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09.10.02
18:04 Uhr
B 90/Grüne

Monika Heinold zur Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen

= RESSEDIENST P Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 11 – Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen - Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Dazu sagt die Parlamentarische Geschäftsführerin Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Monika Heinold: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.gruene-landtag-sh.de

Nr. 236.02 / 09.10.2002 Die Bundesrepublik muss kinder- und familienfreundlicher werden
Die Große Anfrage der CDU zur Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen ist durch die Landesregierung umfassend und sachgerecht abgearbeitet worden. Sie spiegelt in ih- ren Ergebnissen jedoch keine wirklich neuen oder überraschenden Ergebnisse wieder. Nichts, dass der werten Opposition Angriffsfläche böte, die Familienpolitik der Landes- oder Bundesregierung zu diskreditieren. Schade aber auch!!! Die Ergebnisse bestätigen vielmehr die durch rotgrün gesetzten Schwerpunkte – im bereits erreichten und in den notwendigen Zielsetzungen für die nächste Zukunft.
Nun zu den Ergebnissen im Einzelnen:
Die Anzahl der Kinder, die in Schleswig-Holstein geboren werden und aufwachsen ist genauso wie die Kinderzahl bundesweit rückläufig. Heute nicht mehr so stark wie von 1980 auf 1990 - was verschiedenste Ursachen haben kann. Verantwortlich hierfür ist un- ter anderem auch die kinderfeindliche und rückwärtsgewandte Familienpolitik der CDU- Bundesregierung unter Helmut Kohl. Lediglich 19 Prozent der Bevölkerung sind Kinder und Jugendliche – das heißt die Erwerbsgeneration von Morgen. Wen wundert es da, wenn nicht nur die Sozialversicherungssysteme in schwerste Finanzierungsschwierigkei- ten kommen.
Eins ist sicher: Die Bundesrepublik muss kinderfreundlicher und familienfreundlicher werden. Deshalb ist es gut, dass in Berlin alles versucht wird, um trotz sinkender Ein- nahmen und lahmender Konjunktur Anreize und Unterstützung für Familien mit Kindern zu schaffen – in Form von finanziellen Entlastungen, in Form von Betreuungsangeboten und in Form von konkreten Hilfsangeboten. Familie ist da, wo Kinder sind - der Trau- schein allein genügt nicht. Deshalb ist auch die Reduzierung des Ehegattensplitting im oberen Einkommensbereich voll und ganz richtig. Hierzu stehen die Grünen und hierzu stehe ich. Ich bin auch der Meinung, dass die Erb- schaftssteuer überdacht werden muss und ich habe mich ganz besonders über die Initia- tive von Heide Simonis gefreut, die Vermögenssteuer wieder ins Spiel zu bringen. Nun endlich fängt ja auch die CDU an, Familienpolitik anders und neu zu definieren. Ange- sichts der Tatsachen kann auch die Opposition nicht umhin, ihre überlebte Programmatik an die realen gesellschaftlichen Erfordernisse anzupassen. Die CDU möchte nun die grünen Themen erobern, weil sie gemerkt hat, dass wir mit unserer Frauen- und Famili- enpolitik für junge Familien und für Frauen interessant sind. Aber – und wen wird das wundern – so richtig nimmt ihr keiner diesen Kehrtwende ab.
In Schleswig-Holstein leben im Vergleich mit dem Bundesdurchschnitt unterproportional wenig Migrantenkinder. Aber es sind immerhin 26.000 Kinder unter 14 Jahren - also eine große Herausforderung für uns. Es ist notwendig, damit alle Kinder in Schleswig-Holstein gleichermaßen die Chance auf einen guten Schulabschluss und eine qualifizierte Ausbil- dung erhalten, auf die Erkenntnisse aus der PISA-Studie zu reagieren. Hierzu gehört un- ter anderem als ein zentraler Baustein die gezielte Sprachförderung im Vorschulalter – für Kinder mit aber auch für Kinder ohne Migrationshintergrund.
