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25.01.02
15:18 Uhr
CDU

Herlich Marie Todsen-Reese: Bericht wird der Bedeutung des Themas nicht gerecht

LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N

Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.landsh.de/cdu-fraktion/ e-mail:fraktion@cdu.landsh.de
PRESSEMITTEILUNG Nr. 46/02 vom 25. Januar 2002

TOP 24 Herlich Marie Todsen-Reese: Bericht wird der Bedeutung des Themas nicht gerecht
Mit dem Bericht zur biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein steht ein anspruchsvolles wichtiges und sehr facettenreiches Thema auf der Tagesordnung. Seit April 2001 hatte die Landesregierung Zeit, diesen Bericht zur biologischen Vielfalt zu erstellen. Und seit 1988 hatte diese Landesregierung in wechselnden Farbschattierungen von Rot bis Rot-Grün nicht nur die Chance, sondern auch die Pflicht, die biologische Vielfalt zu sichern.

Leider wird weder der jetzt vorgelegte Bericht noch die Arbeit der Landesregierung in den vergangenen 13 Jahren der Bedeutung des Themas gerecht. Insbesondere wenn man sich den Wert der biologischen Vielfalt vor Augen führt, wird offensichtlich, wie oberflächlich und substanzlos dieser Bericht ist.

Umweltverbände und Vertreter der Naturschutzverwaltungen haben sich schon in den 70er Jahren für die Erhaltung und Förderung der biologischen Vielfalt stark gemacht – z. B. unter dem Motto „Artenvielfalt ist Lebensqualität“.

Seit der Unterzeichnung der „Biodiversitätskonvention“ im Juni 1992 durch 168 Staaten ist der Begriff „Biodiversität“ sehr viel deutlicher in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Inzwischen wird die Erhaltung und Weiterentwicklung der biologischen Vielfalt als prioritäres Ziel verfolgt und 179 Staaten und die Europäische Union sind der Konvention beigetreten.

Allzu häufig wird der Begriff „Biodiversität“ sehr vereinfacht verstanden als: je vielfältiger desto besser. Oder aber eine geringe Vielfalt wird von vornherein negativ bewertet. Biodiversität ist aber mehr als das (auf-) zählen von Organismenarten oder das Vergleichen mit Roten Listen. Und es ist auch mehr als nur Artenvielfalt.

„Biodiversität“ oder übersetzt „biologische Vielfalt“ meint die Vielfalt des Lebens auf der Erde von der genetischen Vielfalt über die Artenvielfalt bis hin zur Vielfalt der Ökosysteme. Um die Bedeutung der Biodiversität noch einmal deutlich zu machen, zitiere ich aus Berendsohn, Häuser und Lampe (1999) – Biodiversitätsinformatik in Deutschland, Bonner Zoologische Monographien Nr. 45.

„Die gesamte Vielfalt organismischen Lebens (Biodiversität) stellt die für die Sicherung der menschlichen Existenz bei weitem wichtigste und zugleich die am kompliziertesten strukturierte, natürliche Ressource unseres Planeten dar. Verfügbarkeit und allgemeiner Zugang zu grundlegenden Informationen über die globale Biodiversität sind daher von entscheidender Bedeutung für die zukünftige Entwicklung der Menschheit und werden zunehmend von politischer Seite gefordert, so z. B. im Rahmen der Biodiversitätskonvention durch das OECD-Megascience- Forum und verschiedene Initiativen der G 7-Staaten“.

Vor diesem Hintergrund reicht die mit dem Bericht vorgelegte Aneinanderreihung von Daten und Fakten ohne deren vernetzte Betrachtung, Auswertung, Analyse und Bewertung keineswegs aus. Eine nachvollziehbare Darstellung, wie es um die Biodiversität in Schleswig-Holstein bestellt ist, vermag ich nicht zu erkennen. In diesem Sinn wäre es wichtig und interessant gewesen, nicht nur auf S. 4 einen kurzen Hinweis auf die durchgeführte Biotopkartierung zu geben, sondern deren Ergebnisse darzustellen und zu bewerten! Diese inhaltliche Auseinandersetzung mit der Biotopkartierung fehlt völlig.

