Karl-Martin Hentschel zum Haushalt 2003
= RESSEDIENST P Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP – Haushalt 2003 Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Dazu sagt der Vorsitzende Telefax: 0431/988-1501 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mobil: 0172/541 83 53 Karl-Martin Hentschel: E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.gruene-landtag-sh.de Nr. 312.02 / 18.12.2002Kinder haben Vorrang – packen wir’s an!Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident,dies ist der siebte Haushalt, an dessen Aufstellung ich beteiligt bin, und es war der Schwerste.Denn seit dem Frühjahr dieses Jahres, als wir die ersten Eckdaten diskutiert haben, ha- ben die neusten Einnahmeprognosen Monat für Monat alle Planungen über den Haufen geworfen.Der jetzt vorliegende Haushaltsantrag liegt mit seinen Steuereinnahmen von 5,5 Mrd. Eu- ro nach Länderfinanzausgleich auf der Höhe von 1999 und 200 Millionen Euro unter dem Ist des Jahres 2000 – real ist das ein Rückgang der Einnahmen um zirka zehn Prozent in fünf Jahren.Wenn es trotzdem gelungen ist, für 2003 einen verfassungsgemäßen Haushalt vorzule- gen, dann ist allein das schon eine Leistung. Das Lob dafür gehört in erster Linie dem Fi- nanzminister. An zweiter Stelle gebührt das Lob allen FachministerInnen, denen es so schwer wie noch nie gefallen ist, immer neue Streichungen anzubieten. Denn sie be- kommen ja auch an erster Stelle die Wut der Betroffenen zu hören.Drittens und in besonderer Weise gebührt das Lob der Ministerpräsidentin, die unerbitt- lich alle Versuche der Einzelressorts, doch noch aus dem vorgegebenen Korridor auszu- brechen, verhindert hat. Viertens danke ich beiden Regierungsfraktionen, die sich eisern an die verabredete Linie gehalten haben, die lautete: Es wird nur umgeschichtet, aber nicht draufgesattelt – und die am Schluss in ihren Haushaltsvorschlägen sogar noch mal eine sechsstellige Summe eingespart haben. Das hat in beiden Fraktionen zu erregten Szenen geführt, wenn Fach- abgeordnete die Auswirkungen von Sparmaßnahmen vor Ort geschildert haben, und es uns am Schluss doch nur in sehr wenigen Fällen möglich war, dies zu korrigieren.Und zum Schluss bedanke ich mich bei den Gewerkschaften, Verbänden, Einrichtungen und allen sonstigen betroffenen BürgerInnen, die uns in unzähligen Gesprächen ihre Forderungen vorgetragen haben. Ich war immer wieder von der Ernsthaftigkeit der Ge- spräche beeindruckt. Viele sagten uns, dass sie wissen, dass wir sparen müssen. Und oft haben sie uns dann fachlich beraten, wie wir wenigstens das wenige Geld am sinn- vollsten einsetzen. Auch dafür vielen Dank!Meine Damen und Herren, es gibt am Ernst der Situation gar nichts zu beschönigen. Dieser Haushalt ist bis zur Ver- fassungsgrenze ausgereizt und enthält noch eine ganze Reihe Unwägbarkeiten. Die ein- zigen, die den Ernst der Lage offensichtlich nicht begriffen haben, sind die beiden Oppo- sitionsführer in diesem Landtag. Deswegen habe ich mich entschlossen, meine Rede heute einmal umgekehrt aufzubauen und mit der Opposition zu beginnen: Da ich letztes Mal die CDU vorgezogen habe, beginne ich diesmal mit der FDP.Die FDP möchte der Polizei 9 Mio. Euro mehr geben, den Werften 4,6 Millionen, den Schulen 8 Millionen, den Hochschulen 6 Millionen und dem Kommunalen Investitions- fond sogar 16 Millionen Euro.Ich halte alle diese Forderungen für wünschenswert – insbesondere sechs Tage vor Weihnachten. Aber im Unterschied zu Ihnen habe ich irgend wann begreifen müssen, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt, und dass die Geschenke von den Eltern hart verdient werden müssen.Schauen wir uns deshalb die Gegenfinanzierung an: Sie streichen 15 Millionen beim