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25.03.02
11:28 Uhr
B 90/Grüne

Bilanz der grünen Landtagsfraktion

Fraktion im Landtag PRESSEDIENST Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Telefax: 0431/988-1501 Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.gruene-landtag-sh.de

4+2 Nr. 094.02 / 25.03.2002

Eine Bilanz der grünen Landtagsfraktion und Regierungsarbeit bis März 2002
Sechs Jahre grüne Regierungsbeteiligung in Schleswig-Holstein - zwei Jahre seit der Er- neuerung der Koalition - das ist beides Anlass für eine Bilanz:
• Was hat die rot-grüne Regierung für das Land erreicht? • Was hat insbesondere der grüne Regierungspartner realisiert? • Was wäre anders gewesen bei einer Schwarzen oder Rot-Gelben Regierung?
Oder kurz: Lohnt es, bei all den Schwierigkeiten in der öffentlichen Darstellung als kleiner Regierungspartner, der manches mittragen muss, was nicht „pure“ grüne Politik ist – lohnt es sich, an der Regierung teilzunehmen?
Die Antwort ist ein entschiedenes „Ja“ – wir haben eine Bilanz, auf die wir stolz sein kön- nen!

Unsere größten Erfolge:
• Die Verdoppelung der Vorrangflächen für den Naturschutz
• Die Vergrößerung des Nationalparks und der Aufbau des Nationalparkservice
• Die Verbreiterung der Finanzierung für die Umwelt- und Eine-Welt-Politik durch die Einführung der Oberflächenwasserabgabe und des Bingo-Lotto • Die Vorreiterrolle bei der Energiewende
• Die Gleichstellung von Schiene und Straßem in der Verkehrspolitik und die Stärkung des Radwegebaus.
• Den Einstieg in die Agrarwende
• Die Einrichtung des Flüchtlingsbeauftragten und die Praxis einer humanen Flüchtlingspolitik
• Das Modernisierungsprogramm für die Justizvollzugsanstalten
• Die vorbildliche Rolle bei der Verteidigung von Bürgerrechten und einer libera- len Innenpolitik
• Die Stärkung der Frauenförderung und die Durchsetzung des Grundsatzes „Wer schlägt, der geht“.
• Die kontinuierliche Aufstockung der Lehrerstellen
• Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule und Ausbau der Ganztagsange- bote
• Beibehaltung der Standards und der Landeszuschüsse für die Kindertagesstät- ten
• Stärkung der Demokratie und Autonomie der Schulen


Unsere Bilanz im Einzelnen:

Wir haben uns viel vorgenommen

Bei einer Zusammenstellung unserer Vorhaben fällt auf, dass wir uns in der zweiten Le- gislaturperiode nicht weniger, sondern mehr vorgenommen haben als in der ersten Legislaturperiode. Das betrifft insbesondere die Energiepolitik, die Verkehrspolitik und die Bildungs- und Familienpolitik.
In der Umweltpolitik hat Klaus Müller ambitionierte Vorhaben angestoßen und mit der Übernahme des Justizministeriums durch Anne Lütkes hat das Thema Bürgerrechte und Justiz einen ganz anderen Stellenwert für grüne Politik erhalten.
Ein wichtiger Grund für diesen Optimismus ist die neue Bundesregierung, durch die sich die Rahmenbedingungen für grüne Politik in den Ländern deutlich wahrnehmbar verän- dert haben. Dazu kamen im letzten Jahr zwei Entwicklungen, der BSE-Skandal und die PISA-Studie, die auf dramatische Weise bisherige grüne Positionen bestätigt haben:
BSE hat uns in die Lage versetzt, mit einer grundlegenden Änderung der Landwirt- schaftspolitik zu beginnen. Und die PISA-Studie hat uns eine Fülle von Argumenten für die grüne Bildungspolitik geliefert, von denen wir vor einem Jahr nicht einmal geträumt haben.
Ergo: Hier in Kiel wird weiterhin eine unermüdliche, unerschrockene und oft auch lustvol- le Arbeit gemacht, um Schleswig-Holstein im Sinne grüner Ziele zu gestalten.
Und dazu gehören die Fraktion und die Grünen in der Regierung, ebenso wie der Lan- desvorstand, die Landesarbeitsgemeinschaften sowie all diejenigen Mitglieder und Sym- pathisanten in Kreisen und Verbänden, die uns in der Arbeit mit großem Engagement un- terstützen.
Dafür bedanken wir uns, denn ohne dieses Engagement wären wir mit unsere kleinen Truppe hoffnungslos verloren.


Die leisen Seiten der Regierungsarbeit

Neben den offensichtlichen Erfolgen gibt es ein Reihe von Dingen, die in der Regierung getan werden, aber selten das Licht der Öffentlichkeit erblicken.
Dazu gehört, dass es in Schleswig-Holstein in der Flüchtlingspolitik gelungen ist, zu ei- nem Modus Vivendi zu kommen: Wo es erforderlich ist, wird den Menschen geholfen, ohne dass dazu große öffentliche Auseinandersetzungen nötig sind, die Stimmungen in der Bevölkerung mobilisieren.
Dazu gehört, dass wir mittlerweile in vielen Bereichen soweit sind, dass Entscheidungen des Landes im Sinne grüner Politik wie dem Umweltschutzes erfolgen, ohne dass wir öf- fentlich als die „Blockierer“ auftreten.
Dazu gehören viele einzelne Entscheidungen im sozialen, im frauenpolitischen, im wirt- schaftlichen Bereich und im Bereich der Bürgerrechte, die nicht öffentlich behandelt wer- den.
Es hängt in vielen einzelnen Fragen davon ab, wer die Entscheidungen trifft.


