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29.04.02
11:15 Uhr
SSW

2. Untersuchungsausschuss: Im Interesse der Bürgerinnen und Bürger des Landes gilt es, alle Vorwürfe vollständig und umfassend aufzuklären!

PRESSEINFORMATION
Kiel, den 29.4.2002

Es gilt das gesprochene Wort



TOP 1: Zweiter Parlamentarischer Untersuchungsausschuss (Drs. 15/1785)


Anke Spoorendonk: „Im Interesse der Bürgerinnen und Bürger des Landes gilt es, alle Vorwürfe vollständig und umfassend aufzuklären!“


Das Bild, das die Politik der deutschen Öffentlichkeit in den letzten Wochen und Monaten geboten hat, ist wahrlich nicht dazu angetan, das Vertrauen in unsere Demokratie zu stärken: Da prozessiert ein Bundeskanzler wegen der Echtheit seiner schwarzen Haaren und über ein so wichtiges Thema wie das Zuwanderungsgesetz wird im ehrwürdigen Bundesrat ein Oscarreifer Eklat mit schauspielerischen Höchstleistungen inszeniert. Solche Fälle kann man den Bürgerinnen und Bürgern kaum noch vermitteln – trotz der bevorstehenden Bundestagswahl.



Viel schlimmer für die Akzeptanz unserer Demokratie sind allerdings der Kölner Spendenskandal und die vermeintlich damit verbundene Korruption in vielen nordrhein- westfälischen Rathäusern – wobei die Parteifarbe der Regierenden keine Rolle zu spielen scheint.



Nichts ist gefährlicher für eine funktionierende Demokratie als Korruption und Bestechlichkeit – auch wenn die schwarzen Schafe unter den Politikerinnen und Politikern nur eine sehr geringer Anzahl ausmachen. Aber noch schlimmer wäre es, wenn diese Fälle nicht aufgeklärt und die Schuldigen nicht bestraft werden. Für das Rechtsempfinden unserer Bürgerinnen und Bürger müssen aus allen diesen Fällen sichtbare Konsequenzen gezogen werden.



Die Aufarbeitung des Spendenskandals der CDU hat viele Frustrationen hervorgerufen, weil die Verantwortlichen nach dem damaligen Parteiengesetz nicht richtig zur Rechenschaft gezogen werden konnten. Gerade daher ist es ja auch so wichtig, dass das Parteiengesetz dahingehend geändert wurde, dass gesetzliche Zuwiderhandlungen in Zukunft mit Gefängnis bestraft werden können. Man stelle sich nur vor, wie der Fall des Altbundeskanzlers Helmut Kohl unter den neuen gesetzlichen Bestimmungen gehandhabt worden wäre.



Leider geht es auch bei den schleswig-holsteinischen Affären - mit denen wir uns heute beschäftigen – um schwerwiegende Korruptionsvorwürfe. Ob man nun gleich – wie es mein verehrter Kollege Kubicki getan hat – vom Affärenland Schleswig-Holstein sprechen kann, sei dahingestellt. Aber es ist schon mehr als ein dunkler Fleck in der Geschichte des Landes, dass sich nach der „Barschel-Affäre“ und der „Schubladen-Affäre“ nun schon zum dritten Mal in 15 Jahren ein Ministerpräsident oder eine Ministerpräsidentin vor einem Untersuchungsausschuss verteidigen muss. - Wobei ich gleich unterstreichen möchte, dass jeder andere Vergleich mit den Geschehnissen aus den Jahren 1987/1988 und den späteren Folgen - einschließlich des Rücktritts von Björn Engholm – nicht hinnehmbar ist.



Was uns aber angesichts der Korruptionsvorwürfe gegen den EXPO-Beauftragten Pröhl und den ehemaligen Staatssekretär Dr. Lohmann - und der merkwürdigen Begleitumstände in der Staatskanzlei und dem Finanzministerium - auch beunruhigen sollte, ist die scheinbar zunehmende Verquickung von Politik und Wirtschaft sowie die damit verbundene Profitorientierung einiger weniger. Erst kürzlich hat der Generalsstaatsanwalt in seinem „Lagebericht Korruption 2001“ von einer Stabilisierung der Korruptionsverfahren in Schleswig-Holstein auf hohem Niveau gesprochen. Der einzig erfreuliche Aspekt des Lageberichtes war, dass die Strafverfolgungsbehörden seit der Einsetzung der besonderen Ermittlungsgruppe vor drei Jahren sehr erfolgreich gearbeitet und damit das große Dunkelfeld der Korruption erheblich aufgehellt haben.