Wohngeld, obwohl dies eine gesetzliche Verpflichtung ist, auf die das Land keinen Ein- fluss hat. Also eine klassische Luftbuchung, die am Ende des Jahres sowieso bezahlt werden muss.Sie streichen 20 Millionen bei der Sozialhilfe, obwohl dies eine gesetzliche Verpflichtung ist, auf die das Land keinen Einfluss hat. Also ebenso eine klassische Luftbuchung, die am Ende des Jahres ohnehin bezahlt werden muss.Sie streichen 5 Prozent des Personals der Ministerien. Dabei wissen Sie sehr gut, dass die Personalkosten bereits gekürzt sind und die Ministerien zusätzlich die Tariferhöhun- gen selbst finanzieren müssen, was praktisch auf einen Einstellungsstop hinausläuft. Darüber hinaus haben wir bereits eine Einsparung von 35 Millionen Euro durch Kürzung des Weihnachtsgeldes eingeplant. Eine Umsetzung ihrer Forderung bedeutet deshalb Entlassungen – und sie wissen so gut wie ich, dass das nicht möglich ist. Also auch dies eine Luftbuchung.Mir klingen noch die Worte von Herrn Kubicki auf der Demonstration des Beamtenbun- des letzte Woche in den Ohren, der den Beamten vollmundig versprach, er stehe im Kampf gegen die Kürzungen voll auf ihrer Seite. Draußen vor der Tür leere Verspre- chungen, hier drin dann das Gegenteil! Das ist verlogen, Herr Kubicki!Als nächstes streichen Sie Millionen bei den IT-Ausgaben. Wie sie aber einerseits Per- sonal in den Verwaltungen einsparen wollen, wenn sie zugleich die Modernisierung der Verwaltungen stoppen, auch das bleibt Ihr Geheimnis.Dass Sie dann auch noch die Förderung der standortangepassten Landwirtschaft völlig einstellen wollen, was einer Liquidierung des Ökolandbaus gleichkommt, kann man wirk- lich nicht ernst nehmen. Ich buche das unter „notorischer Hass auf Naturschutz“. So was würde nicht mal in Bayern durchgehen.Als letztes streichen Sie 5 Millionen durch Auflösung der staatlichen Umweltämter und Übertragung ihrer Aufgaben auf die Kreise. Schade, dass Frau Happach-Kasan nicht mehr hier ist. Sie könnte Ihnen sagen, dass dann die Kreise ein Vielfaches an ExpertIn- nen einstellen müssen, um dann die betrieblichen Genehmigungsverfahren qualifiziert durchführen zu können. Mit einer solchen Maßnahme würden sie nicht nur einen Sturm der Entrüstung bei der schleswig-holsteinischen Wirtschaft hervorrufen, sie würden auch Kosten verursachen, die ein Mehrfaches der Einsparungen ausmachen.Bei all diesen Luftnummern frage ich mich: Herr Kubicki, was ist denn aus Ihren vollmun- digen Versprechungen vom September geworden? Da wollten Sie noch 116 Millionen Euro einsparen durch eine 10-prozentige Kürzung aller Subventionen? Schon verges- sen?Bei soviel Traumtänzerei lohnt es, einen Blick auf die reale Politik der FDP in der Hanse- stadt Hamburg zu werfen, in der der FDP-Bildungssenator Lange gerade in seiner Hau- haltsvorlage 345 LehrerInnen einsparen will. Wie äußerte sich Herr Lange über Herrn Kubicki? „Herr Kubickis Äußerungen liegen völlig neben der Realität ... Wenn man sich nicht um sachliche Informationen bemüht, darf man sich nicht wundern, dass man eine Bauchlandung macht.“Herr Kubicki, dieser Bewertung Ihrer Haushaltspolitik durch den einzigen FDP- Bildungspolitiker in Regierungsverantwortung kann ich mich ausnahmsweise anschlie- ßen. Nun zur CDU: Sie hat uns dieses Jahr besonders auf die Folter gespannt – hat sie doch ihre Haushaltsvorschläge erst auf der letzten Sitzung des Finanzausschusses vor einer Woche vorgelegt. Vielleicht dachten Sie, wir kämen dann nicht mehr dazu, sie zu lesen? Nun, ich habe mir die Mühe gemacht.Da die CDU eine größere Partei als die FDP mit mehr Verpflichtungen ist, sind denn auch ihre Versprechungen gleich um einen ganze Größenordnung umfangreicher. Hier eine Auswahl:23,6 Millionen mehr für den Küstenschutz, 4 Millionen für die Kitas, 3 Millionen für die Po- lizei, 31 Millionen mehr für den Straßenbau, 5 Millionen mehr für die Schulen, 10 Millio- nen mehr für die Hochschulen.Auch hierzu erkläre ich für meine Fraktion: Bis auf den Straßenbau ist das sicher alles wünschenswert! Da sind wir denn um so mehr auf die Gegenfinanzierung gespannt. Hat- te nicht Ihr neuer Vorsitzender Carstensen noch im Mai erklärt, „wir haben jetzt eine größere Verantwortung.