Unser Einsatz für Natur und Umwelt Ein Schwerpunkt der Umweltpolitik der rot-grünen Regierung ist die Nachhaltigkeitsstra- tegie. Staatskanzlei und Umweltministerium arbeiten gemeinsam daran, die Agenda21 auf alle Politikbereiche und alle Ministerien und Verwaltungen herunterzudeklinieren.
Einer der wichtigsten Schritte von Klaus Müller war es, die Oberflächenwasserabgabe (OWAG) in Schleswig-Holstein einzuführen. Sie wird in erster Linie für die Atomkraftwer- ke erhoben. Das kann allerdings zu finanziellen Ausfällen führen, wenn sie stillstehen, wie jetzt in Brunsbüttel. Solange die Atomkraftwerke laufen, tragen sie dazu bei, Projek- ten im Umweltbereich zu finanzieren.
Zur Hälfte geht die OWAG in den allgemeinen Haushalt, und trägt damit wesentlich zur Finanzierung der zusätzlichen Lehrerstellen bei.
Einer der größten Erfolge der beiden grünen Umweltminister ist die Ausdehnung der Flä- chen für den Naturschutz von 3,2 Prozent der Landesfläche im Jahre 1995 auf 6,6 Pro- zent im Jahre 2001 und von 22,8 Prozent der Wasserflächen (innerhalb der 12 Meilen- zone – Nord- und Ostsee) auf 57,4 Prozent.
Zur Zeit geht es darum, das Schutzregime für diese Flächen praktisch umzusetzen und gleichzeitig weitere Flächen auszuweisen. Das wichtigste Vorhaben der kommenden Jahre ist die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Das gesamte Land wird Nutz- nießer sein, wenn das Umweltministerium zusammenhängende Fluss- und Seenland- schaften und Wasserschutzgebiete ausweist.
Ein zusätzliches Projekt ist der Aufbau weiterer integrierter Naturschutzstationen an der Geltinger Birk, am Schaalsee und an der Unterelbe.
Ein ehrgeiziges Ziel des grünen Umweltministers ist es, bis 2005 zehn Prozent und bis 2012 15 Prozent der Landflächen als Vorrangflächen für den Naturschutz auszuweisen.
Der Nationalpark wird stetig weiterentwickelt. Ein sichtbares Zeichen dafür ist der Natio- nalparkservice. Klaus Müller hat erreicht, dass die Restauration auf der Hamburger Hallig ebenso in den Nationalparkservice eingegliedert wurde, wie das Multimar-Wattforum in Tönning. Wir sind stolz, dass sich das Multimar zu einer Touristenattraktion erster Güte entwickelt hat und jetzt durch ein Walhaus erweitert wird.
Die Privatisierung der Landesforsten wurde abgelehnt. Das unter Rainder Steenblock für die Landeswälder eingeführte Zertifikat FSC für ökologische Bewirtschaftung hat sich in- zwischen durchgesetzt.
Weitere Vorhaben sind das neue Landesbodenschutzgesetz, die Umsetzung der EU- Luftqualitätsrichtlinie und die Weiterentwicklung der Abfallwirtschaft zur Umsetzung der Technischen Anleitung Abfallwirtschaft, die im Jahre 2005 in Kraft tritt. Ein großer Erfolg ist die von Rainder Steenblock und Monika Heinold iniziierte Umweltlot- terie Bingo. Der finanzielle Gewinn ist wesentlich höher als geplant. Damit können zahl- reiche Projekte im Naturschutz und in der Eine-Welt-Arbeit finanziert werden.
Der Schwerpunkt der Arbeit von Irene Fröhlich, die in der Fraktion die Umweltpolitik ü- bernommen hat, liegt darin, die Ergebnisse der Enquete-Kommission Gentechnologie umzusetzen - ein Prozess, der sich außerordentlich zäh gestaltet. Immerhin haben wir jetzt eine gemeinsame Position mit der SPD zur Technikfolgenabschätzung. So soll bei allen Gentechnikvorhaben in Schleswig-Holstein in Zukunft parallel eine Technikfolgen- abschätzung durchgeführt werden.
Für den Bereich der „roten“ Gentechnik (im medizinischen Bereich) gibt es keine Positi- on, auf die sich die SPD einigen kann. Deshalb werden wir vermutlich mit einer Gewis- sensentscheidung ins Parlament gehen.
In Sachen grüne Gentechnik bleibt Schleswig-Holstein bei der restriktiven Haltung. Die Anweisung von Klaus Müller, gentechnisch veränderte Maissaat unterzupflügen, war ein notwendiges und richtiges Signal, das ein bundesweites Echo gefunden hat.
Einen beispielhaften Erfolg hat Irene Fröhlich mit ihrer Landtagsinitiative zum Verbot der Pelztierhaltung erzielt. Jetzt arbeiten wir an weiteren Regelungen, mit denen wir den Tierschutz verbessern wollen. Ein Ziel ist es, der CDU abzuringen, den Tierschutz in der Verfassung festzuschreiben.
Und last not least: Mit dem Umweltranking hat Klaus Müller den Transparenz- und Wett- bewerbsgedanken in die Umweltpolitik eingeführt, Das hat bei einigen, die nicht gut ab- geschnitten haben, wütende Proteste entfacht. Viel Feind – viel Ehr!

