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21.03.02
11:39 Uhr
B 90/Grüne

Irene Fröhlich zur Großen Anfrage zu Zielen und Instrumenten des Naturschutzes

Fraktion im Landtag PRESSEDIENST Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel TOP 8 – Große Anfrage „Ziele und Instrumente des Naturschutzes in Schleswig-Holstein“ - Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Telefax: 0431/988-1501 Dazu sagt die umweltpolitische Sprecherin Mobil: 0172/541 83 53 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Irene Fröhlich: Internet: www.gruene-landtag-sh.de

Nr. 083.02 / 21.03.2002


Unter grünen Umweltministern wurden die Naturschutzflächen mehr als verdoppelt
Natur und Landschaft Schleswig-Holsteins werden, wie überall in Deutschland, fast flä- chendeckend intensiv genutzt. Die natürlichen Grundlagen des Lebens werden dadurch stark beeinträchtigt.
Ziel grüner Politik ist es, die Landschaft in ihrer Gesamtheit, ihre Entwicklung, Vielfalt, Ei- genart und Schönheit und ihre Funktion als Lebensraum für möglichst viele wildlebende Tier- und Pflanzenarten zu bewahren oder wieder herzustellen. Der Mensch ist in diese Zielsetzung ausdrücklich eingebunden, weil Landschaft als Wirtschafts- und Erholungs- raum benötigt wird. Diese verschiedenen Ansprüche an Natur und Umwelt müssen in für diese verträglicher Weise umgesetzt werden. Landschaftsverbrauch und Landschafts- nutzungen sollen sich dabei am Maßstab der Nachhaltigkeit ausrichten und auf das Not- wendige und vertretbare Maß begrenzt werden.
Die rot-grüne Landesregierung hat bei ihren Bemühungen um die Verbesserung schon viel erreicht - 1995 standen 3,2 Prozent der Fläche des Landes unter Schutz und 22,8 Prozent der Wasserfläche bis zur 12 Seemeilen-Zone. Heute haben sich beide Schutz- flächen mehr als verdoppelt: an Land sind es 6,6 Prozent, zu Wasser 57,4 Prozent.
Positives ist auch aus dem Nationalpark zu vermelden: Seit acht Jahren werden gemein- sam mit Dänemark, den Niederlanden und den anderen deutschen Wattenmeer- Nationalparken im Nationalpark „Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer“ Umweltbeo- bachtung als dauerndes Programm durchgeführt. Dabei werden mehr als 30 Parameter untersucht. Die ökologische Situation im schleswig-holsteinischen Wattenmeer ist insge- samt gut. Zu diesem Ergebnis kommt der Bericht "Wattenmeermonitoring 2000". Diese Gesamtbewertung soll allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass eine differenzierte Betrachtung Licht und Schatten zeigt.
Zu den positiven Ergebnissen gehört zweifellos, dass die Gesamtfläche der Salzwiesen deutlich zunimmt. Über einen Zeitraum von acht Jahren betrug der Zuwachs rund zehn Prozent. In diesem Jahr erblühten auf 42 Prozent der Vorländer an der Westküste wieder die Salzwiesenpflanzen; 1989 lag der Anteil bei nur einem Prozent. Vegetationskartie- rungen zeigen darüber hinaus eine zunehmende Artenvielfalt, von der auch die seltene Tierwelt der Salzwiesen profitiert. Das Vorlandmanagement-Konzept unterstreicht deut- lich, dass Küsten- und Naturschutz kein Widerspruch sind.
Auch die Bestände anderer Pflanzen- und Tierarten im Wattenmeer vergrößerten sich in den vergangenen Jahren. So gibt es mehr Seegrasflächen und die Zahl der Seehunde nahm weiter zu. 19 Rastvogelarten haben zunehmende Bestände und die Zahl brütender Seeregenpfeifer erhöhte sich um 20 Prozent.