“ und „Was wir beschließen, muss auch finanzierbar sein.“Tatsächlich leistet es sich die CDU, bis auf eine Streichung bei der ökologischen Land- wirtschaft und beim Naturschutz überhaupt keine relevante Gegenfinanzierung zu bieten. Die gleiche Luftnummer bei der Sozialhilfe wie die FDP, aber dafür gleich um 30 Millio- nen. Aber sonst begnügt sich die CDU mit sogenannten globalen Minderausgaben von 20 Millionen beim Personal und 45 Millionen bei den Sachmittel.Da fragt man sich natürlich, wo diese Einsparungen erbracht werden sollen. Wollen Sie der Polizei die Autos wegnehmen? Wollen Sie den Gerichten die Computer wegneh- men? Wollen Sie den Hochschulen die Labore wegnehmen? Die Begründung für diese riesigen Kürzungen in Ihrem Antrag spricht Bände: „Die Auflösung der Minderausgaben ist vom Finanzminister vor Inkrafttreten des Haushaltes 2003 vorzunehmen.“Aha – Sie wissen also selbst nicht, wo sie sparen wollen. Deshalb soll ausgerechnet der Finanzminister, den sie Monat für Monat mit Hohn und Spott überschüttet haben, Ihnen zwischen Weihnachten und Neujahr aus der Patsche helfen.Herr Kayenburg, im dpa-Gespräch am 1. Oktober sagten sie: „Wenn sich das Land nach den Aussagen von Frau Simonis nicht leisten könne, auf 110 Millionen Euro Erbschafts- und Vermögenssteuer zu verzichten, so ist dies eine eindeutige Bankrott-Erklärung aus erster Hand. 110 Millionen Euro entsprä- chen gerade einmal 1,04 Prozent der Gesamtausgaben des Landes von 10,6 Mrd. Euro“. Jetzt wissen wir also, warum sie es nicht geschafft haben, rechtzeitig mit Ihren Haus- haltsanträgen fertig zu werden. Ihnen sind nicht mal Gegenfinanzierungen in Höhe von 10 Millionen Euro eingefallen, um Ihre Versprechungen zu finanzieren.Eine größere Bankrotterklärung für die größte Oppositionspartei kann man gar nicht ab- liefern. Herr Kayenburg, ich fordere den Rücktritt Ihres finanzpolitischen Sprechers we- gen Hochstapelei!Jetzt wird mir klar, was ihr anerkannter Ex-Wirtschaftsminister-in-spe Lothar Späth vor der Bundestagswahl meinte, als er dem Handelsblatt sagte: „Wir sind doch keine Weihnachtsmänner!“Ein Weihnachtsmann würde Ihnen nicht mehr helfen. Sie brauchen Gustav Gans persön- lich, um Ihre Versprechungen zu finanzieren.Meine Damen und Herren, wenn die Lage nicht so ernst wäre, dann könnte man über diese Opposition lachen. Die Lage ist aber bitterernst.Ich komme deshalb zu unseren eigenen vergleichsweise bescheidenen Änderungsvor- schlägen der Regierungsvorlage: Nach Streichungen der Regierung bei beinahe allen Haushaltstiteln um teilweise weit über 10 Prozent ging es uns darum, mindestens dort zu helfen, wo es unbedingt nötig erschien und wo wir eine Gegenfinanzierung hinbekom- men konnten.So haben wir überproportionalen Kürzungen in des Landessportverbandes um 150.000 Euro reduziert. Wir haben die überproportionale Kürzung der Fachhochschule Wedel teilweise rückgängig gemacht. Wir haben einige Kürzungen im Bereich der Minderheiten reduziert. Wir haben die überproportionalen Kürzungen beim ökologischen Landbau re- duziert. Das ist zwar immer noch weniger als im laufenden Jahr, aber doch ein Signal, das wir die erfreulichen Zuwächse des Ökolandbau im letzten Jahr fortsetzen wollen.Wir haben einige überproportionale Kürzungen bei der Kinder- und Jugendarbeit