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08.01.03
12:41 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel zum Landesverkehrsprogramm

Fraktion im Landtag PRESSEDIENST Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Telefax: 0431/988-1501 Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.gruene-landtag-sh.de

Nr. xxx.03 / xx.xx.2003



Landesverkehrsprogramm muss Perspektiven für die Wende in der Verkehrspolitik aufweisen
Zum Entwurf für ein Landesverkehrsprogramm erklärt der Vorsitzende und verkehrspoli- tische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen Karl-Martin Hent- schel:
Das Verkehrsministerium hat im Oktober 2002 den Entwurf für ein Landesverkehrspro- gramm vorgelegt und Verbände und Parteien aufgefordert, bis Anfang Januar 2003 ihre Stellungnahmen abzubeben. Wir haben dazu eine detailierte Stellungnahme erarbeitet, in der eine Reihe grundlegender Änderungen vorgeschlagen werden.
Zunächst einmal begrüße ich sehr, dass der Verkehrsminister einen Entwurf für ein integ- riertes Verkehrsprogramm hat erarbeiten lassen, das sowohl den Personenverkehr wie auch den Güterverkehr - und auch bezogen auf alle Verkehrsträger - beinhaltet. Dies ist eine qualifizierte Grundlage, die es Verbänden, Parteien und einer interessierten Öffent- lichkeit ermöglicht, die Diskussion über die Perspektiven für die Entwicklung der Ver- kehrspolitik in Schleswig-Holstein zu führen.

Die Wende in der Verkehrspolitik muss fortgesetzt werden
Aus unserer Sicht gibt es bei dem vorliegenden Entwurf allerdings noch einen erhebli- chen Nachbesserungsbedarf. Wir sind uns aber mit der SPD darin einig, dass eine gute Verkehrsinfrastruktur eine wichtige Grundlage für die Zukunftsentwicklung des Landes ist. Wir sind uns ebenso einig darüber, dass der zunehmende Verkehr auch zunehmende Probleme hervorruft, wie:
• die CO2- und andere Emissionen • der Lärm, • der Flächenverbrauch, • die Zerschneidung von Naturräumen und • die Belastung der Wohngebiete und Städte.
Deshalb haben die rot-grünen Koalitionen in Berlin und in Kiel eine Wende in der Ver- kehrspolitik eingeleitet. Die umweltfreundlichen Verkehrsträger (Schiff, Schiene, Bus, Fahrrad) sollen Vorrang haben, die Belastungen, insbesondere durch Straße und Flug- verkehr sollen durch geeignete Maßnahmen und durch technische Innovation minimiert und wo möglich soll auch Verkehr vermieden werden.

Das Programm sollte Alternativen in der Verkehrspolitik darstellen
Trotz dieser Übereinstimmungen gibt es bei der Bewertung der einzelnen Vorhaben in der Verkehrspolitik auch Unterschiede. So glauben wir, dass eine Steigerung der CO2- Emissionen nicht mehr akzeptiert werden kann und deshalb geeignete Szenarios entwi- ckelt werden müssen.
Das vorliegende Programm soll den Zeitraum bis 2015 abdecken. Für einen solche Spanne müssen größere Verlagerungsoptionen mit berücksichtigt werden. Gemäß dem Landtagsbeschluss vom März 2002 fordern wir im Landesverkehrsprogramm alternative Szenarien mit Verlagerungseffekten aufzunehmen, so wie es auch die Bundesregierung getan hat. Im vorliegenden Programm wird dies noch nicht ausreichend berücksichtigt.
Mitte 2003 wird die streckenbezogene Gebühr für schwere Lastkraftwagen auf Bundes- autobahnen eingeführt. Damit werden neue Weichen gestellt. Der LKW-Verkehr wird ver- teuert, die Verkehrsträger Bahn, Binnen-Schiff und Seeschiff werden dadurch noch kon- kurrenzfähiger. Die möglichen Verlagerungseffekte sollten in einem Verkehrsprogramm aufgezeigt werden. Dies kann erhebliche Auswirkungen auf die großen Investitionen im Verkehrssektor haben. Das Programm sollte auch deutlich machen, welche Zielsetzun- gen (Reduzierung von CO2-Emissionen etc.) durch welche Alternative erreicht werden können, damit die Politik Handlungsoptionen hat.