In der Energiepolitik sind wir Weltspitze

Die Energiepolitik gehört zu den Politikfeldern, in denen wir uns diesmal noch mehr vor- genommen haben als in der letzten Wahlperiode.
In der Windenergie haben wir den Wildwuchs beendet, um maximalen Naturschutz und minimale Störungen für die Menschen zu gewährleisten. Dies gelang uns, weil wir die Privilegierung gestoppt und die Windenergie auf ein Prozent der Landesfläche be- schränkt haben. Wenn diese Flächen 2003 bebaut sind, hat die Windkraft in Schleswig- Holstein einen Anteil von 25 Prozent an der Stromerzeugung.
Zugleich arbeitet unser grüner Staatssekretär für Energie, Willy Voigt, intensiv mit den Herstellern zusammen, um möglichst viele Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein zu schaf- fen. In Husum erwirtschaftet die Windenergie (Jacobs, VESTAS und NEG-Micon sowie zahlreiche Dienstleister und Wartungsbetriebe) bereits 40 Prozent der Gewerbesteuer. In ganz Nordfriesland erwirtschaft die Windbranche 17 Prozent des Bruttosozialproduktes. Diesen Prozess wollen wir durch die Ausbildung von Fachleuten in Husum (Umschulung von MechanikerInnen und ElektrikerInnen) und in Meldorf (Ausbildung zum Mechatroni- kerIn) unterstützen.
Zur Zeit geht es um die zweite Phase, das Repowering. Wir wollen die Regeln so ändern, dass alte Anlagen durch neue leistungsstärkere ersetzt werden können. Es sollen größe- re Anlagen als bisher zugelassen und zugleich die Anzahl der Anlagen reduziert werden.
Die nächste Planungsphase betrifft die Offshore-Windparks. Mittlerweile liegen Planun- gen für die gesamte deutsche Nordseefläche mit einem Volumen von 25 Atomkraftwer- ken vor. Hier geht es darum, einen mit dem Naturschutz und der Schiffssicherheit abge- stimmten Planungsprozess hinzubekommen. Dies geschieht gemeinsam mit der Bundes- regierung, die außerhalb der 12 Seemeilenzone zuständig ist.
Insgesamt ist es unser Ziel, bis 2010 die Hälfte des Stroms in Schleswig-Holstein mit Windkraft zu erzeugen.
Das Erneuerbare Energiengesetz von Jürgen Trittin hat nicht nur der Wind-, sondern auch der Solarenergie und der Biomasse einen ordentlichen Aufschwung verpasst. Das Land hat ein Biomasseprogramm aufgelegt, um bis 2010 bis zu 10 Prozent der Energie aus Biomasse zu gewinnen.
Ein weiterer Schritt ist der Ausbau der Kraftwärmekopplung auf Basis des neuen KWK- Gesetzes, um auch in diesem Sektor zu deutlichen Steigerungen zu kommen. Gelingt dies und bleibt Rot-Grün am Ball, hat Schleswig-Holstein in zehn Jahren 80 Prozent um- weltfreundliche Energieerzeugung. Das ist der wahre Atomausstieg!
Im Wohnungsbau war diese Landesregierung bereits unter der grünen Bauministerin An- gelika Birk Vorreiter bei der Einführung des Niedrigenergiehaus-Standards: Danach wur- den in Schleswig-Holstein mittlerweile über 8000 Wohneinheiten gebaut. Die Verwen- dung von ökologischen Baumaterialien ist Fördervoraussetzung in Schleswig-Holstein. Jetzt werden Passivhäuser gefördert, die weniger als ein Zehntel an Heizenergie brau- chen als ein konventionelles Haus. Wir führen den Gebäudepass ein, damit gut gedämm- te Häuser sich besser verkaufen lassen.
Die größten Einsparpotenziale liegen im Altbaubestand. Deshalb wollen wir die Woh- nungsbaumittel des Landes stärker vom Neubau in die Altbausanierung umschichten. Al- lein aus dem CO2-Minderungsprogramm der Bundesregierung hat Schleswig-Holstein im letzten Jahr über 100 Mio. DM in die Altbausanierung gesteckt.
Auf Initiative der grünen Landtagsfraktion hat sich die Regierung mit der Nutzung von Geothermie beschäftigt. Es gibt eine Heißwasserader in 1000 bis 3000 Meter Tiefe, die von Flensburg über Eckernförde, Kiel bis an den Hamburger Rand verläuft. Damit könnte zum Beispiel die gesamte Fernwärme Kiels produziert werden. Während wir die Zukunft vorbereiten, muss parallel der Atomausstieg begleitet werden. Dazu gehören höchste Sicherheitsstandards - wie jetzt bei der Abschaltung von Bruns- büttel - wie der Bau von einem oder mehreren Zwischenlagern in Schleswig-Holstein. Dabei geht es um maximale Sicherheit und zugleich eine Minimierung der Transporte.
Mein Fazit: Schleswig-Holsteins ist das Musterland für die Energiewende, unsere Ener- giepolitik ist ein bundesweites Aushängeschild, mit dem wir selbstbewusst werben kön- nen.

Grüne Initiativen in der Europa- und Wirtschaftspolitik

Rainder Steenblock hat sich mit einer Reihe von Landtagsinitiativen in dem wichtigen Po- litikfeld der Europa- und Ostsee-Politik engagiert und sich um internationale Kontakte ge- kümmert. So hat sich der Landtag intensiv mit dem Nizza-Gipfel, mit der Osterweiterung der EU und der europäischen Verfassung befasst.
Eine besondere Rolle spielt für uns die Frage, wie die Kompetenzen zwischen EU, Bund und Land neu zu ordnen sind und wie die Einbringung regionaler Interessen verbessert werden können. Die Arbeit des Verfassungskonvents werden wir auch im Landtag kon- struktiv begleiten.
Eine wichtige Erfahrung für uns alle war der Besuch der Fraktion in Brüssel, aus dem ei- ne Reihe neuer Kontakte resultieren.
In der Wirtschaftspolitik hat die Fraktion drei Schwerpunkte gesetzt:
Erstens die Unterstützung der kleinen und mittleren Betriebe in Schleswig-Holstein. Wir sind überzeugt, dass nur ein aktives Netz von kleinen Firmen eine stabile Basis und ein Umfeld in Schleswig-Holstein bildet, das unser Land für Firmenansiedlungen interessant macht.
Gut entwickelt haben sich die Kontakte zum Handwerk, was zu einer gemeinsame Ver- anstaltung in der Handwerkskammer Lübeck und zu mehreren öffentlichen Auftritten von Karl-Martin Hentschel bei Veranstaltungen der Handwerkskammern geführt hat.
Das Handwerk hat für uns eine große Bedeutung, weil es 40 Prozent der Ausbildungs- plätze stellt, und weil es auch in vielen ökologischen Themen Berührungspunkte mit un- serer Politik gibt. Ob Qualitätsmöbel aus Holz, Bau von Niedrigenergiehäusern, Installati- on und Wartung von Solaranlagen, Brennstoffzellen, Wärmespeichern und Erdwärme- pumpen, Emissionsmessung durch SchornsteinfegerInnen, Einführung von ökologischen Materialien und Farben, immer ist das Handwerk unser Partner.
Der zweite Schwerpunkt ist die Förderung von MigrantInnen, weil die Einbeziehung in die Arbeitswelt der wichtigste Beitrag zur Integration ist. Hierzu haben wir einen Landtagsan- trag eingebracht. Das Projekt der türkischen Gemeinde, Migrantenbetriebe für die deut- sche Berufsausbildung zu gewinnen, wird fortgesetzt und ein neues Projekt, um die Schulen bei der Information der Eltern über das deutsche Berufsausbildungssystem zu unterstützen, wurde gestartet.
Der dritte Schwerpunkt grüner Wirtschaftspolitik ist die Förderung von Neuen Technolo- gien und insbesondere Start-Up-Unternehmen.
Eine besondere Rolle spielt für uns der Bereich Ökotechnik. Niemand hat die technologi- sche Entwicklung der kommenden 50 Jahre so überzeugend dargestellt wie Ernst Ulrich von Weizsäcker in seinem Buch “Faktor 4”. Die neue Technologiewelle nach der Informa- tionstechnologie wird die Effizienzrevolution der Ökotechniken sein.
Schwerpunkte sind beispielsweise: Nanotechnologien wie Mikroroboter, die den Körper von innen erforschen und operieren; Biotechnologien, die natürliche Prozesse für die Herstellung von zu 100 Prozent recyclebaren Materialien der Zukunft nutzen; Biogasan- lagen, in denen alle organischen Abfälle aus Landwirtschaft, Haushalten, Lebensmittelin- dustrie und Gaststätten zu Biogas und hochwertigen Trockendüngern verarbeitet wer- den; Passivhäuser, die ohne Heizung auskommen. Die Brennstoffzellentechnologie wird von uns als Basistechnologie für das 1-Liter-Auto der Zukunft und die Kraftwärmekopp- lung im Einfamilienhaus gefördert. Gentechnologieunternehmen – vor allem im Bereich der roten Gentechnik – unter Kontrolle des Umweltministeriums und begleitet durch eine Technikfolgenabschätzung - spielen dabei auch eine Rolle.
In all diesen Bereichen werden junge Firmen in Schleswig-Holstein sowohl durch das Umwelt- wie das Wirtschaftsministerium aktiv unterstützt. Bei der Beteiligung von Firmen am Ökoaudit hat Schleswig-Holstein bundesweit die Nase vorn.