redu- ziert. Wir haben 100.000 Euro für die Weiterbildung von ErzieherInnen im Bereich Sprachförderung von Migrantenkindern eingestellt.Wir haben die Kürzungen beim Tierschutz reduziert und haben bei der Förderung von Privatwäldern 100.000 Euro mehr eingestellt.Als Gegenfinanzierung wurden zahlreiche Einzeltitel gekürzt, so die Mittel für die Reise- kosten des Parlamentes, beim Landesrechnungshof, beim Volksabstimmungsgesetz, beim statistischen Landesamt, bei der Privatschule Louisenlund, beim Erwerb von Dienstfahrzeugen und bei der Förderung von Ökotechniken. Es sind zugegeben kleine Korrekturen – aber doch wichtige Signale.Ein dringendes Problem konnten wir nicht lösen. Wir wissen, dass die Hochschulen in ei- ner dramatischen Situation sind, weil für die Gehaltserhöhungen im nächsten Jahr keine Mittel vorhanden sind, und insbesondere die Uni Kiel und die Uni Flensburg keine Reser- ven mehr haben. Meine Fraktion hatte sich deshalb dafür eingesetzt, einen Feuerwehr- fond einzurichten, auch um wenigsten einen kleinen Spielraum bei anstehenden Beru- fungsverhandlungen zu schaffen.Dies ist uns nicht gelungen, weil wir einfach keine Gegenfinanzierung gefunden haben. Wir werden nun im Frühjahr nach dem Abschluss der Tarifverhandlungen und auf Grund- lage des Berichts der Erichsen-Kommission erneut über die Situation sprechen müssen.Meine Damen und Herren, auch nach der Verabschiedung des vorliegenden radikalen Sparhaushaltes sind die Fi- nanzprobleme des Landes noch lange nicht gelöst. Deshalb hat meine Fraktion genauso wie die SPD-Fraktion neben den Haushaltsanträgen auch eine Reihe von Strukturverän- derungen vorgeschlagen, über die wir gemeinsam mit der Regierung im neuen Jahr re- den werden.Folgende Strukturveränderungen sind von meiner Fraktion vorgeschlagen worden:• Die Katasterämter sollen auf vier bis fünf Standorte zusammengelegt werden.• Bei der Polizei soll eine Führungsebene eingespart werden. Das Polizeiorchester soll aufgelöst werden.• Die Arbeits- und Sozialgerichte sollen endlich zusammengefasst und gemeinsam dem Justizministerium unterstellt werden.• Die landesweiten Beratungsstellen bei Jugend, Soziales und Frauen sollen unter Ein- beziehung der Kommunen und der freien Träger auf Doppelstrukturen überprüft und bereinigt werden.• Die überregionalen Fortbildungs- und Beratungsangebote sowie die Durchführung von Modellprojekten in den Bereichen Schule, Jugendhilfe und Familie sollen gebün- delt werden. Bei der Fortbildung und Beratung pädagogischer Fachkräfte brauchen wir ein landesweit abgestimmtes Konzept unter Einbeziehung des IPTS.• Beim Unterhaltsvorschuss für alleinerziehende Mütter, deren Kindesväter nicht zah- len, wollen wir die Blockade überwinden, weil hier Millionenbeträge verloren gehen. Es muss endlich gemeinsam mit den Kommunen eine Lösung gefunden werden.• Die Zahl der Forstämter soll von sieben auf sechs reduziert werden. • Die Straßenbauverwaltung soll endlich zweistufig werden. Dabei sollen die Straßen- bauverwaltungen und Straßenmeistereien der Kreise mit denen des Landes auch in den Kreisen zusammengeführt werden, in denen das noch nicht geschehen ist.#• Die GMSH soll mit dem Ziel wirtschaftlicherer Strukturen überprüft werden.Meine Damen und Herren Abgeordnete, wenn wir an die Regierung Forderungen stellen, dann muss das Parlament bereit, voran- zugehen. Deswegen fordern wir seit Jahren, die Zahl der Wahlkreise auf 35 zu reduzieren, um da- mit die Zahl der Überhangmandate und Ausgleichsmandate deutlich zu verringern. Durch eine solche Veränderung des Wahlgesetzes wird die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes erhalten und zugleich sichergestellt, dass die von der Verfassung geforderte Größe des Parlaments