Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
14.12.01
11:32 Uhr
FDP

Ekkehard Klug: PISA erfordert vielfältige Antworten, scheinbare Patentrezepte führen ins Abseits !

FDP Landtagsfraktion Schleswig-Holstein



Presseinformation Wolfgang Kubicki, MdL Nr. 430/2001 Vorsitzender Dr. Christel Happach-Kasan, MdL Stellvertretende Vorsitzende Kiel, Freitag, 14. Dezember 2001 Dr. Ekkehard Klug, MdL Parlamentarischer Geschäftsführer Sperrfrist: Redebeginn Christel Aschmoneit-Lücke, MdL Joachim Behm , MdL Es gilt das gesprochene Wort! Dr. Heiner Garg, MdL
Bildungspolitik/PISA-Studie Günther Hildebrand, MdL


Ekkehard Klug: „Bessere Förderung für



www.fdp-sh.de Lernschwache und Hochbegabte, eine „Kultur der Anstrengung“ - und vieles mehr“ PISA erfordert vielfältige Antworten, scheinbare Patentrezepte führen ins Abseits !
In der heutigen Landtagsdebatte über die PISA-Studie erklärte der bildungspolitische Sprecher der schleswig-holsteinischen FDP- Landtagsfraktion, Dr. Ekkehard Klug:
„Als in der letzten Woche die PISA-Studie veröffentlicht wurde, gab es tageweise eine so heftige Debatte über Schule und Bildung wie noch nie zuvor in diesem Land.
Diese Diskussion liefert eine gute und eine schlechte Botschaft:
Die gute Botschaft lautet: Das Thema Bildung kommt in die Schlagzeilen. Im günstigsten Falle lässt sich die Situation nutzen, um die Qualität der Bildung zu verbessern.
Die schlechte Botschaft lautet: Im Geschnatter der Kommentare haben auch die Verkünder von Patentrezepten, die Windmacher und Rauchverkäufer wieder einmal Hochkonjunktur. Im ungünstigsten Falle kommen ihre Ratschläge zum Zuge. Dann bringt die nächste Studie mit Sicherheit noch schlechtere Resultate als die jetzige.
Die Riege der Patentrezeptverkünder stammt aus sehr unterschiedlichen politischen Lagern.
Zu ihnen gehören auch Konservative wie Frau Schavan, die das Heil im Zentralabitur und anderen zentralen Prüfungen sehen - obgleich doch jedem klar sein müsste, dass solche Prüfungsverfahren nicht die geringste Gewähr für die Qualität der Schulabschlüsse oder gar der Bildung insgesamt bieten.

Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ Genauso unsinnig sind Patentrezepte von der anderen Seite des politischen Spektrums, wo manche das Heil in einer neuen Gesamtschuldebatte sehen.
Es führt kein Weg daran vorbei, der Misere im deutschen Schulwesen auf den Grund zu gehen. Nur so lassen sich vernünftige Lösungen finden.
Sowohl für lernschwache Schüler als auch für hochbegabte Kinder und Jugendliche gibt es an unseren Schulen keine wirksame, ja zum Teil sogar überhaupt keine zielgerichtete Förderung !
Unser Nachbar am anderen Ende der Ostsee, Finnland, hat bei „PISA“ exzellent abgeschnitten.
Für Schüler mit Lernschwierigkeiten gibt es in Finnland einen Anspruch auf gezielte Nachhilfe.
Gleichzeitig werden auch besondere Begabungen gezielt gefördert - bis hin zu Internaten für Hochbegabte wie der Päivölä-Schule.
Für die Aufnahme in eine Schule macht man es in Finnland außerdem zur Bedingung, dass die Kinder die Landessprache beherrschen.
Die Bildungsausgaben liegen dort um ein Drittel über dem europäischen Durchschnitt.
Und schließlich gibt es in Finnland - wie Reinhard Kahl in der ZEIT feststellt - eine Tradition, „die Wertschätzung fürs Lernen, für die Lernenden und für die Lehrer hochhält“ (DIE ZEIT, 6. 12. 2001).
Zusammengenommen tragen alle diese Faktoren zum Erfolg des finnischen Schulwesens bei.
Wer demgegenüber glaubt, das Heil liege im Organisationsmodell der Gesamtschule, der vermag kaum zu erklären, weshalb die Schweiz mit einem sehr stark gegliederten Schulwesen oder auch England mit seinen zahlreichen privaten Eliteschulen deutlich bessere PISA-Ergebnisse vorweisen können als Deutschland.
Im übrigen hat ja vor Jahren bereits auch die TIMSS-Studie belegt, dass die Schulform keinen Erklärungsfaktor für bessere Schulleistungen als in Deutschland darstellt.
Deshalb ist es sehr vernünftig, dass sich auch die schleswig-holsteinische Kultusministerin in der letzten Woche gegen eine neue Schulformdebatte ausgesprochen hat.
Einen anderen Irrweg, vor dem zu warnen ist, möchte ich als die „technokratische Illusion“ bezeichnen. Manche Politiker, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler und andere meinen, Bildung sei quasi eine „Dienstleistung“, die wie ein Konsumartikel „produziert“ werden könne - wenn denn bloß die richtigen Produktions- und Marketingmethoden eingesetzt würden.
Bildung ist keine Ware, die man herstellen kann.
Ein Haus kann man bauen lassen und kaufen, Bildung jedoch nicht. Der Vergleich zum Hausbau macht deutlich, worin der Unterschied liegt: Es ist Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ so, als müsste derjenige, der das Haus besitzen will, selbst die Baugrube ausschachten, die Steine schleppen und auch an der Architektur mitwirken. Ohne diese sehr weitreichende Eigenleistung desjenigen, der Bildung erhalten soll, geht es nicht - selbst nicht mit den besten didaktischen Methoden und der exzellentesten Lehrerversorgung.
David Blunkett, Bildungsminister im ersten Kabinett von Tony Blair, hat in diesem Sinne sehr zu Recht von einer „Kultur der Anstrengung“ (culture of effort) gesprochen, die nötig sei, um gute Bildungsergebnisse zu erreichen.
Die Preisfrage lautet: Wie erreicht man eine solche Leistungs- und Anstrengungsbereitschaft, ohne zu kinderfeindlichen „Paukschulen“ japanischer oder koreanischer Art zu gelangen? Auf jeden Fall ist das eine Einstellungs- , eine Mentalitätsfrage, die durch technokratische Pseudo- Reformen niemals beantwortet werden kann !
Die Zeit ist heute leider zu knapp, um viele Dinge, die für ein besseres Abschneiden deutscher Schüler nötig wären, hier detailliert anzusprechen.
Deshalb muss ich mich auf wenige kurze Stichworte und Anmerkungen beschränken.
Punkt 1: Kindergarten und Vorschulalter
Viele Bildungsdefizite entstehen in Deutschland bereits im Vorschulalter. Aufklärung, Beratung und Hilfen für Eltern sind daher ebenso nötig wie Kindertagesstätten, die - durch „spielerisches Lernen“ - auf kindgerechte Weise zum Beispiel sowohl sprachliche Ausdrucksfähigkeiten fördern als auch Freude am Lernen vermitteln - über Erfolgserlebnisse, die Kinder für Bildung motivieren.
Punkt 2: Ganztagsschule
Ganztagsschulen dürfen weder Betreuungseinrichtungen noch Dauer- Unterrichtsanstalten von 8 bis 16 Uhr sein. Ihr Hauptzweck sollte darin liegen, Schülern soziales Lernen zu ermöglichen, Verantwortungs- und Einsatzbereitschaft zu fördern, also jene erzieherischen Defizite zu auszugleichen, die heute den Lehrern die Arbeit mit einem Teil der Schüler erschweren. Kurz gesagt: Das Ganztagsangebot ist darauf auszurichten, die Bildungsfähigkeit und Bildungsbereitschaft dort zu erhöhen, wo sie heute oft mangelhaft ist.
Punkt 3: Ausländerkinder
