Klaus Schlie: Integration muss Vorrang vor Zuwanderung haben
LANDTAGSFRAKTION S C H L E S WI G - H O L S T E I N Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.cdu.ltsh.de e-mail:info@cdu.ltsh.dePRESSEMITTEILUNG Nr. 483/02 vom 14. November 2002 Justizpolitik TOP 7 und 17 Klaus Schlie: Integration muss Vorrang vor Zuwanderung haben Auf den ersten Blick verwundert es, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass unmittelbar vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über das rechtmäßige Zustandekommen des Zuwanderungsgesetzes die rot-grünen Fraktionen im Landtag eine umfangreiche Debatte zu diesem Thema führen wollen.Der eigentliche Anlass dieser Debatte, nämlich der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landesaufnahmegesetzes rechtfertigt jedenfalls nicht die Dauer dieser Debatte. Interessanter wird es sicher bei der Frage, wie die Landesregierung sich auf das mögliche Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes vorbereitet hat. Neben der Frage, wie die Aufnahme der Zuwanderungswilligen erfolgen soll, ist dabei insbesondere das Thema der Integrationsmaßnahmen von entscheidender Bedeutung.Bezogen auf das Landesaufnahmegesetz will ich für meine Fraktion deutlich hervorheben, dass eine unmittelbare Zuleitung von Ausländern an die Kreise oder kreisfreien Städte tatsächlich nur mit der ausdrücklichen Zustimmung der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaft erfolgen darf, da ansonsten keine verlässliche Planung für die Kapazitäten der Übergangswohnheime möglich ist. Wie in der Begründung des Gesetzes ausgeführt, würde das zuständige Landesamt dann zwar Kosten sparen, die Kommunen würden dann aber gegebenenfalls mit zusätzlichen Problemen belastet werden. Hinweisen möchte ich ferner darauf, dass noch Klärungsbedarf über den Personenkreis besteht, der im Entwurf des Landesaufnahmegesetzes definiert ist. Auch über die Frage der Kostenregelungen werden wir noch in den Ausschussberatungen sprechen müssen.Eines ist jedoch schon jetzt klar, die Behauptung der Bundesregierung, dass durch das neue Zuwanderungsgesetz die Zuwanderung gesteuert und begrenzt wird, ist falsch.Tatsächlich wird die Zuwanderung erweitert: - der Anwerbestop wird aufgehoben; - Zuwanderung aus demographischen Gründen wird zugelassen; - es gibt großzügige Aufenthaltsgenehmigungen und es gibt einen wesentlich weitergehenden Familiennachzug.Ich habe nicht die Absicht, hier im Landtag eine Wiederholung der Debatte aus dem Deutschen Bundestag über die Sinnhaftigkeit dieses Zuwanderungsgesetzes zu führen. Trotzdem werden wir als Land die Auswirkungen dieses Gesetzes zu spüren bekommen und müssen mit dem erhöhten Zuwanderungsdruck fertig werden. Deshalb muss die Frage gestellt werden, welche Auswirkungen eine generelle Aufhebung des Anwerbestops haben wird. Der Anwerbestop ist 1973 unter der Regierung Willy Brandt bei einer Arbeitslosenquote von 1,2 Prozent eingeführt worden, die Ausländerarbeitslosigkeit betrug damals 0,8 Prozent. Heute ist die Arbeitslosigkeit unter den 7,3 Millionen hier lebenden Ausländern fünf und zwanzigmal höher – im Januar 2002 betrug sie 20,2 Prozent.Auch die Behauptung der rot-grünen Bundesregierung, dass die Zahl der Flüchtlinge durch die generelle Anerkennung nicht staatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung nicht steigen werde, ist falsch.Zu quasi Asylberechtigten werden Ausländern, die vor Kriegs- und Bürgerkriegssituation, der Armut und wirtschaftlicher Verelendung, vor Natur- oder Hungerkatastrophen oder vor Problemen fliehen, die sich aus der unterschiedlichen Stellung von Mann und Frau auf dieser Welt ergeben. Diese Aufwertung zu Fällen des „kleinen