Neue Wege in der Arbeitsmarktspolitik

Seit Jahren fordern wir eine Umstellung der Arbeitsmarktpolitik. Zu häufig kommt es vor, dass Menschen in sogenannten Maßnahmekarrieren im zweiten Arbeitmarkt kreisen. Vorrangiges Ziel soll statt dessen sein, jedem Arbeitslosen nach spätestens einem hal- ben Jahr ein Angebot zu machen und sie zielgerichtet für den ersten Arbeitsmarkt zu qualifizieren und zu vermitteln.
Mit dem Koalitionsvertrag von 2000 und dem neuen ASH 2000-Programm wird diese Po- litik umgesetzt. Schleswig-Holstein ist dafür von der Bertelsmannstiftung als innovativstes Bundesland ausgezeichnet worden und die Bundesregierung will diese Politik aufgreifen.
Durch die Krise des Arbeitsamtes besteht jetzt die Chance, die Arbeitsmarktpolitik neu zu ordnen. Dabei wollen wir die Arbeitsvermittlung der Arbeitsämter und die der Kommu- nen/Kreise auf kommunaler Ebene strategisch zusammenführen. Schon jetzt sind bei der Umstrukturierung der Arbeitsmarktpolitik erhebliche Probleme aufgetreten:
Es gibt eine ganze Reihe von Menschen, die aufgrund bestimmter Probleme nicht im ers- ten Arbeitsmarkt integrierbar sind, die aber in einem halbkommerziellen Bereich sehr gut arbeiten können. Ein für diese Menschen geeigneter zweiter Arbeitsmarkt ist sinnvoll und muss gestaltet werden, damit diese Menschen einen Platz in unserer Gesellschaft fin- den.
Ein zweites Problem ist die Situation der freien Träger. Diese kleinen und häufig unge- heuer engagierten Unternehmen haben große Schwierigkeiten, die Umstellungen, die mit den neuen ASH 2000-Programmen verbunden sind, finanziell zu verkraften. Deswegen setzen wir uns dafür ein, ständig die Programme zu beobachten und schnell die notwen- digen Korrekturen vorzunehmen.


Grüne Anstöße in der Gesundheits- und Sozialpolitik

In der Gesundheitspolitik hat uns im letzten Jahr besonders die Krankenhausbedarfspla- nung beschäftigt. Wir werden in den kommenden Jahren mit der Abrechnung nach Fall- pauschalen eine weitgehende Umstellung der Krankenhausfinanzierung bekommen, die von den Grünen unterstützt wird. Es macht keinen Sinn, dass sich alle Krankenhäuser Überkapazitäten an Betten anschaffen und sich darum bemühen, diese möglichst lange voll zu halten, um ihre Kosten zu erwirtschaften.
In Zukunft zählt die medizinische Leistung und das heißt: Die durchschnittlichen Aufent- haltszeiten werden sinken, die Zahl der medizinischen Leistungen muss ausgebaut wer- den. Für uns ist wichtig, dass es zwischen freien ÄrztInnen, Krankenhäusern und Pflege- einrichtungen zu einer sinnvollen Zusammenarbeit im Interesse der Patienten kommt.
Das grüne Anliegen, Selbsthilfe stärker zu unterstützen, wurde von der Gesundheitsmi- nisterin Andrea Fischer den Krankenkassen auferlegt. Dies wird in Schleswig-Holstein zügig umgesetzt.
Mit einem Antrag zur Drogenpolitik haben wir die Debatte um Gesundheitsräume für Drogenabhängige und um eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes für Modellver- suche für Cannabis wieder aufgenommen. Jetzt arbeitet Angelika Birk erneut an einer landespolitischen Initiative. Vielleicht gelingt es ja nach der Bundestagswahl, die Blocka- de in Berlin endlich aufzuheben.
Weitere Beispiele, die uns in der Sozialpolitik beschäftigt haben, sind: Eine Gesetzesän- derung, um sicher zu stellen, dass jeder bei Notfällen einen Rettungswagen bestellen kann, ohne ihn anschließend bezahlen zu müssen; sicherzustellen, dass der Verein Mi- xed Pickels seine landesweite Arbeit für behinderte Mädchen und Frauen fortführen kann; sicherzustellen, dass die Integration behinderter Kinder in Kindertagesstätten wei- ter gefördert wird.
Schließlich haben wir erreicht, dass sich eine interministerielle Arbeitsgruppe damit be- schäftigen muss, wie das Land seine Schwerbehindertenquote erreichen kann.