eingehalten wird. Auch nach der unverständlichen Diskussion der letzten Woche werden wir dieses Ziel weiter vertreten.Ebenso wurden die Strukturen bei den Beauftragten schon oft kritisch hinterfragt. Wir schlagen vor, die Institution der Beauftragten als Ansprechpartner der BürgerInnen zu erhalten, aber die von außen undurchsichtigen Strukturen zu vereinfachen und zu bün- deln. Deshalb wollen wir die Büros des Eingabeausschusses, der Bürgerbeauftragten, des Behindertenbeauftragten und des Flüchtlingsbeauftragten zu einer Anlaufstelle mit einer gemeinsamen Geschäftsführung zusammenfassen. Die Beauftragten sollen dann ehrenamtlich tätig sein - bei hauptamtlicher Zuarbeit. Die Beauftragten der Staatskanzlei könnten ebenfalls an dieses Konzept angegliedert werden.Meine Damen und Herren, ein weiteres Thema ist die Strukturreform der Landes- und Kommunalbehörden. Die grü- ne Fraktion hat sich darauf verständigt, dies zügig in Angriff zu nehmen. Das ist ein hei- ßes Thema. Aber nach den drastischen Reduzierungen des Personals in den Landes- verwaltungen sind größere Einsparungen nur dann zu erreichen, wenn es zu grundle- genden Strukturveränderungen kommt.Deshalb wollen wir über das Finanzausgleichsgesetz Anreize für eine Gebietsreform auf kommunaler Ebene schaffen. Wir schlagen vor, die Kreisverwaltungen zu vier bis fünf regionalen Bezirken zusammenzufassen. Die Aufgaben der Selbstverwaltung der bishe- rigen Kreise müssen in anderer Form sichergestellt werden.Wir sagen den BürgerInnen aber auch: Eine Reform der Ämter und Kreise ist erforder- lich. Dass betrifft aber nicht die ehrenamtlichen Strukturen der kleinen Gemeinden in Schleswig-Holstein, die das Rückgrat des Gemeindelebens in den kleine Dörfern bilden. Diese wollen wir erhalten und Entscheidungen über Veränderungen allein den BürgerIn- nen vor Ort überlassen.Wir wissen auch, dass wir für solche Veränderungen die Opposition brauchen: Deshalb fordere ich Sie auf, zeigen Sie Mut zu Veränderungen. Bürokratieabbau ist eine beliebte Vokabel der Opposition. Aber leider verlässt Sie immer schnell der Mut, bevor überhaupt die Diskussion begonnen hat.Ich zitiere hier beispielhaft den Abgeordneten Günther Hildebrand in seiner Presseerklä- rung vom 1. Oktober: „Hinter den Äußerungen von Innenstaatssekretär Lorenz ist aber zu befürchten, dass die Landesregierung erwägt, notfalls auch gegen den Willen der Bevölkerung größere Verwaltungseinheiten zu schaffen.“So geht es nicht, Herr Hildebrandt. Mit Denkverboten werden Sie die Aufgaben der Zu- kunft nicht meistern.Der Landtag in Mecklenburg-Vorpommern war mutiger und hat eine viel beachtete En- quete-Kommission eingesetzt. Auch der Städteverband in Schleswig-Holstein hat mit seinen Vorschlägen viel Mut bewiesen. Das Gutachten der Landesregierung zum zent- ralörtlichen System schlummert noch im Ausschuss. Nachdem nun auch der Innen- und Rechtsausschuss das Thema auf die Tagesordnung gesetzt hat, hoffe ich, dass wir im Frühjahr endlich zu konstruktiver Arbeit zusammenfinden werden.Weil das Thema Bürokratieabbau bekanntlich eine geliebte Vokabel der Opposition ist, erzähle ich Ihnen noch eine Anekdote: Die Abgeordneten Jutta Scheicht und Manfred Ritzek kritisieren in einer Pressemitteilung vom 11. Oktober 2002, dass die Landesregie- rung keine Informationen darüber hat, ob in den vergangenen fünf Jahren Schlangen von ihren BesitzerInnen in Schleswig-Holstein ausgesetzt wurden und ob es Schlangenbisse gab. Schließlich, so die Abgeordneten, darf es in Schleswig-Holstein giftige Schlagen und andere gefährliche Exoten nur in zoologischen Gärten geben. Deshalb fordern sie eine behördliche Meldepflicht für Bisse. So schafft man neue Beamtenstellen! Ich schla- ge deshalb vor, den