Martin Kayenburg: Die Bürger stehen in der Not zusammen
LANDTAGSFRAKTION S C H L E S WI G - H O L S T E I N Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.cdu.ltsh.de e-mail:info@cdu.ltsh.dePRESSEMITTEILUNG Nr. 372/02 vom 12. September 2002 Innenpolitik TOP 2 Martin Kayenburg: Die Bürger stehen in der Not zusammen Frau Ministerpräsidentin, Sie haben Recht. Wir sind noch einmal davon gekommen. Das verdanken wir allerdings nicht etwa der vorsorgenden Politik der Landesregierung, die sich intensiv um Hochwasserschutz und Binnendeiche gekümmert hätte. Das verdanken wir, insbesondere im Kreis Herzogtum Lauenburg, ausschließlich den zahlreichen Helfern von Bundeswehr, Freiwilligen Feuerwehren, dem Technischen Hilfswerk und den anderen Katastrophenschutzorganisationen, und vor allem den örtlichen Krisenstäben - an der Spitze den Landräten und Bürgermeistern -, die eine wirklich hochprofessionelle Arbeit geleistet haben.Die Elbeflut, die insbesondere in Sachsen, Sachsen-Anhalt, und in der Tschechei so verheerende Schäden anrichtete, hat unser Land weitgehend verschont. Und dennoch ist es richtig, dass wir uns heute auch als Schleswig-Holsteinischer Landtag mit dem Thema befassen.Einmal, weil wir in selbstverständlicher Solidarität zu den Opfern dieser Katastrophe stehen, und zum anderen, weil wir den zahlreichen Helfern danken wollen, die auch aus unserem Land in die neuen Bundesländer gefahren sind, um tatkräftig mit anzupacken. Das war – wie schon bei der Oderflut – ein ganz wichtiger Beitrag für das Zusammenwachsen von West und Ost.Der Ruf aus den Jahren 1989 und 1990 „Wir sind ein Volk“ hat in der Katastrophe seine Bestätigung gefunden. Die Deutschen stehen in der Not zusammen. Das ist bei allen immer wieder konstruierten Gegensätzen zwischen den alten und den neuen Bundesländern die wichtigste Botschaft für die Zukunft.Es kann auch gar keinen Zweifel daran geben, dass schnelle und verlässliche Hilfe jetzt das Wichtigste ist, um die Schäden zu mildern.In dem Zusammenhang finde ich es allerdings schäbig, wenn die Landesregierung behauptet, von dem Finanzierungsanteil der Länder und Kommunen entfielen 116 Millionen Euro auf Schleswig-Holstein. Der Finanzierungsanteil ist Null, denn, wenn der Kanzler sein Steuerreformversprechen nicht gebrochen hätte, wären diese 116 Millionen Euro den Bürgern unseres Landes direkt zugeflossen und nicht der Landesregierung. Deswegen finde ich es auch unehrlich, wenn Sie damit die Haushaltsmisere zumindest teilweise begründen wollen.Im übrigen nenne ich das Versprechen des Bundeskanzlers leichtfertig und populistisch, wonach es niemanden nach der Flut schlechter gehen solle, als vor der Flut.Obwohl der Generalsekretär der SPD Müntefering den Kanzler sogleich korrigierte, weil er einen neuen Wortbruch kommen sah, erneuerte Gerhard Schröder sein Versprechen, von dem niemand ernsthaft glauben kann, dass er es wird halten können. Dazu sind die materiellen Schäden, deren Ausmaß noch gar nicht in voller Höhe absehbar ist, viel zu hoch.An gebrochene Versprechen des Kanzlers hat sich Deutschland ja inzwischen leider gewöhnen müssen.Ich halte die Verschiebung der Steuerreform zumindest für problematisch und kann angesichts der allgemeinen finanziellen Situation, über die wir am Mittwoch diskutiert haben, nicht verstehen, dass diese Art der Finanzierung auch hier im Lande von den Koalitionsfraktionen bevorzugt wird. Ich halte die Maßnahme sogar für grob fahrlässig.Erstens weiß angesichts der unsicheren wirtschaftlichen Entwicklung heute niemand, über welche zusätzliche Steuereinnahmen wir überhaupt reden.Zweitens ist die Verschiebung der sogenannten Steuerreform, die einer Steuererhöhung gleichkommt, Gift für die Konjunktur und damit Gift für die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land.Drittens wird insbesondere den kleinen Leuten Mehreinkommen vorenthalten, mit dem sie fest gerechnet hatten. Das bedeutet Konsumverzicht und Nachteile für den Handel.Schließlich führt die von SPD und Grünen gewollte und zunächst auch durchgesetzte Steuererhöhung jetzt zu einer fortdauernden Belastung des Mittelstandes und verhindert damit neue Arbeitsplätze.Da die Steuereinnahmen spätestens mit der November-Steuerschätzung nach unten korrigiert werden müssen, wird auch das für die Flutgeschädigten zur Verfügung stehende Finanzvolumen aus dieser zweifelhaften Maßnahme bei weitem nicht jene Größenordnung erreichen, von der Schröder und Rot-Grün offenbar ausgehen. Eine konkrete, greifbare Summe ist jedenfalls nicht zu ermitteln. Außerdem steht dieses Geld erst im Frühjahr nächsten Jahres zur Verfügung - also viel zu spät, um die akute Notlage zu mildern.Viel konkreter, weil heute schon exakt bezifferbar und heute schon im Bundeshaushalt verfügbar, ist