Die Wende in der Landwirtschaft hat begonnen

Eines der dünnsten Kapitel im Koalitionsvertrag ist sicherlich das Kapitel Landwirtschaft. Vor keiner Berufsgruppe hatte die SPD so viel Berührungsängste. Deshalb war uns im Koalitionsvertrag keine merkbare Veränderung in Richtung Ökolandbau gelungen.
Man kann zu Recht sagen: BSE war das Tschernobyl der Landwirtschaft und Lebensmit- telproduktion. Seit November 2000 ist nichts mehr so, wie es mal war.
Seitdem sind die Bauern und Bäuerinnen bereit, mit uns über die Zukunft zu reden. Die Fraktion hat nach intensiver Beratung mit der grünen Landesarbeitsgemeinschaft Land- wirtschaft und den Ökofachverbänden ein 10-Punkte-Papier erstellt. Es wurde öffentlich vorgestellt und war Grundlage für einen Landtagsantrag und für die Verhandlung im Koa- litionsausschuss.
Plötzlich war vieles möglich, was vorher undenkbar war. Das begann mit dem Verbot der Tiermehlverfütterung. Es folgte die Verschärfung der Futtermittelkontrollen, die früher fast gar nicht existierten und die der Lebensmittelkontrollen.
Im April 2001 erreichten wir, die Umstellungsprämie in den ersten beiden Jahren von 153 Euro auf 285 Euro und im dritten bis fünften Jahr von 153 Euro auf 160 Euro erhöht wird. So erhalten die Landwirte gerade in den beiden Jahren mit den stärksten Einkommens- belastungen auch die größte Hilfestellung. Die Beibehaltungsprämie wird von 123 Euro (von denen nur weniger als 100 Euro tatsächlich bei dem Bauern ankam) auf 160 Euro erhöht. Auch eine kostenfreie Telefon-Hotline für umstellungsinteressierte Betriebe ist eingerichtet.
Zuschüsse zu Agrarinvestitionen gibt es in Schleswig-Holstein jetzt nur noch, wenn eine artgerechte Tierhaltung nachgewiesen wird.
Damit sind wir in Schleswig-Holstein noch nicht an der Spitze, aber auch nicht mehr – wie bislang - das Schlusslicht in der Agrarpolitik.
Es gibt zudem erste Erfolge auf Bundes- beziehungsweise EU-Ebene. Ein strategisches Ziel ist es, als Alternative zum umweltbelastenden Maisanbau die Grünlandwirtschaft und den Futtermittelanbau zu fördern. Die wichtigste Aufgabe ist, mit einem bundesweit gültigen Gütesiegel die Qualität aller Nahrungsmittel zu heben. Mit einem eigenen Ökogütesiegel soll ein gemeinsames Dach für die vielen unterschiedlichen Ökolabels geschaffen werden. Nun werden wir bei den nächsten Haushaltsverhandlungen versuchen, die Marketingausgaben des Landes die- sem Konzept anzupassen.
Entscheidend wird sein, die ökologischen Produkte gut platziert in die Supermärkte zu bringen. Stehen sie erst als Inbegriff von Esskultur in den begehrtesten Regalen in Au- genhöhe, dann ist der Durchbruch gelungen.


Neuorientierung der Verkehrspolitik

In der Verkehrspolitik geht es selten um neue Gesetze oder Fördermittel. Hier stehen In- vestitionen in Stahl und Beton im Vordergrund - und die brauchen ihre Zeit. Fast die Hälf- te aller Investitionen des Landes fließen in den Bau von Straßen, Schienenstrecken, Radwegen und Wasserstraßen.
Tatsache ist: Wir haben weder die Macht noch die Mehrheit, den Bau der A20 zu verhin- dern. Bezüglich der Fehmarn-Belt-Querung ist die Lage günstiger.
Das heißt aber nicht, dass wir nichts bewegen.
Als wir vor fünf Jahren an die Regierung kamen, gab es nur eine einzige Schienenaus- baumaßnahme im Bundesverkehrswegeplan (BVWP), dagegen waren 82 Straßenbau- maßnahmen angemeldet. Jetzt hat Karl-Martin Hentschel erreicht, dass für den nächsten BVWP flächendeckend alle wichtigen Schienenausbaumaßnahmen angemeldet werden - einschließlich der Schienenanbindung der Häfen und dem Ausbau des Elbe-Lübeck- Kanals, so dass Lübeck wieder für alle Binnenschiffe erreichbar sein wird.
Durch den Koalitionsvertrag im Bund wurden die Investitionen im Schienenbau denen der Straße gleichgestellt, vorher war das Verhältnis 3:2 zugunsten der Straße.
Mittlerweile wurden zwölf Bahnhöfe wieder eröffnet. Die Wiedereröffnung der Strecke Neumünster-Bad Segeberg wird trotz ständiger Verzögerungen durch die DB-AG in Kür- ze erfolgen. Die Zahl der Zugkilometer wurde in Schleswig-Holstein seit 1996 um 13 Pro- zent erhöht und die Zahl der Passagiere stieg um 20 Prozent.
Man kann also sagen: Die Tendenz nach unten wurde umgekehrt, der große Durchbruch noch nicht erreicht.
In diesem Jahr werden zwei große Vorhaben umgesetzt: Erstens wird der Hamburger- Verkehrs-Verbund ausgeweitet. Das ist verbunden mit der Bildung eines landesweiten Verkehrsverbundes Schleswig-Holstein. Dann kann man mit einer Fahrkarte alle Bahnen und Busse in ganz Schleswig-Holstein und Hamburg benutzen. Zweitens kommt Ende nächsten Jahres der von uns geforderte integrierte Taktfahrplan. Dann werden Lübeck, Kiel, Neumünster, Heide und Husum zu sogenannten Taktknoten, an denen alle Züge zur gleichen Zeit ankommen und abfahren. Eine große Aufgabe für unsere KommunalpolitikerInnen wird dann die Abstimmung der Busfahrpläne und der Schulanfangszeiten sein.
Im Güterverkehr kommt 2003 die große Wende mit der Einführung der LKW-Maut. Das Land bemüht sich darum, die regionalen Schienenstrecken in eigene Regie zu überneh- men und bereitet eine neue Verkehrsplanung vor. Die DB-AG soll sich dann auf die gro- ßen Entfernungen konzentrieren, während die Zulieferung durch regionale Bahngesell- schaften und Speditionen effizient organisiert werden kann.
Im Flugverkehr halten wir daran fest, dass nur Sicherheitsmaßnahmen von Flughäfen vom Land gefördert werden. Deshalb lehnen wir den Einstieg in den Charter-Verkehr in Kiel-Holtenau ab.