Abgeordneten Scheicht und Ritzek den Orden: „Bürokratie zieht Giftzahn“ zu verleihen!Meine Damen und Herren, ein weiteres heiß diskutiertes Thema ist das Personal- und Tarifrecht. Man kann sich darüber streiten, ob die Ministerpräsidentin mit ihrem Medienvorstoß zum Thema ge- schickt war. An dieser Diskussion will ich mich nicht beteiligen.Meine Fraktion hat jedenfalls beschlossen, sich beim Bund für eine weitere Flexibilisie- rung des Beamtenrechts und eine Angleichung des Dienst- und Tarifrechtes der Beam- tInnen und Angestellten einzusetzen. Wir wollen auch, dass dabei Handlungsspielräume für die Länder geschaffen werden.Im konkreten schlagen wir vor, dass das Weihnachtsgeld auf 2500 Euro begrenzt werden soll. Das trifft nicht die kleinen Einkommen und belastet diejenigen, die es schultern kön- nen. Weiterhin schlagen wir vor, dass bei Dienstfahrten in der Bahn in der Regel nur noch die 2. Klasse bezahlt werden soll. Gerade für mich als ehemaliges Tarifkommissionsmitglied der Gewerkschaft IG Druck und Papier ist es erstaunlich, wie erschrocken alle Parteien darauf reagieren, wenn mehr Flexibilität im öffentlichen Dienstrecht gefordert wird.Der SSW spricht sich in einer Pressemitteilung vom 14.11.02 gegen eine Öffnungsklau- sel aus, die den Ländern Verhandlungen ermöglicht. Ja, der SSW spricht sogar von ei- nem „einseitigen Bruch der Tarifverträge“.Das kann ich nicht verstehen. Flexibilität ist doch selbst für die kampfstarke IG Metall schon längst eine selbstverständliche Vokabel. Wieso ist es ein Bruch des Vertrages, wenn man fordert, dass das Land überhaupt Verträge abschließen darf?Die CDU fordert in einer Presserklärung vom 14.11.02 vollmundig, dass die Landesregie- rung den BürgerInnen mitteilen soll, dass bestimmte Aufgaben nicht mehr erfüllbar sind. In der gleichen Pressemitteilung erklärt sie aber, dass es Sonderopfer zu Lasten der Be- amten nicht geben darf. Alles nach dem Motto: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.Und der FDP-Vorsitzende Kubicki, sonst sicher nicht als Gewerkschaftsfreund profiliert, toppt das Ganze. So stellte er sich vor die Demonstration des Deutschen Beamtenbun- des am 13.12.02 vor dem Landeshaus und versprach als einziger den DemonstrantIn- nen, dass die FDP im Kampf gegen Kürzungen voll auf ihrer Seite steht. Bei soviel Un- verfrorenheit war sogar der Abgeordnete Schlie von der CDU baff.Meine Damen und Herren von der Opposition, so geht es nicht. Wer sich bereits Gum- miwindeln umbinden muss, wenn der Beamtenbund zur Demonstration vor dem Landes- haus aufruft, der wird keine Strukturveränderungen in Schleswig-Holstein zustande brin- gen.Meine Damen und Herren, die größten Veränderung der kommenden Jahre stehen uns im Bildungs- und Erziehungssektor bevor. Die Stichpunkte sind bekannt: PISA-Studie, Ganztagsschule, Kommunalisierung, Ver- bindliche Halbtagsgrundschule, Migrantensprachunterricht, Abbau der Differenzierung und so weiter. Es ist selbstverständlich, dass wir mehr Geld für die Bildung brauchen.Das ist richtig! Ich bin deshalb stolz, dass es uns gelungen ist, bei den Koalitionsver- handlungen im Herbst zusätzliche Milliarden für Kinderbetreuung und Ganztagsschulen zu mobilisieren. Und wir werden nicht locker lassen. Deshalb haben wir die Landesregie- rung bei ihrem Kurs unterstützt, durch eigenständige Einnahmen für die Länder wie durch die Erhöhung der Erbschaftssteuer und die Wiedereinführung der Vermögenssteu- er die Finanzierung des Bildungssektors sicherzustellen. Aber das hat Grenzen. In der rauen politischen Wirklichkeit können auch Dukatenesel nicht mehr scheißen, als die Ökonomie hergibt. Deshalb muss die notwendige Bildungs- reform auch mit grundlegenden Strukturveränderungen verbunden werden.Mein Fraktion schlägt deshalb vor: Um die erforderlichen Reformen in den Schulen zügig und flächendeckend umsetzen zu können, sollen folgende Maßnahmen ergriffen werden:• Die Mittel für den Schulbau (der Kommunale Investitionsfonds, die Schulbaumittel des Bildungsministeriums und die Investitionsmittel des Bundes für Ganztagsschulen) sol- len zusammengefasst werden.