der Weg der Unionsfraktionen, der nach dem 22. September ja auch gegangen werden wird. Die Verwendung des Bundesbankgewinns gepaart mit Umschichtungen im Haushalt ist konkret, nachvollziehbar und realistisch. Stattdessen flüchtet sich Rot-Grün ins Wolkenkuckucksheim unsicherer Finanzerwartungen. So wird bei den Menschen vor dem Wahltag eine Hoffnung geweckt, die sich danach als Irrlicht erweisen wird.Das Hochwasser der Elbe einerseits und die extrem starken Regenfälle in Teilen unseres Landes im Juli andererseits stellen auch unser Land vor neue Herausforderungen. Vor allem muss den Unternehmen schnell und unbürokratisch geholfen werden, die durch die Naturereignisse in eine nachgewiesenermaßen ihre Existenz bedrohende Krise gestürzt wurden. Das kann doch gar keine Frage sein. In Einzelfällen auf den Verfügungsfonds der Ministerpräsidentin zurückzugreifen ist zwar gut gemeint, aber sicher übereilt. Wir brauchen, wenn es gerecht zu gehen soll, Regeln, die für alle gelten und nicht nur für einige Betroffene wie zum Beispiel in Ahrensbök, so groß die Notlage im Einzelnen auch war.Peinlich wird die ganze Angelegenheit aber, wenn die Regierung 340 000 Euro für die betroffenen Familien bereitstellt und Frau Simonis erklärt, sie wisse, dass dies oft nur ein Tropfen auf den heißen Stein sei, und andererseits der Innenminister öffentlichkeitswirksam den Städten Lauenburg und Geesthacht jeweils 500 000 Euro schenkt, ohne dass diese einen Schaden nachgewiesen oder einen entsprechenden Antrag gestellt hätten. Dieses Geld hätte die Regierung besser in Deicherhöhungen und andere Schutzmaßnahmen stecken sollen.Und als nicht weniger peinlich empfinde ich es, wenn Frau Franzen an Frau Künast schreibt, deren Haus solle die „Kofinanzierung durch Landesbeteiligung“ für die Rettung existenzgefährdeter Betriebe in Schleswig-Holstein übernehmen, weil das Land offenbar pleite ist, oder die Regierung mitteilt, sie würde bei nicht versicherten Verlusten einen Zuschuss in Höhe von 50 % des eingetretenen Schadens, höchstens jedoch 15 000 Euro übernehmen. - Was ist da eigentlich das Versprechen eines Bundeskanzlers noch wert? Wo bleiben da Gleichbehandlung und Gerechtigkeit?Ich warne allerdings davor, in der jetzt notwenigen Diskussion um vorbeugenden Hochwasserschutz Dinge miteinander zu vermengen, die nichts miteinander zu tun haben. Es ist sicherlich richtig, dass wir über neue Überflutungsflächen beraten, deren Bereithaltung mit den jeweiligen Grundeigentümern vertraglich geregelt werden muss. Aber es ist genau so falsch, zum Beispiel die Vertiefung der Unterelbe ab Hamburg - die die Ministerpräsidentin im Prinzip schon zugestimmt hatte - wegen des Elbhochwassers in Frage zu stellen.Hier soll doch nur eine erneute Diskussion über die vermeintlichen Gegensätze zwischen Ökologie und Ökonomie losgetreten werden. Die Vertiefung der Unterelbe darf im Interesse des Hamburger Hafens, der auch unser Hafen ist, nicht zur Disposition stehen.Wer die Vertiefung des Fahrwasser mit der Hochwasserkatastrophe in Zusammenhang bringt, täuscht die Menschen und will sein ökologisches Süppchen auf einem ernsthaften Thema kochen.Ich halte es allerdings für notwendig, dass wir in unserem Land eine Diskussion darüber führen, ob und in wie weit die Wasser- und Bodenverbände durch eigenwillige, bürokratische Regelungen bei der Bekämpfung des Hochwassers gehindert wurden. Mich würde interessieren, warum die Verbände zum Beispiel zu neuen Formen der Abwassergrabenpflege genötigt - oder durch entsprechende Vergütung verführt wurden -, die nicht den jahrelangen Erfahrungen entsprechen. Und ich halte es auch für notwendig zu untersuchen, wie stark die öffentlichen Fördermittel für diese Verbände zu Gunsten einer grünen Klientel zurückgefahren wurden. Und ich will wissen, warum die Landesregierung nicht eingeschritten ist, als offensichtlich wurde, dass die Verbände erforderliche Deicherhöhungen nicht würden finanzieren können. Eine frühe Kostenübernahme wäre allemal billiger gewesen als der Schaden, der jetzt entstanden ist. Dabei will ich die vermeidbaren Sorgen, Ängste und Belastungen der Menschen gar nicht erst in Betracht ziehen.Der heute eingebrachte Antrag der CDU-Fraktion, zu dem mein Kollege Klaus Schlie und meine Kollegin Herlich Marie Todsen-Reese noch sprechen werden, zeigt Wege auf, wie Schleswig-Holstein in der Zukunft den Risiken besser vorbeugen und auf die Folgen starker Regenfälle besser vorbereitet werden kann. Wir zeigen auch Wege auf, wie den Opfern von solchen Überschwemmungen wirksam und gerecht geholfen werden kann. Insofern geht unser Antrag viel weiter, als die allgemeinen Appelle und Resolutionen der anderen Fraktionen. Ich bin überzeugt, mit dem CDU-Antrag wären wir auf einem guten Weg.