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01.08.02
13:03 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel zu den Ergebnissen des Markterkundungsverfahrens für eine feste Querung des Fehmarn-Belt

Fraktion im Landtag PRESSEDIENST Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Telefax: 0431/988-1501 Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.gruene-landtag-sh.de Der Privatwirtschaft ist das Risi- ko zu hoch! Nr. 184.02 / 01.08.2002
Zu den Ergebnissen des Markterkundungsverfahrens für eine feste Querung des Feh- marn-Belt sagt der Vorsitzende der Landtagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, Karl- Martin Hentschel:
Das Markterkundungsverfahren wurde im Dezember 2000 von den Verkehrsministerien aus Dänemark und Deutschland in Auftrag gegeben, um die Wirtschaftlichkeit einer festen Querung für den privaten Sek- tor zu untersuchen. Voraussetzung von deutscher Seite war ein Beschluss der Bundesregierung und der Regierung Schles- wig-Holsteins zur Optimierung der Verkehrsverbindungen auf der Vogelfluglinie. In diesem Beschluss heißt es, dass eine feste Querung zu einer Optimierung beitragen kann. Für den Fall, dass die feste Que- rung gebaut wird, soll sie nur mit privatem Kapital erfolgen, private Investoren sollen angemessen am Ri- siko beteiligt sein. Aus ökologischen Gründen wird die Tunnellösung Priorität haben. Als Vergleichsbasis soll ein optimiertes Fährschiffkonzept erstellt werden. Die Annahmen Der Bericht des Markterkundungsverfahrens liegt nun vor. Er geht von folgenden Annahmen aus:
• Die Straßen- und Schienenanschlüsse werden vollständig staatlich finanziert (in Deutschland der Aus- bau Lübeck – Puttgarden). Das bedeutet auf deutscher Seite allein für die Bahn je nach Ausbau 407 bis 920 Mio. € und für die BAB 1 einschließlich Fehmarnsundbrücke noch mal ca. 250 Mio €. D. h. dass die deutsche und dänische Seite für die Anschlüsse je ca. 1 Mrd. € ansetzen müssen.
• Der Verkehr über den Fehmarn-Belt wird sich von 2001 bis 2010 verdoppeln. Allein der Personenver- kehr soll von 3700 PKW am Tag auf 7700 PKW am Tag zunehmen. Diese Zahlen aus der Machbar- keitsstudie wurden schon früher heftig kritisiert (siehe dazu das Gegengutachten der maritimen Wirt- schaft), da 2/3 des Verkehrs vom Tourismus herrühren sollen. Ein derartiger Anstieg des Tourismus in den nächsten 10 Jahren ist aber sehr unrealistisch.
• Es wird bei den Berechnungen von einer Brückenvariante mit 4 Straßenspuren und 2 Bahngleisen aus- gegangen und nicht von einer Tunnelvariante, die deutliche ökologische Vorteile aufweist. Nach heuti- gem Stand ist eine Brückenvariante höchst unwahrscheinlich und dürfte auf EU-rechtliche Probleme stoßen. Die Vogelfluglinie ist der meistbevölkertste Vogelflugkorridor Europas - sowohl längs (Landvö- gel) als auch quer (Wasservögel). Aus ökologischen Gesichtspunkten kommt daher nur ein Tunnel in Frage, der höhere Kosten verursacht und aus wirtschaftlichen Gründen nur 2 Straßenspuren und 1 Bahngleis umfasst.
• Die Baukosten der Brücke werden mit 4,3 Mrd. € angegeben (2004 – 2011). Das sind rückwärts ge- rechnet auf heute Barkosten von 2,8 Mrd. €. • Der Zinssatz für die Finanzierung der staatlichen Kredite wird mit 4% sehr optimistisch niedrig ange- nommen.