• Die unterschiedlichen Betreuungsmaßnahmen von Schulkindern wie Hort und andere Betreuungsformen sollen im Rahmen der Einführung von flächendeckenden Ganz- tagsangebote in Schulen zusammengefasst werden.• Das Pilot-Projekt „Geld statt Stellen“ soll auf alle Schulen ausgeweitet werden und ih- nen ermöglichen, sich bis zu 20 Prozent der Personalmittel in Geld auszahlen zu las- sen.• Die Bedingungen für Teilzeitkräfte, das sind 39 Prozent der Lehrkräfte in Schleswig- Holstein, sollen so geändert werden, dass diese wie die Vollzeitkräfte verpflichtet werden können, bei Stundenausfall einzuspringen.• An geeigneten Standorten sollen Oberstufenzentren gebildet werden. In einem ersten Schritt soll an den Orten, in denen es mehr als eine gymnasiale Oberstufe gibt, die Zusammenarbeit ausgebaut werden.• Kleine Schulen sollen organisatorisch zusammengefasst werden mit einer gemein- samen Schulleitung, um schulübergreifende Kooperation zu ermöglichen. Über die Beibehaltung der Standorte soll vor Ort selbst entscheiden werden.• Die Lehrerstundenkontingente sollen konsequent nach Schülerzahl an die Schulen verteilt werden, wobei Sonderfaktoren auf Grund des sozialen Einzugsbereichs - wenn mehr Bedarf für Fördermaßnahmen und Sprachförderung besteht - berücksich- tigt werden. Ausnahmen soll es nur für Inselschulen oder ähnliche Standorte geben.• Auch die Berufsschulen haben ein Problem der kleinen Klassen. Der Vorschlag des Rechungshofs, eine Mindestklassengröße vorzuschreiben und gegebenenfalls die SchülerInnen zu Bezirksfachklassen oder Landesberufsschulen zusammenzufassen, soll umgesetzt werden. Die betroffenen ausbildenden Betriebe müssen bei der Ent- stehung eines neuen Konzeptes eingebunden werden, da wir sie als Ausbildungsstät- ten brauchen. Die zweite große Reform des Bildungswesens betrifft die Hochschulen. Qualitativ gute Hochschulen in Forschung und Lehre sind einer der wichtigsten Standortfaktoren für un- ser Land.Zur Zeit befinden sich unsere Hochschulen in einer dramatischen Lage, zu der ich vorhin schon einiges gesagt haben. Mit der Einrichtung der Strukturkommission für die Uniklini- ka und der Erichsen-Kommission für die Hochschulen selbst soll eine Grundlage für die Entscheidungen geschaffen werden.Herr Jost de Jager: Sie haben letzte Woche erneut vertreten, der Gesetzentwurf zur Fu- sion der Klinika sei in zentralen Punkten unvollständig und komme zum falschen Zeit- punkt. Es sei voreilig, über ein so erhebliches Strukturvorhaben zu entscheiden, bevor die sogenannte Erichsen-Kommission ihre Vorschläge vorgelegt habe. Das sei ein Zumutung für die Betroffenen und ein „parlamentarischer Sittenverfall“.Nein, Herr de Jager! Ein Sittenverfall wäre es, wenn wir wieder nicht die Kraft haben, die nötigen Entscheidungen zu treffen. Wenn es uns nicht gelingt, die nötigen Strukturrefor- men auf den Weg zu bringen, dann sparen wir unsere Hochschulen kaputt.Deshalb wird meine Fraktion dafür eintreten, dass auf Basis der Kommissionsvorschläge zügig die Strukturen der Hochschulen reformiert werden. Es müssen weitere Einsparun- gen bei den Uni-Kliniken ab 2003 realisiert werden. Dafür ist ein handlungsfähiger Klinik- vorstand die unabdingbare Vorraussetzung. Denn mit den frei werdenden Mitteln soll die Finanzierung der Hochschulen sichergestellt werden.Herr de Jager, an dieser Linie werden wir festhalten, und