprüft hat oder die Einrichtung ein Sachverständigengutachten zur Pflegequalität des betreffenden Pflegeheims vorgelegt hat. Die zur Einreichung dieser Sachverständigengutachten notwendige Rechtsordnung des Bundes ist noch nicht erlassen worden. Das also ist – knapp zusammengefasst – die Rechtslage seit dem 1.1.2002.Was ist nun im Lande geschehen? Zunächst einmal hat – erfreulicherweise – wie ich ausdrücklich hervorheben will – am 14. Dezember 2001 eine Dienstbesprechung zwischen dem Sozialministerium und den Heimaufsichtsbehörden im Hinblick auf die kurz vor dem Inkrafttreten stehende Heimgesetznovelle stattgefunden. Außerdem hat das Sozialministerium – und ich füge wiederum hinzu: erfreulicherweise – einen „Prüfbogen Heimaufsicht“ entworfen und hat diesen Prüfbogen – soweit mir bekannt, bei der genannten Dienstbesprechung den Vertretern der Heimaufsichtsbehörden ausgehändigt. Damit ist nun – wenn auch ziemlich spät – sichergestellt, dass alle stationären Pflegeeinrichtungen nach einem einheitlichen Prüfschema geprüft werden.So weit – so gut! Wie haben nun die Heimaufsichtsbehörden ihre Kontrollpflicht im ersten Halbjahr 2002 tatsächlich ausgeübt? Am 30.6.2002 gab es in Schleswig-Holstein 625 Pflegeheime mit insgesamt 35.309 Pflegeplätzen. In den 15 Heimaufsichtsbehörden waren an diesem Stichtag – wenn man die einzelnen Beschäftigungsanteile zusammenrechnet, also in einer Gesamtbetrachtung auf Vollzeitkräfte abstellt – insgesamt 8,8 Verwaltungskräfte und 5,05 Pflegefachkräfte tätig. Bis zum 30.6.2002 haben die Heimaufsichtsbehörden insgesamt 218 der 625 Pflegeheime kontrolliert, also gut ein Drittel. Dabei haben die Heimaufsichtsbehörden insgesamt 40 stationäre Pflegeeinrichtungen zusammen mit dem MDK geprüft. Die Antwort der Landesregierung auf eine ergänzende Kleine Anfrage von mir, mit der ich die Zahlen vom 1.7. – 31.12.2002 erbeten habe, steht noch aus. So bin ich auf eine Schätzung angewiesen. Ich gehe davon aus, dass die Heimaufsichtsbehörden ihre Mindest- Prüfungspflicht wohl zu 80, und ich hoffe zu 90 % erfüllt haben. Nach der Heimgesetznovelle müssen die Heimaufsichtsbehörden alle Pflegeheime ihres Bezirks aber mindestens einmal jährlich kontrollieren. Mindestens einmal im Jahr heißt nach meiner Ansicht, in zwei Jahren mindestens dreimal. Diese Prüfungsfrequenz werden die Heimaufsichtsbehörden aber, wenn sie die Intervalle nicht verkürzen, nicht einhalten. Das wundert mich nicht. Denn in der bereits genannten Dienstbesprechung zwischen dem Sozialministerium und den Heimaufsichtsbehörden am 14. Dezember 2001 haben die Heimaufsichtsbehörden des Kreises Pinneberg und des Kreises Rendsburg/Eckernförde schon erklärt, die jährliche Prüfung eines jeden Pflegeheims werde wohl nicht zu schaffen sein. Auf Grund solcher Einwände hat der mit der Abfassung des Protokolls über diese Dienstbesprechung beauftragte Beamte des Sozialministeriums als Ergebnis dieser Erörterung festgehalten, ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten: „Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass wohl in diesem Jahr in allen Heimen eine „Rundumprüfung“ durchgeführt werden muss. Bei Wiederholungsprüfungen in den nächsten Jahren ist es nach Auffassung des MASGV jedoch durchaus möglich, Prüfungsschwerpunkte zu bilden, die dann jedoch für jede einzelne Prüfung in jedem Heim durchzuhalten sind.“ Wie die Landesregierung angesichts dieser Sachlage zu der Ansicht kommen kann (so in ihrer Vorbemerkung auf Seite 2 der Drs. 15/2268), die Heimaufsichtsbehörden hätten sich den neuen Anforderungen „offensiv gestellt“, bleibt mir schleierhaft und lässt sich wohl nur als Posten unter der Überschrift „Schöne Worte“ abbuchen.Es hat dann noch nach meinen Unterlagen am 24.6.2002 eine weitere Dienstbesprechung zwischen dem Sozialministerium und den Heimaufsichtsbehörden stattgefunden. Aber auch diese Dienstbesprechung hat das Sozialministerium nicht dazu genutzt, von den Heimaufsichtsbehörden in gewissen Abständen zusammenfassende Berichte über das Ergebnis ihrer heimaufsichtlichen Tätigkeit zu verlangen. Die von den einzelnen Heimaufsichtsbehörden ausgefüllten „Prüfbögen Heimaufsicht“ gelangen also nur zu den Akten der regionalen Heimaufsichtsbehörden. Sie werden mithin nicht durch die Fachaufsicht in irgendeiner Weise ausgewertet. Die Fachaufsichtsbehörde weiß also überhaupt nicht, ob Anlass besteht, im Wege von Erlassen oder über Einzelweisungen regulierend in die Tätigkeit der Heimaufsichtsbehörden einzugreifen. Insoweit ist die Fachaufsicht der Sozialministerin nach wie vor ihre Achillesferse. Ihre Fachaufsicht ist blauäugig bis vertrauensselig.Ich sage dies mit allem ernsten Nachdruck und weise dazu auf folgendes hin: Der Sozialverband Deutschland hat erst vor einem knappen halben Jahr öffentlich erklärt, dass in der Bundesrepublik in jedem Jahr etwa 1000 bettlägerige Pflegebedürftige in unseren Pflegeheimen infolge Wundliegens (Dekubitus) – und zwar bedingt durch Pflegefehler – sterben. Das ist eine erschreckende Zahl und sollte alle Verantwortlichen aufrütteln, sich auch intensiv um Verbesserungen in der Heimaufsicht zu kümmern. Keiner von uns kann ausschließen, dass solche Todesfälle auch aus schleswig-holsteinischen stationären Pflegeeinrichtungen plötzlich bekannt werden.Als Oppositionspolitikerin gehört es zu meiner Hauptpflicht, die Tätigkeit der Landesregierung kritisch zu begleiten. Es wäre aber nicht fair, wenn ich verschweigen würde, dass die Sozialministerin in dem Pflegebereich auch beachtenswerte Erfolge aufweisen kann. Ich nenne ausdrücklich: Den Modellversuch PLAISIR im Kreis Segeberg und die Entscheidung der Sozialministerin, ein auf die deutschen Verhältnisse hin abgewandeltes PLAISIR- Verfahren (Kieler Modell) landesweit schrittweise einzuführen und die bundesweite Einführung nachhaltig zu fördern.Denn die Grundmisere im Pflegebereich ist mit drei Worten zu kennzeichnen: ZU WENIG PFLEGEKRÄFTE ! Hier bietet PLAISIR einen wirkungsvollen und den wohl bedeutsamsten Ansatz in der Pflegepolitik seit der Einführung der Pflegeversicherung. Zu diesem Punkt werde ich gewiss zu einer anderen Zeit noch einmal Gelegenheit haben, hier im Plenum zu sprechen.