Die Wissenschaftler des Nationalpark-Amtes berichten allerdings auch über die nach wie vor unnatürlich hohen Nährstoffgehalte im Wattenmeer. Stickstoffverbindungen, die aus der Landwirtschaft, Haushalten und dem Verkehr stammen, gelangen durch die Flüsse und mit der Luft in das Wattenmeer und führen dort zu dauerhaften Veränderungen. Auch vom Menschen eingeschleppte Arten wie die Pazifische Auster und das Englische Schlickgras verändern das Ökosystem. Eisgang und Orkane zerstörten natürliche Mies- muschelbestände im Gezeitenbereich; ihre Fläche ging von 3000 Hektar im Jahr 1989 auf heute 1000 Hektar zurück. Hier ist noch viel zu tun!
Doch zurück zur Situation an Land: Ziel grüner Naturschutzpolitik ist es, 15 Prozent der Landesfläche als ökologische Vorrangflächen zu sichern und im Rahmen eines Vorrang- flächen- und Biotopverbundes zu vernetzen. Bis 2004 sollen es entsprechend den Vor- gaben des gerade novellierten Bundesnaturschutzgesetzes bereits knapp zehn Prozent sein. An dieser Stelle möchte ich dann einmal sowohl dem Bundesumweltminister Jürgen Trittin als auch dem Landesumweltminister Klaus Müller meine Anerkennung für die Er- folge aussprechen, die sie gerade im Bereich des Naturschutzes zu verbuchen haben.
Die Ausweisung von Naturschutzgebieten wird zügig vorangetrieben. Mittelfristig soll die Naturschutzfläche von derzeit 2,5 Prozent (Stand: 31. Dezember 1997) auf vier Prozent erhöht werden.
Für Schleswig-Holstein sollen die Werte und Funktionen des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes flächendeckend erfasst und daraus Aussagen über die Landschafts- planung abgeleitet werden. In der Großen Anfrage wird eindrucksvoll dargestellt, wie die Planungen auf Landes- und auf kommunaler Ebene ineinander greifen. Bis zum Ende der Legislaturperiode liegen für alle fünf Planungsräume im Land aktuelle Landschafts- rahmenpläne vor. Bereits 80 Prozent der Städte und Gemeinden Schleswig-Holsteins haben derzeit Landschaftspläne vorliegen oder bereiten sie vor. Das Land hat mit För- dermitteln dazu beigetragen, auf örtlicher Ebene ein Verständnis für ökologische Zu- sammenhänge zu wecken, die Diskussion zu fördern und gleichzeitig Maßnahmen des Naturschutzes zu entwickeln.
Zukünftig sollen gefährdete Arten und Biotope verstärkt in Form von Kooperationen mit anderen Partnern erhalten werden - zum Beispiel über freiwillige Vereinbarungen. Ein sehr positives Beispiel stellt auch hier der Nationalpark „Schleswig-Holsteinisches Wat- tenmeer“ dar. Zwei Jahre nach der Novelle des Nationalpark-Gesetzes wurden bis heute mit acht Gruppen freiwillige Vereinbarungen geschlossen. Mit den Wassersportlern wur- de ein Verhaltenskodex entwickelt, der Seehunde und Enten vor Beunruhigung schützt. Die Hälfte der hundert Wattführer haben eingewilligt, eine Qualifizierung zum „National- park-Wattführer“ zu machen. Zwei Reedereien tragen die Auszeichnung „Nationalpark– freundlich“. Darüber hinaus wurden mit Nebenerwerbsfischern, mit Jugendherbergen, mit einem Flughafen und den Anrainergemeinden Vereinbarungen getroffen. Zehn Hotels der Region haben sich verpflichtet, ihre Gäste intensiv über den Nationalpark zu infor- mieren.
Der Grunderwerb bleibt ein wichtiges Instrument im Naturschutz, und der Vertragsnatur- schutz ist ein weiteres. Wir werden ihm besonders im Bezug auf die Landwirtschaft Ge- wicht beimessen. Mir ist es seit langem ein Anliegen, dass sich Naturschutz und Land- wirtschaft als Partner begreifen. VerbraucherInnen sind aufmerksamer und kritischer ge- worden.