Die Ergebnisse Basierend auf diesen Annahmen kommt der Bericht zu folgenden Ergebnissen: Für eine „rein“ private Finanzierung des Brückenbaus sind 1,7 Mrd. € Subventionen erforderlich, d. h. die Subventionen machen 2/3 der Baukosten aus. Hinzu kommen 2 Mrd. € für die Anschlüsse für Straßen und Schienen. Würde die Brücke von einer staatlichen Gesellschaft im Besitz von Dänemark und Deutschland gebaut, wäre die Fehmarn-Belt-Querung ca. 1 Mrd. € günstiger, da die Kredite billiger sind und keine Gewinne an- fallen. Allerdings verlagert sich dann das gesamte Risiko auf den Steuerzahler. Das Verfahren stellt fest, dass Bau und Betrieb einer festen Querung für den privaten Sektor nur dann in- teressant sind, wenn die Regierungen das Projekt finanziell unterstützen und somit das gesamte Risiko übernehmen. „Das größte finanzielle Risiko stellen die Einnahmen aus dem Verkehr dar. Die Teilnehmer sehen keine Möglichkeit, dieses Risiko ohne Beteiligung des öffentlichen Sektors zu beseitigen.“ „Die prognostizierten Einnahmen aus dem Verkehr werden als zu gering erachtet, um die notwendi- gen finanziellen Kennzahlen zu erreichen und unterliegen dazu noch dem Wettbewerb (Fährbetrieb, Mautgebührenhöhe am Großen Belt und Öresund), auf die der private Sektor keinen Einfluss hat.“ „Weiterhin werden die ... potentiellen Einnahmen aus dem Eisenbahnbetrieb ... als nicht ausreichend angesehen.“ „Zusammenfassend betrachtet der private Sektor das Projekt als nicht finanzierbar ohne erhebliche Subventionen/Garantien.“ Die Gründe, warum der private Sektor das Projekt nicht für finanzierbar hält, werden in einer Sensitivitäts- analyse deutlich. Diese Analyse geht von einem „Worst-Case-Szenario“ aus, bei dem die Mautgebühren gleich bleiben, der Zinssatz um 1% höher liegt als in der Prognose und das Verkehrswachstum nur um 25% steigt. Bei diesem Szenario kommt es zu einem Rückgang der Mauteinnahmen um 40% und insge- samt zu einer Verschlechterung des Ergebnisses bei privater Finanzierung von 1,055 Mrd. €. Allerdings ist dieses Szenario mitnichten der „Worst Case“, da sowohl höhere Zinssätze als auch ein ge- ringeres Verkehrswachstum denkbar sind und mit hoher Wahrscheinlichkeit - wie beim Öresund - hohe Mautgebühren nicht gehalten werden können. An dieser Stelle enthält der Bericht folgenden interessanten Satz, der nicht näher erläutert wird: „Falls ein Konzessionär mit erheblich geringeren Straßeneinnahmen rechnet (-40%) und von einer unveränderten internen Verzinsung von 17% ausgeht, wird er nach den Sensitivitätskalkulationen eine staatliche Unterstützung verlangen, die beachtlich über den Basisfällen der Modelle A und B liegt.“ (Anmerkung: In diesen beiden Fällen des Berichts beträgt die gesamte staatliche Unterstützung 1,7 Mrd. €). Was wollen die Autoren uns damit sagen? Offensichtlich hält die private Wirtschaft die Annahmen über die Mauteinnahmen für unrealistisch. Es ist deshalb logisch, dass sie eine zusätzliche Risikoabsicherung ver- langt.

Verblüffende Kalkulation für eine staatliche Finanzierung Zusätzlich zu den Berechnungen für eine private Finanzierung stellt der Bericht eine Alternativ-Kalkulation für eine staatliche Finanzierung auf. Das verblüffende Ergebnis ist ein Gewinn für den Staat bei einer staatlichen Finanzierung von über 848 Mio € innerhalb von 30 Jahren (ab 2004). Es fragt sich natürlich, wie dieser Gewinn angesichts der genannten Zahlen zustande kommt...