Frauenpolitik hat zwei Aufgaben: Konsequente Frauenförderung und Umsetzung des Prinzips gender mainstreaming
Trotz der schwierigen Haushaltsenge haben wir die kontinuierliche Frauenförderung fort- gesetzt: Frauenprojekte, Frauenfachberatungen, aber insbesondere die Beratungsstruk- turen zur Bekämpfung der häuslichen Gewalt sind ausgebaut und verstärkt worden. Die fachliche Betreuung und Begleitung misshandelter Frauen und Kinder ist gesichert. Die Opferschutzprogramme und die Zeugenbegleitung in Strafprozessen bleiben wichtige Themen.
Nachdem das Bundesgewaltschutzgesetz verabschiedet worden ist, hat sich die Rechts- lage für misshandelte Frauen und Kinder gegenüber dem gewalttätigen Lebenspartner oder Ehemann erheblich verbessert.
Nach 25 Jahren Frauenhausbewegung - die Anne Lütkes lange aktiv mitgetragen hat - ist es jetzt endlich möglich, den Grundsatz „Wer schlägt, der geht“ auch in die Tat umzuset- zen. Die Familiengerichte können die Wohnung den Frauen und Kindern zuweisen. Da- mit Frauen ein echtes Wahlrecht haben, ob sie Zuflucht etwa in einem Frauenhaus su- chen oder die Wohnung zugewiesen haben wollen, hat Anne Lütkes mit dem Landesin- nenminister vereinbart, dass in Schleswig-Holstein das polizeiliche Wegweisungsrecht eingeführt wurde.
Anne Lütkes hat die landesweite Koordination der Beratungsstrukturen (KIK SH) intensi- viert und ausgeweitet.
Der Verfassungssatz “Männer und Frauen sind gleichberechtigt” (Art.3 GG) ist noch im- mer nicht alltägliche Normalität. Gleichberechtigung erfordert Gleichstellung. Mit der Er- neuerung der Kommunalverfassung wird die Stellung der Gleichstellungsbeauftragten verstärkt. Sie erhalten auf unseren Vorschlag hin ein Widerspruchsrecht gegen Ent- scheidungen des Bürgermeisters, die gleichstellungspolitisch bedenklich sind und sie er- halten Schutz gegen willkürliche Abwahl und Kündigung.
Tatsächliche Gleichberechtigung verlangt die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit. Dies ist ein Schwerpunkt der Arbeit des Frauenministeriums. Eine intensive Zusammenarbeit mit Wirtschaftsverbänden und Unternehmen auch bei der Verbesserung der Ausbildungschancen für Mädchen ist ein- geleitet. Mentoringprogramme, Informationsmessen und IT-Schulungen sind einige Bau- steine.
Das Prinzip des Gender mainstreamings ist durch dem Amsterdamer Vertrag für alle EU- Länder Verpflichtung. Die Beachtung der Gleichheit, aber auch der Differenz in den Le- bensbedingungen der Frauen und der Männer, die Beachtung der materiellen Notwen- digkeiten, die sich aus diesen Unterschiedlichkeiten bei jedem Verwaltungshandeln er- geben, das ist das Ziel des Genderprogramms des Frauenministeriums. Ziel von Anne Lütkes ist es, die Verantwortlichkeit für die Einhaltung des Genderprinzips bei den Einzel- ressorts anzusiedeln,


Bürgerrechte und öffentliche Sicherheit

Das wichtigste Ereignis des letzten Jahres für Lesben und Schwule war sicherlich das Gesetz für die eingetragene Partnerschaft, an dessen Vorbereitungen gerade die rot- grünen Länder Schleswig-Holstein und Hamburg ihren besonderen Anteil hatten. Bereits 214 schwule Männer und 112 lesbische Frauen haben seitdem den Lebensbund ge- schlossen.
Als Fortsetzung liegt der Entwurf eines Bundes-Antidiskriminierungsgesetzes ebenfalls vor.
Der Rechtsradikalismus war sowohl im Parlament als auch in der Regierung mehrfach Thema. Schleswig-Holstein setzt hier auf die runden Tische vor Ort, auf Aussteigerange- bote und auf abgestimmte Strategien bei rechtsradikalen Aktionen. Die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft wurde verbessert, damit unter anderem mehr gerichtsverwertbare Tatsachen festgehalten werden. Die notwendige Arbeit im Bereich der Jugendhilfe zur Prävention und Stärkung demokratischer Kultur wurde durch das Justizministerium fortgesetzt und ausgebaut. Beispielsweise wurden Komplementärmittel für Projekte aus dem XENOS-Programm im Haushalt eingestellt.
Das finanziell größte Vorhaben im Justizbereich ist die Renovierung der Justizvollzugs- anstalten in Neumünster, Lübeck und Kiel. Eine solche Modernisierung sichert die mo- dernen Resozialisierungskonzepte, die unabdingbarer Bestandteil grüner Strafvollzugs- politik sind. So wurde zum Beispiel in der JVA Neumünster eine IT-Werkstatt zusammen mit dem Berufsbildungswerk eingerichtet. Die bundesweit vorbildliche Jugendanstalt Schleswig ist der Bildung und Ausbildung junger Straftäter verpflichtet. Gelungene Reso- zialisierung ist auch immer vorbeugender Opferschutz.
Die Modernisierung der Justiz hat drei Aspekte: Es geht darum, bürgerrechtliche Stan- dards zu wahren ( zum Beispiel bei der Reform der Zivilprozessordnung), es geht auch um verantwortlichen Umgang mit Finanzbudgets, zum Beispiel durch Automatisierung von Mahnverfahren, es geht aber auch darum, die Justiz „wirksamer“ zu machen. So wurde das “Vorrangige Jugendverfahren” eingeführt. Das heißt, Strafsachen von Jugend- lichen werden von allen Beteiligten mit höchster Priorität behandelt, damit die Jugendli- chen nicht Monate lang auf ihr Verfahren warten und den Eindruck gewinnen, Gesetzes- verstöße hätten keine Folgen.
Leider nimmt die Zahl der Streitsachen vor Gericht immer mehr zu. Es sind geringfügige Nachbarschaftsstreitigkeiten oder Auseinandersetzungen um geringe Streitwerte, die die Zivilrichter bis zu 40 Prozent ihrer Arbeitszeit belasten. Wir brauchen eine andere Streit- kultur in der Gesellschaft, die die Menschen befähigt, Konflikte außergerichtlich zu re- geln. Anne Lütkes hat ein Landesschlichtungsgesetz vorgelegt, das bei Streitigkeiten mit unter 767 Euro Streitwert ein Schiedsverfahren zur Pflicht macht (ähnlich dem Ombuds- mann in Skandinavien). Dies kann von Schiedsleuten, einer Gütestelle oder von Anwäl- ten durchgeführt werden.
Anne Lütkes hat als einzige grüne Justizministerin, ebenso wie als einzige grüne Frauen- und Jugendministerin, sich an zahlreichen bundespolitischen Auseinandersetzungen be- teiligt. Schleswig-Holstein hat die Reform des Schuldrechts ebenso mitgestaltet wie die Reform der Zivilprozessordnung.
Besondere rechtspolitische Bedeutung hatte die Diskussion über die Sicherheitsgesetze von Bundesinnenminister Schily in Folge des 11. September und beim Einwanderungs- gesetz. In diesen Debatten hat Schleswig-Holstein stets die liberale Speerspitze darge- stellt und regelmäßig die Positionen der grünen Bundestagsfraktion gegen die Schily- Positionen unterstützt, während die angeblich liberale FDP zum Teil mit den CDU- Ländern gestimmt hat.
In Schleswig-Holstein haben wir uns gegen eine Ausweitung der Polizeirechte erfolgreich gewehrt. Einzige Ausnahme ist eine sehr genau eingeschränkte Zulassung der Raster- fahndung, um mögliche Schläfer zu finden. Wir haben die Rasterfahndung anders als in anderen Bundesländern von einer gerichtlichen Entscheidung abhängig gemacht und durch die zeitliche Befristung die Evaluierung gesichert. .
Wir Grünen stehen zu einer leistungsfähigen Polizei, denn die Sicherheit in unseren Städten ist ein Stück Lebensqualität. Angesichts der knappen Mittel haben wir dabei vor- rangig auf die Modernisierung durch bessere Ausstattung gesetzt: In diesem Jahr wer- den moderne PCs anstelle alter Schreibmaschinen installiert, alle Polizisten mit leichten Schutzwesten aus Teflon ausgerüstet und schrittweise Leasingautos eingeführt, damit die Polizei nicht mehr mit über zehn Jahre alten Fahrzeugen herumfährt.
Ein besonderes Anliegen grüner Politik bleibt unverändert die Flüchtlingspolitik. Die fi- nanzielle Absicherung der Beratungsstelle für Folteropfer REFUGIO, in der bereits Hun- derten von traumatisierten Flüchtlingen geholfen werden konnte, ist ein persönlicher Er- folg von Angelika Birk.
Es gab einige schwierige Fälle, die wir regeln konnten. Insgesamt kann ich feststellen, dass unter dem neuen Innenminister Schleswig-Holstein das humane Aushängschild un- ter den Bundesländern bleibt und der Minister Klaus Buß in gewohnter Weise vertrau- ensvoll mit uns zusammenarbeitet.
Die Landesregierung hat auf unser Mitwirken hin ein geschlossenes Integrationskonzept für Einwanderer vorgelegt, das in der Beratung ist. Schwerpunkte sind das Erlernen der deutschen Sprache, die kulturelle Akzeptanz und die Integration in den Arbeitsmarkt. Die Einbeziehung der Jugendlichen – und auch der Immigrantenbetriebe – in das deutsche Berufsausbildungssystem spielt eine besondere Rolle.
Mit einer großen Anfrage der Grünen zur Gesundheitssituation der MigrantInnen wurde dieses Thema zum ersten Mal behandelt und Konsequenzen beraten.