Der Fahrradverkehr kann einen wichtigen Beitrag zum innerörtlichen Verkehr leisten
Der touristische Fahrradverkehr in Schleswig-Holstein wird im Verkehrsprogramm her- ausgearbeitet. Dagegen fehlt eine Darstellung der Perspektiven für den Fahrradverkehr im Alltag fast vollständig. Dies muss nachgearbeitet werden. Dabei muss in der Darstel- lung zwischen dem ländlichen Raum und dem Fahrradverkehr innerhalb der Ortschaften unterschieden werden.
Schleswig-Holstein ist das Land mit den meisten Radwegen gemessen an der Straßen- länge. Schwerpunkt der Landesregierung beim Bau von Fahrradwegen im ländlichen Be- reich liegt neben dem touristischen Aspekt vor allem auf der Sicherung der Schulwege.
Nachholbedarf besteht aus unserer Sicht vor allem in den Ballungsgebieten, in denen bei der Mehrzahl der PKW-Fahrten nur Entfernungen zwischen drei und fünf Kilometern zu- rückgelegt werden. Hier besteht ein erhebliches Verlagerungspotenzial. Dabei geht es nicht vorrangig um den Radwegebau, sondern um die Förderung von Radverkehrsanla- gen insgesamt - vom Fahrradstreifen bis hin zur Fahrradstation am Bahnhof - und um ei- ne fahrradgerechte Ortsgestaltung.
Ich schlage deshalb vor, einen neuen Abschnitt zum Fahrradverkehr in das Programm aufzunehmen - auf Grundlage der Ergebnisse unserer Großen Anfrage, die wir im Herbst gestellt haben und deren Antwort im Januar vorliegen müsste.

Nordostseekanal und Küstenschifffahrt
Im Verkehrsprogramm fehlt der Gütertransitverkehr durch den Kanal. Der Nord-Ostsee- Kanal (NOK) ist aber der Hauptverkehrsträger für diese Verkehre durch Schleswig- Holstein. Ein Feederschiff mit 1000 TEU-Einheiten (20-Fuß-Container) befördert in der Regel 500 40-Fuß-Container. Wird diese Gütermenge auf 500 LKW verlagert, dann er- gibt sich auf der rechten Autobahnspur mit Sicherheitsabstand eine Schlange von zirka 50 km.
Die Bedeutung des NOK für die Güterverkehrsverlagerung “from road to sea” muss des- halb in einem Verkehrsprogramm deutlich herausgehoben werden. Daraus ergeben sich erhebliche Konsequenzen für die Verkehrsplanung. So unterstützen wir z.B. die Ent- schärfung der Kanalkurven zwischen Königsförde und Holtenau, damit auch große Fee- derschiffe den NOK ohne Probleme nutzen können. Eine Aufnahme dieser Maßnahmen in die Anmeldungen für den Bundesverkehrswegeplan halten wir für notwendig.
Wir schlagen vor, die Verkehrsleistungen des Schiffsverkehrs für den Transitverkehr Skandinavien-Deutschland (auch des potenziellen Transitverkehrs durch Schleswig- Holstein) und für den Zielverkehr von und nach Schleswig-Holstein in das Programm ein- zuarbeiten.

Darstellung der Verkehrsleistungen anstelle der Verkehrsmengen
Sowohl beim Güterverkehr wie auch beim Personenverkehr stellt das Landesverkehrs- programm für die jeweiligen Verkehrsträger die Verkehrsmengen und nicht die Verkehrs- leistungen (Menge oder Personen x Entfernung) dar. Eine Darstellung der Verkehrsmen- gen führt aber zu erheblichen systematischen Verzerrungen zu Gunsten der Verkehrs- träger, die kurze Strecken bedienen. Dabei wird die Verkehrsleistung der Verkehrsträger Schiff und Schiene um ein Vielfaches unterbewertet.
So basiert die Darstellung von Güterverkehrsmengen auf Tonnenangaben. Ich schlage vor, auch die Leistungen in Tonnenkilometern anzugeben. Bei der Darstellung der Auf- kommen im Personenverkehr sollen die Angaben in Personenkilometern ergänzt werden.