Nun, alle Risiken, die die Privatwirtschaft bewertet und zum Ausstieg veranlasst, werden einfach konse- quent nicht angesetzt (Zinsrisiko, Mauteinnahmenrisiko – zusammen ca. 1 Mrd. €). Dazu kommen die Steuereinnahmen von 500 Mio. €, die Subventionen der EU von 248 Mio. € und fiktive Eisenbahnzahlun- gen von 592 Mio. €. Das Ansetzen von Steuereinnahmen ist unseriös, weil die ausfallenden Steuerzahlungen der Fährunter- nehmen und die ausfallenden Lohnsteuern der Beschäftigten gegengerechnet werden müssten. Desglei- chen sind die angesetzten Eisenbahnzahlungen unrealistisch. Denn angesichts der Defizitträchtigkeit des heutigen EC-Verkehrs HH-Kopenhagen können nicht mehr als die sowieso schon zu hohen Trassenge- bühren der DB-AG angesetzt werden. Für die Belt-Querung von 20 km wären das für 5 Züge (heutiger Verkehr) ca. 5 Mio. € über 30 Jahre (Trassengebühr von 5 € / km). Selbst eine Verzehnfachung des Ver- kehrs würde nur ein Zwölftel des genannten Kostendeckungsbeitrages erbringen. Zusammengerechnet ist also die Wirtschaftlichkeitsberechnung für die staatliche Finanzierung (Modell D) um ca. 2 Mrd. € geschönt.

Zusätzliche Risiken einer privaten Finanzierung Darüber hinaus warnt der Bericht vor zusätzlichen Risiken durch eine private Finanzierung: „Die Regierungen verlieren einen Teil der Kontrolle über das Projekt. ... Änderungen dieser Details (Umwelt- und Sicherheitsfragen und die Grundsätze der Mautgebührenerhebung) zu einem späteren Zeitpunkt (nach Unterzeichnung des Konzessionsvertrages) würden eine entsprechende finanzielle Entschädigung des Konzessionärs nach sich ziehen.“ „Es ist fraglich, wie effizient die Risikoübertragung auf den privaten Sektor wirklich ist. ...Eine Anzahl in- ternationaler Beispiele, z. B. Railtrack in Großbritannien, zeigt, dass die Regierungen in solchen Fällen (Konkurs) die privaten Investoren/Kreditgeber mit unangemessen hohen Kosten schützen müssen.“ Fazit Der Bericht gibt eine Reihe von impliziten Empfehlungen, die die politische Beschlusslage auf den Kopf stellen: So empfiehlt der Bericht indirekt den Bau der festen Querung durch eine rein staatliche Gesellschaft im Besitz von Dänemark und Deutschland, d. h. staatliche Finanzierung und staatliches Risiko. Der gesamte Eisenbahnbetrieb soll abgetrennt und staatlich organisiert werden. Dies ist möglicherweise als Ausstieg aus der Schienenquerung zu verstehen.

Ich ziehe daraus folgende Schlüsse: Natürlich ist die Privatwirtschaft grundsätzlich am Bau einer festen Querung interessiert: Die Banken wol- len Kredite geben, die Baukonzerne wollen Bauen, die Planungs- und Finanzierungsgesellschaften wollen planen und finanzieren. Aber alle schätzen das Projekt als so unwirtschaftlich ein, dass sie nicht bereit sind, eigenes Geld zu ris- kieren. Nur wenn der Staat Garantien für die Planungsverfahren übernimmt, das Risiko der Mauteinnah- men absichert, den Bahnbetrieb in eigene Regie nimmt, eine Dividende von 17% garantiert und noch er- hebliche Subventionen zahlt, sind sie zur Investition bereit. Oder anders ausgedrückt: Die private Wirtschaft ist nicht bereit, eine feste Fehmarn-Belt-Querung ei- genständig zu bauen, sie ist nur bereit, sich vom Staat eine Lizenz zum Gelddrucken schenken zu lassen.
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