Wir haben Erziehung und Bildung ins Zentrum der Politik gerückt

Wir haben die Zukunft von unseren Kindern nur geborgt – diese Aussage gilt heute mehr denn je. Deshalb ist die Jugend- und Bildungspolitik der einzige Bereich des Landes, der trotz aller Sparmaßnahmen weiter wächst. Dies gilt in erster Linie für die Schulen, wo wir in dieser Legislaturperiode jedes Jahr 200 zusätzliche LehrerInnen einstellen werden.
Mit der PISA-Studie ist der Weg eröffnet, die dringend notwendige Bildungsdebatte in diesem Land zu führen.
Mit der Erarbeitung des Beschlusses des Grünen Landeshauptausschusses und der Er- öffnung der Diskussion um das kostenlose Kindergartenjahr haben wir erste Signale ge- setzt.
Wir haben den Weg in Richtung Ganztagsschulen durch einen Landtagsbeschluss frei- gemacht. Nun geht es um die Mobilisierung der notwendigen Mittel. Dabei müssen wir Druck auf unsere Bundespartei ausüben. Die Schule der Zukunft soll aus grüner Sicht ein Bildungs-, Kultur- und Lebenszentrum am Ort oder im Stadtteil sein, das ganztägig geöffnet ist und neben Unterricht, Schularbeitenhilfe auch Weiterbildung, Volkshochschu- le, Arbeitsgemeinschaften, Jugendarbeit, Sport, Tanz und Kultur integriert. Deswegen haben wir die Zusammenarbeit der Jugendhilfe und der Schule zu einem Schwerpunktvorhaben im Koalitionsvertrag gemacht. Mittlerweile wurde die Jugendförde- rung neu strukturiert. Die Landesregierung hat ein entsprechendes Konzept verabschie- det und stellt Fördermittel zur Verfügung.
Anne Lütkes hat als Mitglied der Arbeitsgruppe Kinderpolitik beim Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen an der Neuformulierung einer grünen Politik für ein Leben mit Kindern maßgeblich mitgearbeitet.
Bestätigt fühlen wir uns auch in unserem Engagement, die Schulen autonomer zu gestal- ten. Mit dem Konzept des Bildungsministeriums zur Umwandlung der Berufsschulen in Berufsbildungszentren ist ein erster Schritt zur Bildung von autonomen Schulzentren konkreter geworden. Ein großer Erfolg ist die neugeschaffene Möglichkeit, dass Schulen Lehrkräfte selbst aussuchen. Dies ist von vielen Schulen begeistert aufgenommen wor- den. Nun wollen wir nach dem Motto “Geld statt Stellen” die finanzielle Autonomie der Schulen weiter stärken.
Die Schulen in freier Trägerschaft erhalten in Zukunft höhere Schülerkostensätze und Zuschüsse für ökologisch vorbildliche Neubauten.
Mit unserem Konzept für die Neuordnung der Lehrerausbildung haben die Grünen einen viel beachteten Vorschlag gemacht. Nach unserer Vorstellung sollen die Lehramtsstu- dentInnen von Anfang an in den Schulen die Praxis erfahren. Zugleich sollen Pädagogik, moderne Mediendidaktik einschließlich Elternarbeit und Kinderpsychologie ein wichtiger Teil der Ausbildung werden.
Eine heftige Auseinandersetzung mit unserem Koalitionspartner gab es Ende letzten Jahres um die Standards der Kindertagesstätten. Es war ein großer Erfolg, dass es uns gelang, Kindertagesstätten und Verbände auch mit Hilfe unserer Kreisverbände zu mobi- lisieren. So konnten wir gegenüber der SPD durchsetzen, dass die pädagogischen Stan- dards bleiben und die Gruppengrößen nicht erhöht werden.
Die Entwicklung der Hochschulen steht vor dem Spagat, trotz knapper Mittel die notwen- digen Reformen voranzutreiben und neue Schwerpunkte zu setzen. Die Hochschulen haben eigene Budgets bekommen und sollen auf Grundlage von Zielvereinbarungen ar- beiten. Durch die Verselbständigung der Unikliniken und die Reduzierung der Medizin- studienplätze sollen die nötigen Ressourcen gewonnen werden, um dort, wo es notwen- dig ist, neue Akzente zu setzen.
Es stellt sich nun heraus, dass die notwendige Strukturreform von den Hochschulen poli- tischer Entscheidungen bedarf. Wir streben an, dass diese Entscheidungen auf Basis ei- nes Berichts der “Expertenkommission” noch in diesem Jahr fallen.
Weitere Schwerpunkte unseres Konzeptes zur Hochschulentwicklung, mit dem sich die Fraktion in die Debatte eingemischt hat, sind der Ausbau der Evaluation von Lehre und Forschung, die Internationalisierung der Studiengänge, die Erleichterung der Arbeitsauf- nahme für ausländische Studenten, die Verkürzung von Studiengängen, die leistungsori- entierte Besoldung der ProfessorInnen und die Einführung von JuniorprofessorInnen an- stelle der Habilitation, um nur einige Stichpunkte zu nennen.