Im Landeshaushalt 2002 stehen 3,9 Millionen Euro für neue Vertragsabschlüsse beim Vertragsnaturschutz bereit. Ziel des Vertragsnaturschutzes ist es, artenreiches Grünland in Schleswig-Holstein zu erhalten. Deshalb schließt das Umweltministerium in Förderge- bieten mit Landwirten auf freiwilliger Basis und für fünf Jahre Bewirtschaftungsverträge ab. Zur Zeit wirtschaften rund 900 Landwirte auf 7.200 Hektar nach den Vorgaben des Vertragsnaturschutzes. Zehn Vertragsvarianten machen es möglich, einzelne Betriebs- flächen weniger intensiv und natur- und artenschutzgerecht zu nutzen. Dafür zahlt das Land zwischen 125 und 280 Euro pro Hektar und Jahr. Die Vertragsabwicklung über- nimmt die Schleswig-Holsteinische Landgesellschaft mbH.
Dort, wo es möglich ist, sollen die Ausgleichsmaßnahmen zu Ausgleichsflächenpools gebündelt werden. Mit ihrer Hilfe können oft wirksamere Maßnahmen getroffen werden, als es bei vielen einzelnen kleinen Maßnahmen der Fall wäre.
Ob das ausreicht, um zum Beispiel die Weidemast auf der Halbinsel Eiderstedt zu erhal- ten, prüfen wir zur Zeit. Besonders dieses Beispiel aber zeigt, wie unbedingt notwendig das Zusammenspiel von Naturschutz und Landwirtschaft ist. Eiderstedts Kulturlandschaft ist eine der wichtigsten Brutgebiete für Wiesenvögel in ganz Deutschland und übertrifft sogar die Eider-Treene-Sorge-Niederung noch deutlich. Voraussetzung hierfür ist aber neben den Kleieböden des unmittelbaren Küstenraumes vor allem die extensive Art und Weise, in der auf Eiderstedt Bullen gemästet werden. Wenn nun auf Grund der BSE- Krise die Weidemasthaltung in eine Krise geraten ist und vielfach durch intensive Acker- wirtschaft ersetzt wird, so hat dies gleich vielfältige Folgen: für die Landwirte selber, für die Wiesenvögel, für das Landschaftsbild und damit auch für den Tourismus und die Wirtschaft einer ganzen Region. Dies macht noch einmal deutlich, wie sehr sich die heu- tige, immer industrialisiertere Landwirtschaft an Massenproduktion orientieren muss und wie weitreichend die Folgen sind.
Um unser Ziel zu erreichen, 15 Prozent der Landesfläche als Natur-Vorrangflächen aus- zuweisen, wollen wir in Zukunft verstärkt folgende Instrumente nutzen: • die verschiedenen Naturschutz- und Artenschutzprogramme, die sich konzentrieren auf das Biotopverbundsystem und das europäische Netz Natura 2000 • die EU- Wasserrahmenrichtlinie • den integrierten Fließgewässerschutz, der durch ein Seenprogramm ergänzt wird • das Programm für die Wiedervernässung der Niedermoore, das im Oktober 2001 vom Kabinett beschlossen wurde. Die Niedermoore sollen wieder vernässt werden, damit sie ihre Funktion als Lebensraum aber auch als Nährstoffsenke wieder aufnehmen können. Nebenbei leisten diese Feuchtgebiete einen Beitrag zum Klimaschutz, da sie das Treibhausgas Kohlendioxid binden. Insgesamt sollen 32.000 Hektar Nutznießer dieses Programms werden. • ein neues Biotopwaldprogramm, mit dem es uns gelingen sollte, die Neuwaldbildung in Schleswig-Holstein deutlich voran zu treiben und gleichzeitig die überragende Bil- dungs- und Erholungsfunktion des Waldes im Blick zu behalten.
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