Die Sozial- und Bildungsministerinnen haben ja neue Konzepte für den Vorschulbereich angekündigt. Wir werden uns bemühen, deren konsequente Umsetzung als Regierungs- partner wachsam im Auge zu behalten. Gemeinsam aufwachsen und Toleranz dadurch lernen, dass schon im Kindesalter Freundschaften geschlossen werden, beispielsweise in der Kita, in der Schule, im ganz normalen Alltag, dass ist der schleswig-holsteinische Weg.
Wichtig ist, dass gerade Migrantenkinder in die Kindergärten gehen und dort die Sprache lernen. Wichtig ist, das sich die Kitas mit den Kulturen, die in unserem Land vertreten sind, aktiv beschäftigen – gemeinsam internationale Feste feiern, Spezialitäten kochen, exotische Modenschauen veranstalten oder die Gotteshäuser aller Religionen besuchen.
Eine weitere grundlegende Entwicklung in unserer Gesellschaft ist die Zunahme der Zahl der alleinerziehenden Mütter und auch Väter. Ich finde, es ist ein positiver Trend, dass anscheinend auch mehr Väter bereit sind, die konkrete Verantwortung für die Erziehung und das Aufwachsen ihrer Kinder zu übernehmen; dies bleibt dann glücklicherweise nicht immer automatisch an den Müttern kleben. Aber ich will diese Lob auch nicht überziehen, denn das Verhältnis liegt auch heute noch bei 98 zu 2 Prozent.
Interessant erscheint mir in diesem Zusammenhang folgendes Detail: Erwerbstätige al- leinerziehende Mütter von Kindern unter drei Jahren sind statistisch nicht relevant, allein- erziehende erwerbstätige Väter von Kindern gleichen Alters gibt es aber 6.000 – und das bei dem oben genannten Verhältnis! Für mich ein deutliches Zeichen, dass hinter den al- leinerziehenden Vätern vielleicht doch noch eine weitere Bezugsperson steht, bzw. dass sich Männer auch in dieser Lebenssituation über ihre Erwerbstätigkeit und eben nicht über Familienverantwortung definieren. Hierzu passt im übrigen auch die im Vergleich geringe Inanspruchnahme der Elternzeit durch Väter. In 54,7 Prozent der Familien sind beide Elternteile erwerbstätig: Das ist sehr viel! Und die Erwerbstätigkeit ist auch nicht so stark vom Alter der Kinder abhängig, wie die CDU dies mutmaßen würde. Die Zahlen zeigen deutlich, dass schon seit Jahrzehnten die klassi- sche Drei-Phasen-Biographie der Ehefrau und Mutter nicht mehr der Normalfall ist. Damit steigt die praktische Verantwortung von Staat und Gesellschaft für Kinder und Familie. Mittagessen, Schularbeitenhilfe, Angebote der Jugendarbeit und Freizeitgestaltung an Schulen und in Kooperation mit Schulen sind ebenso wie die verlässliche Halbtags- und Ganztagsschuleangebote eine absolute Notwendigkeit.
Schleswig Holstein ist mit seinen vielfältigen Ganztagsangeboten an den Schulen auf ei- nem guten Weg. 80 Schulen machen bei dem neuen Modell mit. Außerdem ist der Ein- stieg in die verlässliche Halbtagsschule zum Sommer 2003 ein guter und notwendiger Schritt. Die Kreise nehmen außerdem das Geld für die Vernetzung von Jugendhilfe und Schule gerne in Anspruch und sind auch sehr kreativ.
Die bloßen Zahlen zur Ehescheidungen sagen nicht viel aus, außer dass sie die Flexibili- sierung von Familie widerspiegeln. Zum einen entstehen neue Patchworkfamilien, zum anderen gibt es viele nach außen hin „heile“ Familien, in denen Alkohol, Gewalt oder an- deres zu extrem problematischen Bedingungen für Kinder führt. Das Modell der glückli- chen Ehen, bis hin zur Goldenen Hochzeit, ist überholt – Familie ist da, wo Kinder sind. Dies muss die Richtschnur unserer Familienpolitik sein.