Asyls“ führt zur Möglichkeit des vollen Familiennachzugs auch bei gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften sowie zu Aufenthaltserlaubnissen mit Zugang zum Arbeitsmarkt ohne jede Bedarfsprüfung oder Quotierung. Damit verlässt Deutschland die gemeinsame Linie der EU, wonach nur staatliche oder dem Staat zurechenbare Verfolgung zur Flüchtlingsanerkennung führt. Diese im Alleingang durchgesetzte Regelung geht weit über die Standards internationaler Vereinbarungen hinaus und wird uns auch in Schleswig-Holstein vor nicht lösbare Probleme stellen. Verschärft wird dies dadurch, dass illegal eingereiste Ausländer alleine durch Zeitablauf ein Daueraufenthaltsrecht erwerben können. Dies widerspricht im übrigen auch eklatant unserer Rechtsordnung.Durch eine Fülle von Ausnahmevorschriften soll der Nachzug von Kindern bis zum 18. Lebensjahr möglich sein. Die Pisa-Studie hat gezeigt: Ein möglichst früher Spracherwerb ist unerlässlich für eine sichere Zukunftsperspektive ausländischer Kinder in unserem Land. Das rot-grüne Zuwanderungsgesetz erschwert die Integration statt sie zu fördern. Selbst die Landesregierung bezweifelt an dieser Stelle die Sinnhaftigkeit des Zuwanderungsgesetzes. Wenn sie auf Seite 12 ihres Integrationskonzeptes formuliert: „Ob das Gesamtsprachkonzept tatsächlich zur Umsetzung kommt, scheint mit dem Zuwanderungsgesetz fraglich.“Die Landesregierung sieht zu Recht die Gefahr, dass durch das neue Zuwanderungsrecht zwei parallele Sprachkurssysteme installiert werden. Außerdem haben alle schon hier lebenden Ausländer und die künftig zuziehenden EU-Bürger keinen Anspruch auf Sprachförderung. Der Weg zu einer erfolgreichen Integration kann aber nur über die deutsche Sprache führen. Konkrete Verpflichtungen zum Erlernen der deutschen Sprache, verbunden mit einem System von Anreizen und Sanktionen, muss dazu beitragen, dass die bleibeberechtigten Ausländer möglichst früh die deutsche Sprache erlernen. Ein solches System fehlt, auch im Konzept der Landesregierung. Der Grad der Verbindlichkeit ist gering. Sanktionen gibt es nicht. Der Bund drückt sich vor der Kostenübernahme dieser Integrationsleistungen und schließt alle hier schon lebenden Ausländer aus. Dies ist ein gravierender Fehler. Somit trägt das Gesetz den Gesichtspunkten der Integration nicht Rechnung. Vorrang muss die Integration der hier lebenden Ausländern vor weiterer Zuwanderung haben. Die gesamte Kostenregelung für die Integrationsleistungen ist ungeklärt. Die Landesregierung führt zwar in ihrem Integrationskonzept eine lange Reihe von Integrationsmaßnahmen auf, verweist aber ständig darauf, dass die Umsetzung davon abhängt, dass mit dem Bund noch Vereinbarungen getroffen werden müssen. Wir in Schleswig-Holstein werden dieses Kosten ja wohl angesichts der Haushaltslage kaum zusätzlich übernehmen können.Als Fazit bleibt festzuhalten: Schleswig-Holstein soll auch in Zukunft ein offenes und gastfreundliches Land bleiben. Ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger sind eine Bereicherung für unsere Gesellschaft. Ihre Integration ist nicht nur Notwendigkeit, sondern eine politische Chance. Der Schlüssel zur Integration ist neben dem Anerkenntnis unserer Rechtsordnung das Erlernen der deutschen Sprache. Hier versagt Rot-Grün im Bund und im Land völlig. In diesem Sinne ist unstreitig, dass Deutschland ein modernes Zuwanderungsbegrenzungsrecht braucht. Die von der Regierung Schröder-Fischer eingeführten Regeln bergen aber nur Risiken und Gefahren und bieten kein schlüssiges Integrationskonzept. Die Landesregierung begegnet dieser Tatsache mit Hilflosigkeit. Dies ist im Interesse der integrationswilligen Ausländer besonders bedauerlich.