Leider machen die aktuellen Korruptionsfälle in Köln, Kiel und anderswo deutlich, dass es seit Jahren ein gesellschaftliches Klima gibt, in dem solche Auswüchse gut gedeihen können. Wenn selbst verantwortliche Politikerinnen und Politiker vielerorts in solche Fälle verwickelt sind, darf man sich nicht wundern, wenn die Hemmschwelle von einigen Beschäftigten im öffentlichen Dienst auch gefallen ist. Wir müssen also beim Kopf anfangen: Die politischen Führungseliten müssen endlich bei der Korruptionsbekämpfung ihre Vorbildfunktion wahrnehmen.



Dabei ist es nur ein geringer Trost, dass das Thema Politik, Geld und Bestechlichkeit schon seit Jahrtausenden aktuell ist. Inspiriert durch die Reise des Ältestenrates nach China möchte ich auf den großen chinesische Gelehrten Konfuzius verweisen, der auch die Habsucht nicht leiden konnte:



„Nur der Geringe denkt an seinen eigenen Vorteil (Konfuzius)“
- ist eine der vielen Weisheiten dieses weltweit bekannten chinesischen Denkers, der übrigens zum Staatsminister in der kaiserlichen Beamtenschaft aufstieg und sich dabei vehement gegen die sehr ausgebreitete Korruption in der kaiserlichen Verwaltung einsetzte.
Nur auf eine bessere Moral der Verantwortlichen oder auf effizientere Kontrolle zur setzen, reicht aber auch nicht aus. Wir müssen dafür sorgen, dass die politischen Entscheidungsprozesse vom Bund bis zu den Kommunen für die Bürgerinnen und Bürger transparenter und nachvollziehbarer werden.
Es ist ja kein Zufall, dass nach einer internationalen Studie die skandinavischen Länder die wenigsten Korruptionsfälle in Europa aufweisen. Das hängt auch damit zusammen, dass man beispielsweise in Schweden sehr weitgefasste Informationsrechte für die Bürgerinnen und Bürger geschaffen hat.
Entscheidungen der öffentlichen Hand können somit bis ins Detail nachvollzogen werden. Auf diese Weise verhindern man, dass wichtige kommunale Entscheidungen – beispielsweise für eine Müllverbrennungsanlage – von einigen wenigen Personen in dunklen Hinterzimmern getroffen werden können.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf das vom SSW eingebrachte Informationsfreiheitsgesetz für Schleswig-Holstein verweisen, das bisher nicht auf so großes Wohlwollen bei der IHK oder den Kommunen gestoßen ist. Aber die präventive Wirkung dieses Gesetzes auf mögliche Korruption darf nicht unterschätzt werden. Auf Bundesebene fehlt weiterhin eine solche Regelung.
Wenn es zu Fällen von Korruption auf höchster Ebene kommt, dann wird man immer auch über politischen Verantwortung sprechen müssen. Dafür gibt es in unserer parlamentarischen Demokratie das Instrument des Untersuchungsausschusses. Doch wie Sie wissen, meinen wir, dass mit diesem Instrument sorgfältig umgegangen werden muss.
Wir sind der Auffassung, dass es viel zu oft zu parteipolitischen Zwecken missbraucht worden ist und auch heute noch missbraucht wird. Anstatt das schärfste Schwert der Demokratie zu sein, verkommen viele Untersuchungsausschüsse zu Schaubühnen für öffentliche Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition. Die Erfahrungen der vielen letzten Jahre belegen jedenfalls, dass die wirkliche Aufklärung von Sachverhalten nur selten geleistet wird.
Hinzu kommt, dass die Aufklärung von wirklichen Straftatbeständen ja nicht vom Untersuchungsausschuss, sondern von der Staatsanwaltschaft zu leisten ist. Das gilt natürlich auch für den heute zu beschließenden Ausschuss. Wenn man dazu beispielsweise bedenkt, wie der sogenannten Mantik-Untersuchungsausschuss im ganzen letzten Jahr ohne irgendwelche Erkenntnisse so vor sich dahindümpelte, muss man also bei der Einsetzung eines neuen Untersuchungsausschusses Vorsicht walten lassen.
Das war auch noch Anfang des Jahres unsere Auffassung, als wir zum ersten Mal mit den Fakten bei der Vergabe eines Mittelbewirtschaftungs- und Kostenrechnungssystems im Finanzministerium konfrontiert wurden. Der SSW war lange der Auffassung, dass der Finanzausschuss und die Haushaltsprüfgruppe Fehlverhalten und Fehler bei der Vergabe aufarbeiten könne. Auch der konkrete Verdacht der Bestechung von Staatssekretär Dr. Lohmann änderte erst einmal nichts an der Auffassung, weil dies eine Sache der Staatsanwaltschaft war.
