Thomas Rother zu TOP 37: Kein Grund für Entwarnung
Sozialdemokratischer Informationsbrief Kiel, 16.05.2002 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell TOP 37 – Bericht über die Aktivitäten zur Bekämpfung der Fremdenfeindlichkeit und des Rechtsextre- mismusThomas Rother:Kein Grund für EntwarnungMit dem Bericht über die Aktivitäten zur Bekämpfung der Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus hat die Landesregierung eine Vorlage erarbeitet, die in hervorra- gender Weise wiedergibt, welche Maßnahmen eingeleitet wurden. Wir erhalten einen wirklich guten Überblick über Art, Ziel, Erfolg und Zukunft der Maßnahmen.Die Aufgabe ist richtigerweise als Querschnittsaufgabe bearbeitet worden. Es sind sechs von neun Ressorts mit dem Thema befasst. Der Maßnahmebogen reicht von In- formation, Beratung und Prävention, über konsequente Strafverfolgung bis hin zu Per- spektiven für Täter nach der Strafverbüßung.Es gibt kein Gewurschtle gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, son- dern eine ausgefeilte Strategie, die mit einzelnen Maßnahmen praktisch umgesetzt wird und die ihre Fortsetzung findet. Auch der ergänzende Charakter der einzelnen Maßnahmen wird deutlich. Projekte werden vergleichbar, vor allem auch mit denen anderer Bundesländer. Insofern ist dieser Bericht eine kluge Ergänzung zum Präventi- onsbericht, den wir vor ein paar Wochen schon beraten haben.Die im Bericht geschilderten Aktivitäten sind somit gleichzeitig Grundlage und Ergän- zung der Maßnahmen, die von Organisationen und Initiativen in großer Anzahl und Vielfalt im ganzen Land durchgeführt werden. Der Landesrat für Kriminalitätsverhütung Schleswig- HolsteinHerausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-beispielsweise hat einen hervorragenden „Leitfaden gegen Rechts“ herausgegeben, der kommunale Aktionen und Initiativen gegen Rechtsextremismus beschreibt.Auch wenn es um das Thema Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in den Medien ruhiger geworden ist und wir, um Herrn Kubicki zu zitieren „schon wieder“ dar- über reden, so besteht kein Grund für eine Entwarnung. Im Verfassungsschutzbericht ist angegeben, dass die Zahl der auffälligen Rechtsextremisten in Schleswig-Holstein mit 1.450 stabil bleibt – positiv ausgedrückt stagniert. Aber die Zahl der Gewaltbereiten ist in den letzten drei Jahren stetig gestiegen und liegt bei 470 Personen, 1999 waren es nur 300.Die Zahl der Gewalttaten selbst wird ja auf einer neuen statischen Grundlage ermittelt und ist damit nur bedingt aussagekräftig. Der Rückgang der Straftaten mit politischem Hintergrund bundesweit um rund ein Drittel vom Jahr 2000 auf 2001 weist jedoch auf einen positiven Trend hin, der sicher auch in den Maßnahmen aller Institutionen gegen extremistische Gewalt und Fremdenfeindlichkeit begründet ist. Es bleibt allerdings im- mer noch besorgniserregend, dass in den ersten drei Monaten dieses Jahres 127 Fälle antisemitischer Übergriffe und Hetze in Deutschland zu zählen waren, und das sind genau 127 zu viel.Es gibt also wenig Grund zur Gelassenheit, und nicht umsonst warnten Tony Blair und Gerhard Schröder in diesen Tagen vor einem Rechtsruck in Europa. Die beiden haben bei ihren Treffen sicher auch andere wichtige Fragen zu beraten und haben das The- ma ja nicht ohne Anlass gewählt, wenn man sich manche Wahlergebnisse in Europa anschaut. Und Gerhard Schröder hat ja gestern noch einmal nachgelegt. Allerdings sehe ich abweichend von Schröder nicht nur die Verantwortung der Liberalen und der Konservativen, sondern natürlich genauso die der Linken und der Grünen bei der Be- kämpfung des Rechtsextremismus. -3-Denn alle Parlamentarier stehen vor diesem Hintergrund in einer besonderen Verant- wortung, Themen wie Globalisierung, Zuwanderung, Europäische Integration oder Kriminalitätsbekämpfung nicht klein zu reden, sondern glaubhafte Politikkonzepte dazu vorzulegen und natürlich nicht bei „alter“ und „neuer“ Rechter – wie sie genannt wer- den – abzuschreiben. Ein Kokettieren mit solchen Positionen – und da hat Schröder recht – ist nicht hinzunehmen und wird von uns scharf kritisiert, genauso wie politische Substanzlosigkeit, die den Gag in den Vordergrund stellt und über mangelnde Inhalte hinwegtäuscht.Nach der Niederlage der Schillpartei in Sachsen-Anhalt sollten wir auch nicht zu sicher sein, dass der Rechtspopulismus in Deutschland schon wieder am Ende ist und das als Betriebsunfall abtun. Denn die Zahl von 10 bis 15 Prozent Menschen mit rechtsex- tremem Weltbild wird weiter in der Forschung genannt, und es käme einer Kapitulation der demokratischen, solidarischen und weltoffenen Gesellschaft gleich, sich mit dieser Situation abzufinden.Einen Beitrag dazu, wie etwas in den Köpfen der Menschen bewegt werden kann, leis- tet der vorliegende Bericht, der hoffentlich auch viele Leserinnen und Leser außerhalb des Parlaments findet. Er ist ein guter Ratgeber für alle, die auch handeln wollen und dabei nach Anregungen suchen. Allerdings erwarte ich auch von einer Opposition, die ja das Thema „Innere Sicherheit“ zu ihrem Schwerpunkt erklärt hat, konkrete Vor- schläge in diesem Themenfeld.Ich beantrage, den Bericht an die den berichtenden Ministern zugeordneten Aus- schüssen zur abschließenden Beratung zu überweisen. Das ist notwendig, um die E- valuation der einzelnen Maßnahmen zu betreiben. Denn es soll sicher gestellt sein, dass die vorhandenen Mittel auch wirksam eingesetzt werden.