Arens beim Festakt "Theodor Mommsen - 100 Jahre Literaturnobelpreis"
D E R L A N D T A G A SCHLESWIG - HOLSTEIN a 173/2002 Kiel, 10. Dezember 2002 Sperrfrist: 10. Dez., 19:30 Uhr, Redebeginn Es gilt das gesprochene Wort!Heinz-Werner Arens beim Festakt “Theodor Mommsen – 100 Jahre Literaturnobelpreis“KIEL (SHL) – In seiner Rede zum Festakt am 10. Dezember 2002 in der Dreilandenhalle in Garding auf Eiderstedt sagte Landtagspräsident Heinz-Werner Arens unter anderem:„Theodor Mommsen hat vor genau 100 Jahren, am 10. Dezember 1902, als erster und einziger Historiker den Nobelpreis für Literatur bekommen. ‚Dem gegenwärtig größten lebenden Meister der histori- schen Darstellungskunst, mit besonderer Berücksichtigung seines monumentalen Werks Römische Geschichte’, so lautete die Begrün- dung der Schwedischen Akademie. Mommsen galt damals und auch heute noch als Stellvertreter einer ganzen literarischen Epoche – der große Geschichtsepiker, der es verstand, die Vergangenheit in einer erzählerischen Art und Weise mit Leben zu füllen.Zunächst einmal war er natürlich ein überragender Wissenschaftler. Er hat mit einer Inbrunst antike Inschriften übersetzt und interpretiert. Durch ihn wurde die Alte Geschichte überhaupt erst zu einem eigen- ständigen Wissenschaftsbereich. Ich bin zwar kein Historiker. Aber ich kann mir vorstellen, dass sich mit Mommsens Schriften die politische und gesellschaftliche Stimmung seiner Zeit hervorragend nachvollziehen lassen.Im seinem Leben spielte die Wissenschaft eine große Rolle, aber sie war nicht sein ganzes Leben. Er engagierte sich auch außerhalb der Hochschule. Als Vater von 16 Kindern hatte er dazu genug Gelegen- heiten, er kümmerte sich auch um die Erziehung seiner Kinder. Er sorgte dafür, dass seine Töchter eine Berufsausbildung erhielten, was zu seiner Zeit keineswegs selbstverständlich war. Seine Tochter Adel- 2heid schildert ihren Vater in einer Biographie als liebevollen und etwas zerstreuten Mann. So zerstreut, dass er einmal Besucher in Frack und Pantoffeln empfing. Diese Züge machen Mommsen zu einem sympa- thischen Menschen.Wichtig war für ihn auch, politische Verantwortung im gesellschaftli- chen Leben zu übernehmen. Mommsen soll einmal gesagt haben: ’Der schlimmste aller Fehler ist, wenn man den Rock des Bürgers aus- zieht, um den gelehrten Schlafrock nicht zu kompromittieren.’ Dieses Motto bestimmte sein Denken und Handeln immer wieder. Für seine liberalen und demokratischen Ideen war er sogar bereit, auf die Straße und auch ins Gefängnis zu gehen. Weil Mommsen am sächsischen Maiaufstand 1849 teilnahm, wurde er zu neun Monaten Gefängnis verurteilt. Die zweite Instanz sprach ihn zwar frei. Allerdings verlor er seine Stelle als Professor in Leipzig.Später war er Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses und Reichstagsabgeordneter. Auch als Parlamentarier setzte er sich im- mer wieder für die Menschen- und Bürgerrechte ein: Im Berliner Antisemitismusstreit von 1879 ergreift er sofort Stellung für ‚unser Judentum’, wie er es nannte. Er warnte vor der nationalisti- schen und antisemitischen Stimmung im Deutschen Reich. Mommsen kritisierte die Sozialpolitik des mächtigen Reichskanzlers Otto von Bismarck und wurde dafür sogleich wegen Beleidigung an- geklagt. Es ging ihm immer wieder um das Aufzeigen von Missstän- den. Ganz egal, was sich dadurch für negative Konsequenzen erge- ben könnten. Mommsen besaß erstaunliche Zivilcourage und verfolgte unbeirrt seine humanistischen Ideale. Seine Entschlossenheit und sein Engagement sollten wegweisend für unsere heutige Gesellschaft sein.Hier in Garding ist Theodor Mommsen geboren und aufgewachsen, in ärmlichen Verhältnissen als Sohn eines Diakons. Sein Vater hat ihm eine humanistische Ausbildung zu kommen lassen. Und es wird ver- mutet, dass Mommsens ausgeprägter Freiheitssinn durch das Selbst- bewusstsein der nordfriesischen Bauern entscheidend beeinflusst wurde. Seit diesem Jahr trägt Garding auch den offiziellen Titel ‚Theodor- Mommsen-Stadt’. Und an vielen Ecken wird an ihn erinnert: An sei- nem Geburtshaus befindet sich eine Gedenktafel und neben seinem Geburtshaus ein kleines Museum. Wo wäre also ein besser geeigne- ter Ort, um einen Festakt für den Nobelpreisträger zu feiern!Mommsen hat einst gesagt: ‚Ohne Leidenschaft gibt es keine Geniali- tät.’ Ich denke, weder das Eine noch das Andere hat in Mommsens Leben gefehlt.“ 3Herausgeber: Pressestelle des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel, Postf. 7121, 24171 Kiel, Tel.: (0431) 988- Durchwahl -1163, -1121, -1120, -1117, -1116, Fax: (0431) 988-1119 V.i.S.d.P.: Dr. Joachim Köhler, Annette Wiese-Krukowska, E-Mail: Joachim.Koehler@landtag.ltsh.de Internet: www.sh-landtag.de – Presseinformationen per E-Mail abonnieren unter www.parlanet.de/presseticker