Erst durch den Fall des EXPO-Beauftragten Pröhl und seine völlig undurchschaubaren Nebenaktivitäten änderte sich unsere Auffassung. Der schnelle Rücktritt des Leiters der Staatskanzler Klaus Gärtner konnte nicht verhindern, dass Ministerpräsidentin Heide Simonis wochenlang schwerwiegenden Vorwürfen über ihr angebliches Mitwissen ausgesetzt war. Das Land Schleswig-Holstein kann nicht damit leben, dass sich die Ministerpräsidentin fast täglich immer absonderlicher wirkenden Vorwürfen erwehren muss. Um es salopp zu sagen: “Der jetzige Zustand, wo jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird, ist für Schleswig-Holstein unerträglich.“
Der SSW wird daher der Einsetzung des Untersuchungsausschusses vor allem deswegen zustimmen, weil wir die Hoffnung haben, dass sich der Untersuchungsausschuss so schnell wie möglich mit den aufgeworfenen Fragen beschäftigen und somit die Landesregierung entlasten kann.
Wir brauchen eine handlungsfähige Landesregierung, die zum Wohle unseres Landes regieren kann. Deshalb müssen alle Vorwürfe vollständig und umfassend aufgeklärt werden. Dass kann aus jetziger Sicht nur im Untersuchungsausschuss geschehen.
In diesem Zusammenhang möchte ich die CDU-Landtagsfraktion dafür loben, dass sie nicht gleich Hals über Kopf zwei Untersuchungsausschüsse beantragt hat. Dass sie sich vielmehr Zeit gelassen hat, um in Ruhe den Vorschlag für einen Untersuchungsausschuss auszuarbeiten, der sich dann mit den beiden Teilaspekten Pröhl und Lohmann beschäftigen kann. Die jetzt gefundene Formulierung des Untersuchungsauftrages ist vernünftig, und es war deshalb richtig, die Einsetzung des Ausschusses auf eine Sondersitzung zu verschieben.
Erwartungsgemäß ist der Fall Pröhl in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, weil sich die Vorfälle in unmittelbarer Nähe der Ministerpräsidentin und ihres Staatssekretärs Gärtner abgespielt haben. Aber wer sich jetzt neun-mal-klug und entrüstet über die fehlende Kontrolle hinsichtlich der Arbeit von Herrn Pröhl äußert, darf nicht vergessen, dass es ja im Grunde die Aufgabe des EXPO-Beauftragten war, sich um schleswig- holsteinischen Unternehmen und deren Geschäfte zu kümmern. Das heißt, an sich gab es keinen Anlass, die vielfältigen geschäftlichen Aktivitäten des EXPO-Beauftragen zu verdächtigen.
Verdächtig wird es, wenn der EXPO-Beauftragte anfängt, für verschiedene Firmen tätig zu werden –wie es scheint sogar gegen Entgelt - oder wenn er für Geschäfte, die er als Staatsdiener vermittelt, Provision kassiert. Ob diese Vorwürfe zutreffen, untersucht die Staatsanwaltschaft.
Aber eines ist klar: Für einen Beamten aus der Staatskanzlei sollte es selbstverständlich sein, dass er genau wie jeder andere normale Beamte Nebentätigkeiten anzeigt und um Genehmigung seitens seiner Vorgesetzten bittet. Man muss davon ausgehen, dass Herr Pröhl diese beamtenrechtlichen Vorschriften genau kannte.
Wenn er also schon im Herbst 2000 oder im Frühjahr 2001 als Vorstandsmitglied in dem Unternehmen des Herrn Brückner aufgenommen wurde, hätte er dies zeitnah seinem Arbeitgeber melden müssen. Wie wir wissen, ist dieses erst später geschehen. Ob die Staatskanzlei eine Mitschuld daran trägt, dass das Verfahren um den Antrag auf Nebentätigkeit erst im Frühjahr 2002 negativ beschieden wurde, wird man im Untersuchungsausschuss klären müssen. - Genau wie die Vorwürfe von Herrn Pröhl und Herrn Brückner, dass Staatssekretär Gärtner und Ministerpräsidentin Heide Simonis schon im Frühjahr 2001 von der Vorstandstätigkeit gewusst haben. Wobei man hier auch genau unterscheiden muss, ob Herr Pröhl angedeutet hat, er könne sich vorstellen - evtl. nach dem Ausscheiden aus der Staatskanzlei – in den Vorstand des Brückner-Unternehmens zu wechseln, oder ob er definitiv gesagt hat, dass er bereits Mitglied des Vorstandes sei.
Dass Frau Simonis letzteres gewusst haben sollte, ist jedenfalls schwer zu glauben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Ministerpräsidentin nicht stutzig geworden wäre, wenn ihr ein zentraler Mitarbeiter erzählt hätte, er arbeite neben seiner Tätigkeit als EXPO- Beauftragter in einem Unternehmensvorstand. - Ob dies auch für Staatssekretär Gärtner gilt, ist schwer zu beurteilen.