Gerade dieses Instrument bietet aber – wenn professionell und landesweit einheitlich angewandt – eine sehr gute Möglichkeit, die biologische Vielfalt in einem definierten Raum aufzunehmen. Allerdings ist eine kontinuierliche Fortschreibung, Überarbeitung und Weiterentwicklung erforderlich, damit das Bild immer aktuell ist (durchgeführt 1979 bis 1991; d. h. seit 10 Jahren nicht mehr!

Die Informationen über die Roten Listen sind zum Teil unvollständig, aber auch falsch. So werden zunächst einmal die „klassischen“ Roten Listen auf Bundesebene vom Bundesamt für Naturschutz herausgegeben. Darüber hinaus werden inzwischen auch spezielle Landeslisten herausgegeben. Wenn es allerdings auf S. 5 unten heißt: „In abgestuften Gefährdungskategorien wird der Einfluss des Menschen auf die Artenvielfalt dargestellt.“ so ist diese Behauptung falsch und polemisch. Rote Listen sind und bleiben Verzeichnisse, d. h. Auflistungen von Tier- und Pflanzenarten und bei keiner der auf den S. 13 bis 15 genannten in Schleswig-Holstein verwandten Kategorien gibt es konkrete Angaben über die Gefährdungsursachen – auch nicht über die Einflussnahme durch den Menschen! Richtig ist zwar, dass Rote Listen keinen direkten Verordnungs- oder Richtliniencharakter haben. Und die Behauptung auf S. 6 „das Rote Listen an sich keinerlei Rechtsfolgen nach sich ziehen.“ mag formal korrekt sein. Faktisch aber spielt die Anwesenheit von Arten der Roten Liste eine erhebliche Rolle. Zum Beispiel als Begründung für die Ausweisung von Schutzgebieten, bei der UVP und bei der Eingriffs-Ausgleichsregelung. Die Verfasser des Berichtes tun gerade so, als hätten sie noch nie etwas vom Wachtelkönig und der A 20 gehört oder vom Mühlenberger Loch und dem Wasserschierlingsfenchel. Die kennen ja sogar der Wirtschaftsminister und die Ministerpräsidentin im Schlaf!

Dieses sind nur wenige Beispiele für eine ganze Reihe von Ungenauigkeiten und zum Teil auch unkorrekten Angaben.

(Banal ist auch die Aussage auf S. 11 oben „für die Ökologie von Bedeutung“ sind zweifelsfrei alle Arten. Es ist durchaus sinnvoll, sich über abgestufte Bedeutungen und Gefährdungen von Arten Gedanken zu machen – auch im Zusammenhang mit Roten Listen.)

Mehr als fragwürdig sind die Aussagen auf den S. 17 bis 28 zu den Neozoen und Neophyten – den gebietsfremden Tier- und Pflanzenarten. Es wird klar eingeräumt, dass das Wissen über diese Arten und Artengruppen noch sehr lückig und unvollständig ist – und zwar auch was die Artenzahlen und die ökologischen Auswirkungen betrifft.

Interessant ist auch Ihre Einschätzung zur Bedeutung der eingebürgerten Arten für die Ökosysteme auf S. 23 Punkt 2.2 - ich zitiere: „Aufgrund der hohen Komplexität ökologischer Systeme ist es nur in wenigen Fällen möglich, die Bedeutung eingebürgerter Arten für die jeweiligen Ökosysteme umfassend darzustellen. Hinzu kommt, dass in vielen Fällen bis heute nicht genügend Daten zur Verfügung stehen, um die Folgen der jeweiligen Einbürgerung auch nur im Ansatz bewerten zu können“.

Welch neue Töne – wenn ich an die rigorosen Diskussionen über autochthone und allochthone Arten und die Forderungen nach Ausrottung von Muffel –und Sikawild denke. Oder wenn ich nur im Entwurf des Landschaftsprogramms (S. 256) die Passage zur Verwendung heimischer Stauden und Gehölze im städtischen Bereich sowie die detaillierte naturnahe Pflege von Gärten und Grünanlagen ansehe.

