Volksabstimmungsgesetz: Das Unbehagen bleibt
Südschleswigscher Wählerverband Schleswig-Holsteinischer Landtag im Schleswig-Holsteinischen Landtag Düsternbrooker Weg 70 D - 24105 Kiel Tel. (0431) 988 13 80 Fax (0431) 988 13 82 SSW-Landtagsvertretung Norderstr. 74 D – 24939 FlensburgPRESSEINFORMATION Tel. (0461) 14 40 83 00 Fax (0461) 14 40 83 05 Kiel, den 9.10.2002 Silke Hinrichsen Es gilt das gesprochene Wort„Es ist nicht leicht zu vermitteln, dass die Vertreter des Volkes sich über eine Wil- lensbekundung des Volkes hinwegsetzen können. Das Unbehagen dabei bleibt.“TOP 7 Landesverfassung und Volksabstimmungsgesetz (Drs. 15/2154)Zu den weniger angenehmen Momenten in diesem Haus gehört der Ablauf in Verbindung mit derEinführung der neuen deutschen Rechtschreibung im September 1999. Damals entschied sich derLandtag für die Einführung der reformierten Schreibweise, obwohl die Bürgerinnen und Bürgersich in einem Volksentscheid dagegen ausgesprochen hatten.Die Entscheidung dürfte keinem der Abgeordneten leicht gefallen sein. Schließlich wurde nurwenige Jahre nach Einführung von Volksentscheiden in Schleswig-Holstein der Wille des Volkesvom Parlament willentlich beiseite gesetzt. Bei einer Abwägung zwischen Pest und Cholera ka-men die Kolleginnen und Kollegen aber zum Ergebnis, dass die Zukunftschancen der Schulkindernoch schwerer wiegen als die Achtung des Volksentscheids. Dass dieses viele zornig gemacht hat,dass sie sich veräppelt gefühlt haben, ist nur allzu nachvollziehbar. Ich kann aber auch verstehen,dass der Landtag nicht anders entscheiden konnte.Besonders kontrovers wurde diese Entscheidung dadurch, dass gesetzlich keine Regeln für einensolchen Fall vorgesehen waren. Auch der SSW hat damals gefordert, dass wir klare Regelungenbrauchen, wann der Landtag einen Volksentscheid ändern kann. Deshalb begrüßen wir diese Initi-ative. Allerdings ist auch diese Regelung nicht unproblematisch. Es bleibt nach wie vor so, dass Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de der Landtag durch eine 2/3 Mehrheit auch innerhalb von zwei Jahre nach einem Volksentscheiddie Entscheidung umwerfen kann. Es wird nicht leicht zu vermitteln sein, dass die Delegierten desVolkes sich in einer konkreten Frage über eine Willensbekundung des Volkes hinwegsetzen kön-nen. Ein namhafter Zeitungskommentator des Landes hat dieses damit verteidigt, dass es in derRegel um komplexe Zusammenhänge geht, in denen nur die Abgeordneten genug Einsicht undExpertenwissen für eine fundierte Entscheidung haben. Das mag eine zutreffende Begründungsein, aber das Unbehagen dabei bleibt. Letztlich befinden wir uns in einem Dilemma, dass sichnicht zufriedenstellend auflösen lässt.Der Gesetzentwurf enthält aber auch noch weitere Änderungen, die weniger problembehaftet sind.Uneingeschränkt positiv ist, dass die Initiatoren von Volksinitiativen, ein Recht auf Beratungdurch das Innenministerium bekommen. Erfreulich ist auch der Anspruch auf eine öffentlich-keitswirksame Darstellung der Argumente. Zu einer direkten Demokratie gehört selbst-verständlich, dass die Bürgerinnen und Bürger eine aufgeklärte Entscheidung treffen und nichtnur aus dem Bauch heraus entscheiden. Deshalb müssen sie auch umfassend über das Für undWider ihrer Wahl informiert werden.Auch die übrigen Änderungsvorschläge des vorliegenden Gesetzentwurfs können wir unterstüt-zen. Im Ausschuss werden wir zudem die Gelegenheit haben, über weitere Verbesserungen nach-zudenken. Zum Beispiel haben wir in Verbindung mit der Gemeindeordnung eine interessanteKlausel eingeführt: Während eines laufenden Bürgerentscheids dürfen keine Entscheidungen ge-fällt werden, die dem Ziel der Bürgerinitiative widersprechen – mit Ausnahme von gesetzlich vor-geschriebenen Handlungen. Wir sollten darüber beraten, welche Vor- und Nachteile eine solcheRegelung für die Landesebene hätte.Insgesamt lässt sich aber jetzt schon urteilen: Der vorliegende Gesetzentwurf kann einige derschlimmsten Mängel beseitigen, die sich seit Einführung von Volksinitiativen, Volksbegehrenund Volksentscheiden offenbart haben. Die größten Probleme lassen sich aber nicht lösen. Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de