Die übrigen in der Presse angesprochenen Aktivitäten von Herrn Pröhl müssen im Ausschuss untersucht werden. Da macht es wenig Sinn, wenn FDP und CDU sich jetzt schon mit Kleinen Anfragen zu den vielen Reisen des EXPO-Beauftragten überbieten. Ein weiterer wichtiger Aspekt in Zusammenhang mit dem Fall Pröhl ist natürlich auch die noch nicht vorliegende Schlussabrechnung für Schleswig-Holsteins EXPO- Beteiligung und die berechtigte Frage, ob alle Aktivitäten wirklich sinnvoll für das Land waren. Der noch vom ehemaligen EXPO-Beauftragten vorgelegte Bericht gibt darüber keinen näheren Aufschluss. - Zumal viele der Zahlen, beispielsweise über die Anzahl der EXPO-Besucher in Schleswig- Holstein - in sich nicht stimmig sind.
Auch die Beschaffung des neuen Computer-Systems SAP/R3 für den Landesdienst wird den Untersuchungsausschuss eingehend beschäftigen müssen. Wobei es hier nicht nur um die Rolle von Staatssekretär Dr. Lohmann und einer ehemaligen Beschäftigten gehen wird, sondern auch darum, wieso sich ausgerechnet das Finanzministerium nicht an seine eigenen Vergaberichtlinien gehalten hat.
Denn in der Tat ist vieles an der Abwicklung der Beschaffung eines neuen Computer- Systems durch das Finanzministerium auszusetzen. Da ist von Schlampigkeit bei der Aktenführung bis zum Korruptionsverdacht bei der Vergabe des Computer-Auftrages eine ganze Palette von Vorwürfen in den öffentlichen Raum gestellt worden, die schon allein das Potential für einen richtigen Polit-Skandal haben.
Von Anfang an hat Finanzminister Möller als verantwortlicher Minister klar gemacht, dass er die volle politische Verantwortung für die Vorfälle in seinem Hause übernimmt. Seit Bekanntwerden der Vorwürfe durch anonyme Hinweise auf einen äußerst kritischen Landesrechnungshofsbericht an den Kollegen Kubicki und die gesamte Landespresse, hat sich der Finanzausschuss in drei langen und anstrengenden Sitzungen um die volle Aufklärung bemüht.
Dabei ist der Finanzausschuss sogar von dem normalen Verfahren der Prüfung durch die Arbeitsgruppe „Haushaltsprüfung“ in nicht-öffentlicher Sitzung abgewichen, um dem berechtigten öffentlichen Bedürfnis nach Klarheit und Wahrheit in diesem Fall Rechnung zu tragen. Der Finanzminister und seine Mitarbeiter haben in diesen Sitzungen ausführlich den Ausschussmitgliedern Rede und Antwort gestanden. Man kann kritisieren, dass nicht von Anfang an alle Aspekte auf den Tisch gelegt oder vollständig untersucht worden sind. Das hätte den Verlauf erleichtert, aber es handelt sich eben doch um vielschichtige und komplexe Sachverhalte. Die Diskussion um die Einführung einer Kosten- und Leistungsrechnung in der Landesverwaltung begann schon 1997 mit der Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes. Alle Parteien des Landtages waren sich damals – und sind sich sicherlich auch heute noch – einig darin, dass zur einer modernen und effizienten Verwaltung die Einführung von modernen Steuerungsinstrumenten gehört. Die Einführung von betriebswirtschaftlichen Steuerungsinstrumenten wie Budgetierung oder einer Kosten- und Leistungsrechnung ist sozusagen ein Kernstück der notwendigen Verwaltungsmodernisierung.
Vor diesem Hintergrund und mit voller Rückendeckung des Landtages – und insbesondere des Finanzausschusses – hat sich die Landesregierung 1997/1998 darum bemüht, ein Mittelbewirtschaftungs- und Kostenrechnungssystem anzuschaffen. In der damaligen Diskussion spielte es eine wichtige Rolle, dass man bei der Anschaffung eines Computersystems keinen Sonderweg in Schleswig-Holstein gehen wollte. Schlechte Erfahrungen mit der Anschaffung anderer EDV-Lösungen, die nur für Schleswig-Holstein galten, gab es ja leider genug.
Der Landesrechnungshof kritisierte in seinem Bericht aber das Vergabeverfahren als fehlerhaft und die gewählte Lösung als zu teuer für das Land. Sehr kritisch sah der Landesrechnungshof insbesondere, dass die Bietergemeinschaft SAP/Debis von einem externen Gutachter nur auf Platz 5 platziert wurde, weil das Angebot bis zu dreimal so teuer war wie die der anderen Bieter. Dennoch bekam sie am Ende den Zuschlag. Dazu wurde nicht ein Vergabevermerk, sondern nur eine Kabinettsvorlage erstellt.
Wenn man bedenkt, dass die Forderung nach einer gemeinsamen Lösung mit anderen Bundesländern am Ende eine der wichtigsten Prämissen für die Vergabe des Auftrages war, ist es natürlich rückblickend sehr verwunderlich, dass dieses Kriterium in der ersten Phase des Ausschreibungs-Verfahrens keine Rolle spielte. Nur so kann man ja auch erklären, dass der externe Gutachter SAP/Debis nur auf Platz 5 sah. In dieser Phase ist also schon der entscheidende Fehler gemacht worden.