Viel zu viele Kinder und Jugendliche stehen im Sozialhilfebezug, auch wenn erfreuli- cherweise die durchschnittliche Bezugsdauer innerhalb der Bedarfsgemeinschaft ledig- lich bei 2,5 Jahren liegt. Eins ist deutlich – Kinder sind heute ein Armutsrisiko. Viel zu vie- le Jugendliche sind arbeitslos und von ihnen haben 85 Prozent keine abgeschlossene Berufsausbildung, was natürlich den Einstieg in das Erwerbsleben extrem schwierig macht. Das darf nicht sein und hier müssen wir ganz konkret Abhilfe schaffen.
Mit zwei Prozent erscheint die Zahl der Drogenabhängigen erfreulicherweise gering, aber zum einen ist natürlich jedes der 3.500 drogenabhängigen Kinder/Jugendlichen zu viel, zum anderen handelt es sich lediglich um ein Schätzung, bei der die Dunkelziffer schwer kalkulierbar ist. In jedem Fall bin ich der Meinung, dass die größeren Problem gerade bei Kindern und Jugendlichen nicht im Bereich der illegalen harten Drogen liegen, sondern Alkohol, Nikotin, Klebstoff und andere schnüffelbare Substanzen eine ungleich wichtigere rolle spielen. Vor diesem Hintergrund sind die Präventions-Initiativen der Landesregie- rung, wie „be smart don`t start“, die richtigen Ansätze.
Erschütternd waren für mich die unerwartet hohen Steigerungsraten von Kindern und Ju- gendlichen als Opfer von Kriminalität. Diese Entwicklung muss von der Verzerrung durch die statistischen Veränderungen bereinigt und schonungslos problematisiert werden. Für jedes einzelne Opfer ist dies ein großes Problem mit unabsehbaren Folgen. Mitverantwortlich ist auch der Konsumzwang unter Jugendlichen: Wer „Kohle“ hat, zählt etwas. Werbung und Wirtschaft verdienen rücksichtslos und dann schauen alle un- schuldig und erstaunt auf die Opfer. Die einen haben viel zu viel Taschengeld, die an- erstaunt auf die Opfer. Die einen haben viel zu viel Taschengeld, die anderen müssen arbeiten, um mithalten zu können, die dritten zocken ab.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang unbedingt das Recht auf gewaltfreie Erziehung, das wir als rot-grüne Bundes- und Landesregierung festgeschrieben haben. Denn selbstbewusste und starke Kinder haben die besten Vorrausetzungen, sich gegenüber kriminellen Anfeindungen und scheinbaren Verlockungen zu behaupten.
Im Bezug auf die Ausgestaltung der Angebote für Kinder und Jugendliche teile ich die Auffassung der Landesregierung nicht vollständig, dass wir bereits ein bedarfsgerechtes Angebot haben. Jedenfalls nicht wirklich flächendeckend an jedem Ort und auch nicht für jeden spezifischen Bedarf. Fraglich ist natürlich auch, ob dieses Ziel überhaupt jemals er- reicht werden kann. Aus der Praxis weiß ich jedoch, dass es mancherorts für Jugendli- che zu wenig Möglichkeiten gibt – zumindest nichts, was sie wirklich anspricht. Auch hier sind aus meiner Sicht die konkrete Beteiligung der Jugendlichen selbst und die „Öffnung von Schulen“ in der Freizeit zukunftsweisende Instrumente.
Positiv ausgestalten konnten wir in den vergangenen Jahren die verstärkte Nachfrage im Bereich Mädchenarbeit. Der Aufbau entsprechender Angebote war mühsam und lang- wierig, aber es hat sich gelohnt. Nun ist Mädchenarbeit auch auf auch dem flachen Land eine Selbstverständlichkeit – und so soll es auch bleiben. Das Land, aber auch Kreise und Gemeinden müssen in noch stärkerem Maß darauf antworten, dass Jugendliche sich lieber in konkreten, zeitlich begrenzten Projekten engagieren, als langfristig in traditionel- len Vereinen und Verbänden Mitglied zu sein und deren Angebot zu konsumieren.

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