Verwaltung – Kommunen – Finanzen

In der letzten Legislaturperiode sind wir mit dem Ziel, die Neuverschuldung deutlich zu senken, gescheitert - trotz massiver Einsparungen.
Durch die Steuersenkungen, die Rentenreform und Erhöhung der Leistungen für Famili- en, darunter die dreimalige Erhöhung des Kindergeldes auf jetzt 153 Euro hat der Lan- deshaushalt erneut große Einbrüche zu verkraften. Wir haben diese Veränderungen ge- wollt, um Arbeitsplätze zu schaffen und um die Situation der Familien zu verbessern. Ohne diese Ausfälle würden wir im Landeshaushalt bereits 2005 schwarze Zahlen schreiben.
Eine Senkung der Neuverschuldung wird nur möglich sein, wenn in allen Bereichen alle Einsparmöglichkeiten ausgenutzt werden. Dazu stehen wir, auch wenn das manchmal nicht leicht ist.
Diese Einsparungen treffen alle Ministerien. Sie sind nur möglich, wenn auch beim Per- sonal gespart wird. In den letzten fünf Jahren sind kontinuierlich Stellen in den Landes- verwaltungen und Ministerien abgebaut worden. Auch an einer Erhöhung der Arbeitszei- ten der BeamtInnen sind wir nicht mehr vorbei gekommen, so schwer es uns gefallen ist. Da die Grund- Haupt- und SonderschullehrerInnen heute bereits länger arbeiten als im Bundesdurchschnitt, haben wir sie davon ausgenommen, nicht jedoch die Gymnasial-, Gesamt- und BerufsschullehrInnen, die zur Zeit eine halbe bis eine Stunde unter dem Bundesdurchschnitt liegen.
Eine schwierige Entscheidung war die Kürzung der Zuschüsse an die Kommunen. Dabei haben wir eine Veränderung des Schlüssels durchgesetzt, um die extremen ungleichen Belastungen zwischen den wohlhabenden und den ärmeren Kommunen und Kreisen ab- zufedern.
Mit der Reform des Landesministergesetzes wird die Überversorgung bei den Altersbe- zügen abgeschafft. Dies ist ein persönlicher Erfolg von Monika Heinold, die dies feder- führend vorangetrieben hat. Nun wurde eine Diätenkommission eingesetzt, die die Abge- ordnetenbezüge überprüft.
Um die Kontrolle von Beteiligungen des Landes zu verbessern, wurde auf unsere Initiati- ve ein Ausschuss des Landtages zur Beteiligungskontrolle gebildet. Wir stehen zu dieser Sparpolitik, weil sie Vorsorge für die kommende Generation bedeu- tet. Aber die Schwerpunkte der Politik müssen erkennbar erhalten bleiben.
Die originären Aufgaben des Landes (Bildung, Innere Sicherheit, Justiz und Steuerver- waltung) müssen bezahlt werden können. Zugleich muss Politik Schwerpunkte setzen. Ein Schwerpunkt ist die weitere Stärkung von Bildung und Erziehung, ein anderer ist – für uns als grüne Partei – natürlich die Umweltpolitik.
Die Sparpolitik darf nicht überproportional auf Kosten der Schwachen gehen: Dazu gehö- ren unter anderem die Minderheiten, die Flüchtlinge und die Eine-Welt-Arbeit. Das Gleichgewicht bei den Investitionen für die Straße einerseits und für Schiene, Schiff und Fahrrad andererseits wollen wir erhalten. Die Umstellung auf eine neue Landwirtschaft muss durch Umschichten sichergestellt sein.
Insbesondere müssen die Grünen mutiger als bisher die Frage der Sozialen Gerechtig- keit thematisieren. Deshalb haben wir in Schleswig-Holstein erfolgreich Landtagsanträge zur Wiedereinführung der Vermögenssteuer, zur Aufhebung des Bankgeheimnisses und zur Reform der Erbschaftssteuer in den Landtag eingebracht und diese Themen zur offi- ziellen Politik des Landes im Bundesrat gemacht. Wir vertreten diese Position auch un- ablässig in den Bund-Länder-Treffen der grünen Fraktionen.


Rot-Grün lohnt sich

Bei allen schwierigen Entscheidungen kann man feststellen, dass die rot-grüne Zusam- menarbeit in Schleswig-Holstein funktioniert. Günstig ist, dass die Opposition bislang durch die Orientierungslosigkeit der CDU geschwächt ist.
Die FDP wechselt zwischen verlogenen Angriffen auf die Grünen und Versuchen, sich gnadenlos bei der SPD anzubiedern in ihrem ständigen Bemühen, einen Spaltkeil in die Koalition zu treiben.
Die CDU ist nach einer Modernisierungsphase nach dem Amtsantritt des neuen Landes- vorsitzenden Wadephul (Aufgabe des Widerstands gegen Gesamt- und Ganztagsschu- len) mit dem Machtkampf um den Fraktionsvorsitz beschäftigt. Zugleich fällt sie zuneh- mend wieder in ihre klassischen Politikmuster zurück (Innenpolitischer Populismus, Be- dienung der Landwirtschaftslobby, populistischer Widerstand gegen Reformvorhaben durch Versprechen an die Betroffenen).
Die Bilanz zeigt, dass es auch in Zeiten knapper Kassen möglich ist, grünes Profil deut- lich zu machen. Die Koalition bietet uns die Möglichkeit, Veränderungen in Richtung un- serer Ziele zu realisieren.

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