Im Frühjahr 1998 wurde der Finanzausschuss ausführlich in mehreren Sitzungen über die Entscheidung des Finanzministeriums informiert. Natürlich haben sich die Finanzausschussmitglieder schon damals gewundert, dass ein Bieter, der vom Gutachter nur auf Platz 5 gesetzt worden war, den Zuschlag für einen Vertrag in so einer Größenordnung erhielt. Der Landesrechnungshof hat damals schriftlich wie mündlich seine Kritik am Zuschlag für diesen Bieter geäußert. Es scheint aber, dass diese Kritik im Ausschuss nicht so stark vorgetragen wurde, dass wirkliche Zweifel an der Entscheidung aufkamen. Deshalb begrüßt der SSW den heute vorliegenden Änderungsantrag der SPD, worin gefordert wird, dass auch untersucht werden soll, in welchem Umfang und in welcher Form der Rechnungshof an den Beratungen oder Entscheidungen über die Ausschreibung des Computer-Systems beteiligt war. Ich glaube alle Beteiligten sollten hier ein Interesse daran haben, dass auch in diesem Teilbereich Klarheit geschaffen wird.
Der Finanzausschuss hat dann letztendlich auch unter Bedingung einer sogenannten „Reißleine“ im endgültigen Vertrag mit SAP/Debis und der Vorlage einer Machbarkeitsstudie die Mittel für die Einführung des EDV-Systems einstimmig freigeben. Beide Bedingungen sind unserer Meinung nach später nachweislich vom Finanzministerium eingehalten worden.
Sowohl im Finanzausschuss als auch in der endgültigen Kabinettsvorlage ist also auf den ersten Blick plausibel erklärt worden, warum SAP/Debis den Zuschlag bekam. Aus Sicht des SSW sieht es so aus, dass dem Land kein finanzieller Schaden durch die Entscheidung für diesen Bieter entstanden ist. Die anderen Anbieter waren zwar formal billiger, aber konnten nicht den gleichen Service und die gleichen Leistungen oder eben nicht die Anforderung nach Kompatibilität erbringen. Dazu kommt, dass Staatssekretär Döring im Finanzausschuss überzeugend auf die neusten Erkenntnisse hinsichtlich des künftigen Personalbedarfs hingewiesen hat. Die Angaben über Gesamtkosten von über 800 Mio. DM lassen sich deshalb nicht mehr aufrechterhalten. Der Landesrechnungshof mag hier anderer Ansicht sein, aber vorläufig müssen wir von der Richtigkeit der Zahlen des Finanzministeriums ausgehen.
Recht hat der Landesrechnungshof allerdings mit seiner Kritik an einem mangelhaften Vergabeverfahren und insbesondere mit seinem Hinweis, dass eine Kabinetts-Vorlage keinen vorgeschriebenen Vergabe-Vermerk ersetzt. Das ist für ein Finanzministerium, das selbst die Vergabe-Richtlinien für alle öffentlichen Behörden des Landes herausgibt, äußerst peinlich. In diesem Fall ist zumindest sehr schlampig gearbeitet worden. Und hierfür trägt der Minister formell die politische Verantwortung. Allerdings hat der Finanzminister schon Konsequenzen aus diesem mangelhaften Verfahren angekündigt. So soll beispielsweise die GMSH künftig verstärkt als Beratungsinstanz bei der Vergabe von großen Aufträgen genutzt werden. Wir meinen auch, dass der Finanzminister durch das externe Gutachten nachvollziehbar dargelegt hat, dass sich aus dem fehlerhaften Vergabeverfahren nach den Regeln, die vor 1999 galten, keine Rechtsansprüche der anderen Bieter ableiten lässt.
Natürlich muss man es als äußerst merkwürdig bezeichnen, dass sowohl der ehemalige Staatssekretär Dr. Lohmann als auch die zuständige Projektleiterin heute bei SAP in Brot und Arbeit stehen. Das an sich ist allerdings nicht strafbar. Hier muss die Staatsanwaltschaft die wahren Zusammenhänge aufklären.
Dennoch wirft dieses unsensible Verhalten besonders auf den damaligen Amtsleiter des Finanzministeriums, der ja im Grunde für die schlampige Aktenführung beim Vergabeverfahren die Verantwortung trägt, ein ganz schlechtes Licht. Zumal er ja auch diese Beraterverträge nicht bei seinem ehemaligen Dienstherren angezeigt hat. Mit seiner damaligen Anzeige bei der Staatsanwaltschaft und einem Dienstaufsichtsverfahren hat das Finanzministerium daher richtig gehandelt.
Es geht heute allein um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses – nicht darum, schon irgend welche Ergebnisse zu debattieren. Zum Schluss möchte ich daher noch mal auf einige Punkte zurückkommen, die dem SSW besonders am Herzen liegen:



1. Es ist klar, dass für jede Person bis zum Beweis des Gegenteils die Unschuldsvermutung gilt. Wenn dies aber für die Herren Pröhl und Lohmann in der Frage des Korruptionsverdachtes gilt, dann muss es erstrecht für Ministerpräsidentin Simonis in der Frage gelten, was sie wann gewusst hat. Es ist schon verwunderlich, mit welch unkritischer Begeisterung sich Medien und Politiker auf die verschiedenen Äußerungen der Herrn Pröhl und Brückner gestürzt haben. Kritische Nachfragen nach den Motiven hätten also so manchen gut zu Gesicht gestanden. Es darf keine Vorverurteilung betrieben werden – auch nicht, wenn Bundestagswahlkampf ist.
2. Der Untersuchungsausschuss sollte sich vor allem auch mit der Frage beschäftigen, welche Kontrollmechanismen versagt haben und wie wir in Zukunft eine Wiederholung solcher Vorfälle verhindern können. Dieses konstruktive Element ist aus Sicht des SSW ein ganz entscheidender Punkt der Ausschussarbeit.Ansonsten kommen wir nicht wirklich weiter. 3. Man kann allen Beteiligten nur raten, sofort alles auf den Tisch zu legen. Wenn die Wahrheit weiterhin scheibchenweise in die Öffentlichkeit gelingt, schadet das nur dem, der sie bisher verschwiegen hat.
4. Der Untersuchungsausschuss darf nicht zu einem permanenten Korruptionsausschuss verkommen, der von jetzt an bis zum Jahr 2005 alle angeblichen Verfehlungen der Landesregierung untersuchen soll. Alle müssen darauf achten, dass wir innerhalb eines angemessenen zeitlichen Rahmens den Untersuchungsauftrag abarbeiten können. Eine fortdauernde Schlammschlacht nützt keinem und schadet der Demokratie.