wenn wir noch so viele de Ja- gers zum Jagen tragen müssen.Meine Damen und Herren, neben den Strukturentscheidungen im Land brauchen wir Strukturentscheidungen in Ber- lin. Auch dafür trägt die Landesregierung eine wichtige Verantwortung. Wir sind deshalb der Überzeugung:• Es muss zu einer deutlichen Senkung der Lohnnebenkosten kommen. Dazu ist erfor- derlich: Das Wachstum der Sozialleistungen muss gestoppt werden. Die Renten dür- fen nicht mehr schneller steigen als die Einkommen der jungen Familien. Und es muss durch eine Reform der Krankenversicherungen erreicht werden, dass die Kos- ten des Gesundheitswesens gesenkt werden. Die Basis für die Finanzierung des So- zialversicherungssystems muss verbreitert werden, indem alle Einkommen, auch Be- amtInnen, Abgeordnete, Besserverdienende, Selbständige und Kapitaleinkommen einbezogen werden. Der Anteil der Steuerfinanzierung muss deutlich angehoben werden. Die Gegenfinanzierung sollte durch Verbrauchssteuern erfolgen.• Wir brauchen eine gerechtere Verteilung der Steuerlasten. Meine Fraktion unterstützt deshalb die Einführung einer Mindeststeuer auch für große Kapitalgesellschaften. Wir sind weiterhin der Meinung, dass wir sichere Einnahmen der Bundesländer brauchen wie die Erbschaftssteuer und eine Vermögenssteuer nach angelsächsischen Vorbild, um die Finanzierung des Bildungs- und Betreuungssystems sicherzustellen.• Wir unterstützen auch den Beschluss der Landesregierung, sich für eine schnelle und unverwässerte Umsetzung des Hartz-Konzeptes einzusetzen. Dabei sollte sicherge- stellt sein, dass die Einstellung von LeiharbeiterInnen für Firmen zu deutlichen Vortei- len führt, aber keine Anreize für eine dauerhafte Verdrängung von festen Arbeitsplät- zen durch Leiharbeitsverhältnisse führt. Wir werden uns auch dafür einsetzen, dass die Einrichtung der Personal-Service-Agenturen nicht bei den Arbeitsämtern, sondern in Form von dezentralen privaten oder kommunalen Gesellschaften erfolgt, damit die Probleme bürgernah und effizient vor Ort gelöst werden.Meine Damen und Herren, der vorliegende Sparhaushalt ist nicht die Lösung unserer Probleme. Das wissen wir. Aber er ist ein notwendiger Schritt auf dem Weg.Unser Problem ist nicht die mangelnde Wirtschaftskraft. Schleswig-Holstein hatte im ers- ten Halbjahr 2002 gegenüber 2001 das höchste Wachstum aller Bundesländer von 1,3 Prozent gegenüber 0,4 Prozent im Bundesschnitt. Unser Problem ist auch nicht die man- gelnde Konkurrenzfähigkeit. Der Außenhandel Schleswig-Holsteins ist im letzten Jahr um über 14 Prozent gewachsen.Unser Problem sind die Blockaden bei der Reform unserer Strukturen und unserer Sozi- alsysteme.Wir müssen aufhören, Angst zu haben vor der nächsten Wahl. Wir müssen aufhören ein Politkasperlspiel zu betreiben. Wir müssen aufhören, jede politische Entscheidung vor dem Bundesrat zum Nullsummenspiel zu zerreiben. Wir müssen aufhören jede politische Entscheidung erst mal zum Verfassungsgericht zu tragen. Wir müssen aufhören mit dem Theater von Untersuchungsausschüssen, Verdächtigungen und kriminalistischen Fise- matenten, wer wann mal was gesagt hat.Wir müssen zurückkehren zu einer politischen Debatte, die um die Sache geht. Die schwierige Situation der Konjunktur und der öffentlichen Haushalte erfordert entschlos- senes Handeln der Regierungen und klare Signale an die BürgerInnen, damit sie Ver- trauen fassen. Viele BürgerInnen haben erkannt, dass jetzt alle ihren Teil dazu beitragen müssen, um den „Tanker“ Bundesrepublik Deutschland wieder in Schwung zu bringen.Sie erwarten von uns allerdings Signale, das wir die Probleme anpacken und dass die Belastungen gerecht auf alle verteilt werden. Die Parole lautet: Die Kinder haben Vorrang - packen wir’s an! ***