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09.10.02
11:48 Uhr
FDP

Christel Happach-Kasan: "Zwischenbericht der Landesregierung ist ein großes Ablenkungsmanöver von den wirklichen Problemen"

FDP Landtagsfraktion Schleswig-Holstein 1



Presseinformation Wolfgang Kubicki, MdL Vorsitzender Dr. Christel Happach-Kasan, MdL Nr. 283/2002 Stellvertretende Vorsitzende Dr. Ekkehard Klug, MdL Parlamentarischer Geschäftsführer Kiel, den 09. Oktober 2002 Christel Aschmoneit-Lücke, MdL Sperrfrist: Redebeginn Joachim Behm , MdL Dr. Heiner Garg, MdL Es gilt das gesprochene Wort! Günther Hildebrand, MdL

Umweltpolitik Nachhaltigkeitsstrategie



www.fdp-sh.de Christel Happach-Kasan: „Zwischenbericht der Landesregierung ist ein großes Ablenkungsmanöver von den wirklichen Problemen“ In Ihrem Redebeitrag zu den TOP’s 12 und 16 (Landesnachhaltig- keitsstrategie) erklärte die stellvertretende Vorsitzende der FDP- Landtagsfraktion, Dr. Christel Happach-Kasan:
„Auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung in Rio im Jahr 1992 hat sich die internationale Staatengemeinschaft auf die Grundpfeiler einer weltweiten nachhaltigen Entwicklung verständigt.
Nachhaltigkeit heißt, dass wir die Ressourcen der künftigen Generationen nicht heute verbrauchen dürfen. Unsere Kinder sollen weder schlechtere Umweltbedingungen, noch schlechtere Berufschancen oder ein schlechteres Lebensumfeld vorfinden, als wir es heute haben. Im Gegenteil. Unsere Aufgabe ist es, unsere Kinder möglichst besser zu stellen.
Der Zwischenbericht der Landesregierung zur Erarbeitung einer Nachhaltigkeitsstrategie führt insofern auch richtig aus, dass der Leitgedanke einer nachhaltigen Entwicklung sich nicht ausschließlich an die Umweltpolitik richtet, sondern
- wirtschaftlichen Wohlstand, - soziale Sicherheit und - die Stabilisierung der ökologischen Systeme
als drei unverzichtbare Dimensionen und Ziele gesellschaftlicher Entwicklung ansieht, die gleichberechtigt und wechselseitig voneinander abhängig sind.
Das Ziel: „Zukunftsfähiges Schleswig-Holstein“ ist ehrgeizig, der Weg ist weit, eine ehrliche Analyse würde zeigen, dass wir kaum die Startlöcher gefunden haben.

Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 2
Zu Recht weist der Bericht auf die besonderen Schwierigkeiten hin, die der von der Brundtland-Kommission 1987 geprägte Begriff der „nachhaltigen Entwicklung“ verursacht. Das Leitbild ist abstrakt, die Diskussion darüber entfaltet keinerlei Breitenwirkung, daher ist es sehr schwer, Menschen zu motivieren, sich an der Diskussion zu beteiligen, es breitet sich Resignation aus.
Und es ist so, beim Lesen des Zwischenberichts breitet sich genau diese richtig beschriebene Resignation aus.
Die ersten dreißig Seiten Polit-Lyrik sind für alles und nichts zu gebrauchen. Die drei von der Landesregierung formulierten Leitbilder sind politisch korrekt gestaltet und von daher nicht zu beanstanden. Allerdings lassen sie viele Wünsche offen. Der an anderer Stelle beiläufig erwähnte Bildungsaspekt kommt eindeutig zu kurz.
Nachhaltige Entwicklung wird mit den drei Stichworten gekennzeichnet: Wirtschaftlicher Wohlstand, soziale Sicherheit, Stabilität der ökologischen Systeme. Ohne eine gute Bildung für unsere Kinder, eine fortwährende Weiterbildung lässt sich dieser komplexe Dreiklang nicht verwirklichen. Offensichtlich hat die Landesregierung die Ergebnisse von PISA schon jetzt vergessen. Ein Armutszeugnis.
Aber noch ein Manko haben die Leitbilder, es sind Standard-Leitbilder, die sehr wohl auch ohne die Ergebnisse der Brundtland-Kommission hätten formuliert werden können und auch formuliert worden wären.
Dasselbe gilt für die abgeleiteten Ziele: z. B. Ressourceneffizienz steigern - eine seit der Ölkrise in den Betrieben konsequent verfolgte Strategie, z. B. Gesunde Lebensbedingungen verbessern - seit 30 Jahren Motiv für den technischen Umweltschutz, z. B. Umweltverträgliche Mobilität fördern - Forschungsprogramm der Bundesregierung etwa seit 1970, mit dessen Fördermitteln der Transrapid entwickelt wurde.
Es sind somit sehr viele als wichtig erkannte Ziele aufgelistet, ob sie etwas mit nachhaltiger Entwicklung zu tun haben oder nicht.
Um es positiv auszudrücken: Die Landesregierung beweist einen sehr pragmatischen Umgang mit dem Ziel der „nachhaltigen Entwicklung“: Politische Ziele, die ihr in den Kram passen, sind Ziele der nachhaltigen Entwicklung, politische Ziele, die ihr nicht in den Kram passen, eben nicht.
Der von der Landesregierung vorgelegte Zwischenbericht ist somit ein grandioses Ablenkungsmanöver. Die in der Debatte über den Landeshaushalt von der Opposition aufgezeigten Probleme unseres Landes finden im Bericht keinerlei Widerhall, Lösungsansätze sind nicht in Sicht.
Der spezifische Ansatz des von der Brundtland-Kommission 1987 entwickelten Nachhaltigkeitsbegriffs findet kaum Berücksichtigung.
Was heißt eigentlich konkret „Der Ansatz des Gender Mainstreaming wird als Strategie-, Steuerungs- und Controllinginstrument innerhalb der Nachhaltigkeitsstrategie verankert“ ?


Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 3 Oder bei der Aufstellung der Kriterien für die Zukunftsfelder: „Dieses Vorgehen sucht nach dem Besonderen, dem Konkreten als Beispiel für das Allgemeine und das Abstrakte. Es zielt somit nicht auf Vollständigkeit, ist aber auch nicht beliebig.“
Loriot hätte es nicht besser sagen können. Die intellektuelle Dürftigkeit des Berichts ist peinlich.
Die eierlegende Wollmilchsau steht in der Landwirtschaft für ein Tier, das allen Zielen der landwirtschaftlichen Produktion genügt. Überflüssig zu sagen, dass es das nicht gibt. Und genau so verwendet die Landesregierung den Begriff der Nachhaltigkeit: Sie soll für alles gut sein.
Im Bericht setzt die Landesregierung drei Schwerpunkte:
- „Arbeiten und Produzieren“, - „Zusammen Leben“ - „Das Land nutzen“. Im Anschluss an die Benennung der Zukunftsfelder wird eine umfangreiche Bestandsaufnahme vorgenommen.
Schon die Reihenfolge zeigt die methodische Verwirrung der Landesregierung.
Aber fangen wir mit dem Erfreulichen an:
Es ist erfreulich, dass im Bereich Arbeiten und Produzieren auch die Biotechnologie und damit die Gentechnik aufgeführt wird, sogar die Pflanzenzucht ist erwähnt. Dennoch schmoren immer noch die Anträge der FDP-Fraktion zur Gentechnik, weil die Koalitionsfraktionen sich nicht einigen können. Nehmen Sie doch mal zur Kenntnis, dass Ihre Regierung deutlich weiter ist als Sie.
Und wenn Sie denn endlich Vernunft annehmen würden, nähmen Sie keinen Schaden. Eine von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Studie belegt, dass die Akzeptanz der Grünen Gentechnik inzwischen deutlich gestiegen ist. Allerdings entsprechen diese Ergebnisse nicht den Wünschen des Auftraggebers und sie werden daher verschwiegen.
Unter den Schwerpunkt „Zusammen Leben“ fällt unter anderem der Bereich „Bildung“ und „Gewaltprävention“.
Die Landesregierung spricht dennoch mit keinem Wort die personelle und sächliche Ausstattung der Schulen an. Wie sollen denn all die guten Werte vermittelt werden, wenn wie in den Realschulen 10 % des Unterrichts ausfällt.
Dagegen wird die Informationsstelle zu den Gefahren der Atomenergie genannt. Leider wird mit keinem Wort erwähnt, dass der Energiestaatssekretär in den letzten zwei Jahren insbesondere damit zu tun hatte, die Bevölkerung zu beruhigen. Die verschiedensten von Kernenergiegegnern in Auftrag gegebenen Gutachten erwiesen sich als Falschmeldungen. Die sogenannten „Heißen Teilchen“ waren Hirngespinste. Das war für das Land ein teures Vergnügen, das etwa 100 000 Euro gekostet hat. Das Ganze erinnert an den Zauberlehrling: „Die ich rief die Geister, werd´ich nun nicht los.“
Im Schwerpunkt Das Land nutzen werden an prominenter Stelle der Bau der Ostseeautobahn A 20 wie auch der Ausbau der B 404 zur A 21 aufgeführt. Diese Bestandsaufnahme ist richtig, aber auch bemerkenswert, denn die Grünen spielen
Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 4 gerne Opposition von den Regierungsbänken aus. Im Koalitionsvertrag werden die Projekte festgeschrieben, gegen die dann Mitglieder der Landtagsfraktion vor Ort Sturm laufen.
Die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie hat den Landtag mehrfach beschäftigt. Die Landesregierung hat es bei der Umsetzung der Richtlinie versäumt, durch die Kommunalisierung der Aufgaben dem Land Kosten zu sparen. Das hat auch etwas mit finanzieller Nachhaltigkeit zu tun. Der SPD-Kreisverband Schleswig- Flensburg hat erst im Juli seine Kritik an dieser Vorgehensweise öffentlich kund getan. Wir stimmen dieser Kritik zu.
Es ist überhaupt nicht nachzuvollziehen, dass die noch nicht etablierten Qualitätstore der Landesregierung Erwähnung finden, während das eingeführte, bundesweit anerkannte Gütezeichen der Landwirtschaftskammer keine Erwähnung findet. Sie sollten den Mut haben, Leistungen anderer anzuerkennen.
Der Begriff der Nachhaltigkeit wurde von preußischen Forstleuten in Brandenburg geprägt. Dennoch wird das mehrfach vom Landtag wie auch von der Landesregierung erwähnte Ziel, den Waldanteil in Schleswig-Holstein auf 12% der Landesfläche zu erhöhen, nicht genannt. Angesichts der eindeutigen Beschlusslage des Landtages ist dies ungewöhnlich. Offensichtlich ist die Landesregierung seit langem fest entschlossen, den Zuschuss für die Neuwaldbildung bei Privatwaldbesitzern um 1,5 Millionen Euro zu kürzen. Der Wald hat bei dieser Landesregierung keine Lobby.
Außerordentlich gefreut hat mich allerdings die Äußerung des Umweltministers, noch 2003 den Nationalpark Wattenmeer als Weltkulturerbe anzumelden. Das ist eine alte FDP-Forderung. Das sollten wir auch in die Nachhaltigkeitsstrategie mit aufnehmen.

Die Bestandsaufnahme der Landesregierung ist umfangreich, ideologisch gefärbt und somit keine ehrliche Analyse.
Von den 196 Seiten des Zwischenberichts der Landesregierung bestehen allein 76 Seiten aus beantworteten Fragebögen. 256 Fragebögen wurden verschickt, 51 Antworten sind eingegangen. Allerdings sind die Antworten in 90 % der Fälle genauso dürftig, wie die „vier“ gestellten Fragen. Sie stellen klar, dass viele Gefragte
1. nicht wussten, welches Ziel die Landesregierung mit der Nachhaltigkeitsstrategie überhaupt verfolgt und
2. auch keine Ahnung hatten, welchen Beitrag sie konkret zur Verfolgung dieses unbekannten Zieles leisten konnten.
Insgesamt bietet der Bericht mehr Masse als Klasse. Er ist nicht geeignet, einer nachhaltigen Entwicklung Impulse zu geben.
Vor diesem Hintergrund werden wir einer Fortführung dieses Berichts nicht zustimmen.“



Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/