Ausbau der Vogelfluglinie
In dem Programmentwurf wird an mehreren Stellen suggeriert, dass das Projekt einer festen Fehmarnbelt-Querung als Bestandteil der Regierungspolitik beschlossen ist. Dies trifft so natürlich nicht zu.
Grundlage unserer gemeinsamen Politik ist der im Koalitionsvertrag vereinbarte Ausbau der Vogelfluglinie als wichtiger Verkehrsträger nach Skandinavien. Es gibt keine Vorent- scheidung für eine feste Querung. Deshalb wird in die vergleichende Bewertung auch ein optimiertes Fährschiffkonzept einbezogen. Die Finanzierung einer festen Querung soll nur mit privatem Kapitel erfolgen und bei angemessener privater Risikobeteiligung.
Das durchgeführte Interessenbekundungsverfahren hat für die grüne Fraktion ein klares Ergebnis gebracht: Den privaten Investoren ist das Risiko zu groß und sie erkennen kei- ne Gewinnchancen. Deshalb erwarten sie staatliche Subventionen. Wir halten jedoch an der Vereinbarung fest: Wenn schon feste Querung, dann mit privaten Mitteln ohne Zu- schüsse aus Berlin und Kiel.
Darüber hinaus wird durch die Darstellung im Verkehrsprogramm der Eindruck erweckt, dass eine feste Querung gleichbedeutend mit einer Brücke sei. Tatsächlich haben aber die Gutachten deutlich gemacht, dass eine Tunnellösung erhebliche Vorteile aufweist. Auch im Koalitionsvertrag wird aus ökologischen Gründen eine Tunnellösung präferiert. Aus diesem Gründen sollte die Darstellung im Plan der Beschlusslage angepasst wer- den.

Die Bewertung des Flugverkehrs sollte aktualisiert werden
Die Bewertungen und Prognosen des Programmentwurfs basieren immer noch auf den hohen Zuwachsraten aus den goldenen Zeiten des Regionalflugverkehrs. Die Mittelfrist- prognose der Prognos AG für das Bundesverkehrsministerium vom 30. Juni 2002 berich- tet dagegen von Rückgängen bei den Passagierzahlen im innerdeutschen Flugverkehr im Jahr 2001 von minus 5,4 Prozent und erneut im Jahr 2002 von minus 4,1 Prozent. Für die Jahre bis 2006 geht die Prognose von Steigerungsraten im innerdeutschen Flugver- kehr von 2 Prozent aus und sieht insgesamt für den Zeitraum von 2000 bis 2006 eine Stagnation der Passagierzahlen. Man kann heute nicht mehr auf Grund einer Prognose der Steigerung im Flugverkehr von 103 Prozent bis 2015 Politik machen. Das wäre reali- tätsfern und muss korrigiert werden.
So ist die Prognose von 1 Mio. Passagieren in Lübeck-Blankensee im Jahr 2010 heute nicht mehr zu halten. Der Charterverkehr ins Mittelmeer bricht gerade massiv weg. Die neue Linie der Tell Air von Lübeck nach Augsburg (München) und weiter nach Wien wird wegen der günstigen Betriebskosten mit einer Turbopropmaschine bedient und nicht mit einem Jet. Alle Hoffnungen ruhen auf den Billigangeboten von Ryan-Air.
Der Kieler Flughafen hat 2001 und auch 2002 massive Einbrüche in den Passagierzah- len bei den traditionellen Linien (Frankfurt, Berlin, Köln/Bonn). Die neue Flugverbindung nach München ist gut angenommen worden, hat aber ihr Potenzial ausgereizt. Die For- mulierung “kontinuierlich wachsende Passagierzahlen” ist deshalb sachlich falsch.
Ich schlage deshalb vor, dass die aktuellen Prognosen der Flughäfen und der Bundesre- gierung zur Grundlage der Aussagen zum Flugverkehr im Verkehrsprogramm genom- men werden.

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