Ihr bisheriger ideologischer Ansatz schlägt dann leider im Fazit auf S. 27 Punkt 2.2.3 wieder voll durch: - ich zitiere „die o. g. Beispiele zeigen, dass es im Zusammenhang mit Neozoen und Neophyten zu ökonomischen, vor allem aber zum Teil erheblichen ökologischen Problemen kommen kann. Gebietsfremde, invasive Arten können einen wichtigen Faktor für den Rückgang der bodenständigen biologischen Vielfalt sein.“

Ich kann nicht erkennen, dass Sie mit Ihrem kümmerlichen Bericht auch nur im Ansatz die Grundlage für den Beweis für eine so weitreichende Behauptung geliefert haben. An dieser Stelle und zu diesem Thema hätte ich mir eine sehr viel differenziertere inhaltliche Auseinandersetzung gewünscht.

Wir können doch die Auseinandersetzungen um die Bewertung von Neozoen und Neophyten nicht mehr in der Art und Weise von Glaubenskriegen führen. Entscheidend ist doch, dass wir sachlich, fachlich fundiert untersuchen, ob das Auftauchen von gebietsneuen Pflanzen- und Tierarten in Ökosystemen positiv oder negativ zu bewerten ist. Verändern sich die Strukturen und die Funktionen von Biozönosen oder Ökosystemkompartimenten und wenn ja, wie? Und ganz entscheidend: Wie wirken sie sich auf die Stabilität der Ökosysteme aus?

Dazu gehören natürlich auch weitere ganz grundsätzliche Fragen und ggf. auch grundlegend neue Überlegungen: z. B. die Frage, ob die Biodiversität per se statisch ist? Man kann die Frage auch anders formulieren. Ist jede Veränderung in Ökosystemen grundsätzlich negativ oder kann es sich nicht um eine natürliche Weiterentwicklung hin zu einem noch stabileren Ökosystem handeln?

Ist Artenvielfalt in jedem Fall das oberste Naturschutzziel? Oder gibt es nicht sehr stabile Ökosysteme, die gerade aufgrund extremer Standortverhältnisse durch ein sehr geringes Artenspektrum gekennzeichnet sind?

Eine Fülle von Fragen derer wir uns m. E. gerade deshalb dringend und mit höchster Intensität annehmen müssen, weil alle bisherigen Schutzbemühungen doch den Verlust von Lebensräumen und den Artenrückgang nicht haben aufhalten können. Und deshalb vermisse ich in diesem Bericht als Quintessenz auch eine kritische Auseinandersetzung mit den bestehenden Naturschutzzielen, Schutzinstrumenten, den Schutzgebietskategorien, den Schutzkonzepten und den Schutzmaßnahmen. Als eine nötige Grundlage für diese notwendige Diskussion brauchen wir ein vernünftiges Monitoringprogramm! Denn das hat dieser Bericht ziemlich schonungslos offenbart: In diesem Bereich ist zwar bisher viel Geld verkleckert worden, aber nichts fundiertes substantielles herausgekommen.

Ein Trauerspiel besonderer Art sind die Monitoringprogramme, für die die Landesregierung die ganze oder wesentliche Verantwortung trägt (S. 28 ff.); z. B. in Naturschutzgebieten und auf Flächen der Stiftung Naturschutz – hier ist weitgehend Fehlanzeige zu vermelden – wenn wir von punktuellen Erhebungen absehen.

Auf S. 29 – die Aussagen zum Nationalpark beschränken sich auf den Hinweis, dass es dort ein systematisches Monitoring gibt – aber nichts zu den Inhalten geschweige denn Ergebnisse und Bewertungen.

Und mit Ihren Aussagen zur Bewertung des Erfolges von Maßnahmen des hoheitlichen Naturschutzes, der Arbeit der Stiftung Naturschutz und von Pflegemaßnahmen zum Erhalt kulturbezogener Biotope (S. 36) haben Sie sich selbst das größte Armutszeugnis ausgestellt. Wer so etwas abliefert, hat wirklich jedes Recht verspielt, sich mit dem Umweltranking als Oberzensor aufzuspielen.

Herr Minister, leider haben Sie die große Chance zu einer fundierten Auseinandersetzung mit dem Thema „Biodiviersität“, mit den bisherigen Zielen des Naturschutzes, mit den Instrumenten, den Ergebnissen, Erfolgen und Misserfolgen nicht genutzt.