Das schlechte Abschneiden der in Deutschland lebenden Kinder und Jugendlichen ausländischer Herkunft ist einer der Schwachpunkte, die die PISA-Studie offen gelegt hat. Ist es nicht besser, jungen Ausländern zunächst hinreichende Deutschkenntnisse zu vermitteln und sie erst dann - allerdings möglichst frühzeitig - in Klassen mit deutschen Schülern gemeinsam zu unterrichten? Die Abschaffung der früheren Vorbereitungsklassen war offenbar ein Fehler.
Professor Jürgen Baumert, der Chef des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, verweist auf das Beispiel skandinavischer Nachbarländer:
„Wir wissen ..., dass Länder wie Norwegen und Schweden sehr viel striktere Einschulungsregeln und Förderkonzepte haben. Dort werden Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ Kinder erst dann eingeschult, wenn sie die Landessprache ausreichend sprechen und im Unterricht mitkommen“ (DIE ZEIT, 6. 12. 2001).
Punkt 4: Einschulungsalter
Es wäre geradezu idiotisch, das Einschulungsalter generell abzusenken. Nötig ist mehr Flexibilität: Nach gesicherten medizinischen Erkenntnisse sind manche Kinder schon mit 5 Jahren, andere aber erst mit 7 Jahren in ihrer Entwicklung so weit, dass sie - um ein einfaches Beispiel zu nennen - Buchstaben und Zahlen in eine sinnvolle, logische Ordnung bringen können. Wer diese Entwicklungsunterschiede ignoriert, der presst Kinder in vielen Fällen ohne Sinn und Verstand in Grundschulklassen, die dann mit schlechterdings nicht zu bewältigenden Problemen überlastet sind.
Punkt 5: Guter und quantitativ ausreichender Unterricht
Ohne diese Voraussetzung ist jeder Versuch, die Qualität der Bildung in unserem Land zu verbessern, von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Hauptschüler haben in Schleswig-Holstein vor 10 Jahren in der Regel 30 Wochenstunden Unterricht erhalten. Heute erteilen Hauptschulen hierzulande gerade einmal wöchentlich 25 Stunden Unterricht.
Der Anteil der Schüler, der die Schulen dieses Landes ohne jeglichen Abschluss verlassen, lag Anfang der 90er Jahre bei rund 5 Prozent. Ende der 90er Jahre waren es hingegen bereits siebeneinhalb Prozent.
Dies sind seit langem bekannte Fakten, und angesichts solcher Daten ist es überhaupt nicht verwunderlich, wenn die PISA-Studie im unteren Leistungsbereich für Deutschland besonders schlechte Ergebnisse zutage gefördert hat.
Die FDP-Fraktion hat in diesem Parlament Jahr für Jahr zusätzliche Lehrkräfte und damit eine bessere Unterrichtsversorgung für die Hauptschulen beantragt.
Dieser Forderung der FDP ist die Mehrheit des Landtages ebenso wenig gefolgt wie unserem Antrag, besondere Klassen für hochbegabte Schüler einzurichten.
Wenn Frau Ministerin Erdsiek-Rave - laut den „Kieler Nachrichten“ vom 5. Dezember - nun aus der PISA-Studie die Schlussfolgerung ableitet, es solle „nach Möglichkeiten gesucht werden, um Benachteiligte und Lernschwache stärker zu fördern und Begabte mehr zu fordern“, so ist dies zweifellos die richtige Erkenntnis.
Aber die Ministerin sollte auch darlegen, wie sie dies - was wir schon längst mit unseren Landtagsinitiativen angemahnt haben - denn nun konkret realisieren will.
Der jährlich von der Regierung abgelieferte Bericht zur Unterrichtsversorgung ist dieses Jahr vom Landtag mehrmals vertagt und dann ohne Aussprache an den Bildungsausschuss überwiesen worden.
Dort liegt nun auch die wohlklingende Aussage dieses Berichts, es gebe in diesem Lande eine „qualitativ und quantitativ insgesamt gute Unterrichtsversorgung“. Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ Von der Wirklichkeit ist diese regierungsamtliche Situationsbeschreibung aber so weit entfernt wie die Erde vom Mond.
In Lübeck, so stellt der dortige Kreiselternbeirat fest, fällt an den Gymnasien derzeit jede fünfte Schulstunde aus. Das ist sicher ein extrem hoher Wert, aber nicht unwahrscheinlich: Landesweit liegt das Unterrichtsfehl im Durchschnitt bei etwa zwölf Prozent. Diese Zahl errechnet sich aus der Addition zwischen dem krankheitsbedingten Unterrichtsausfall, den das Ministerium nach Stichproben auf ca. 5 Prozent beziffert, sowie einem durch fehlende Lehrerstellen bedingten Stundenfehl von 7 Prozent. Zusammen also 12 Prozent.
Der Landesrechnungshof hat in seinem Ende Juli vorgelegten Sonderbericht zum Personalbedarf der Schulen (nachzulesen auf Seite 13) folgendes mitgeteilt:
„Um eine gleichmäßige Bedarfsbasis zu schaffen, hat das Bildungsministerium ... eine durchschnittliche Unterrichtsversorgung von 93% der Stundentafeln zugrunde gelegt“.
Mit anderen Worten: Ein Stundenfehl von 7 Prozent ist bei der Zuteilung der Lehrkräfte an die Schulen von vornherein einkalkuliert.
Zusammen mit durchschnittlich 5 Prozent krankheitsbedingtem Unterrichtsausfall ergibt das ein Unterrichtsfehl von 12 Prozent. Das ist die Realität.
Gleichwohl ist sich Herr Finanzminister Möller mit dem Bund der Steuerzahler darin einig, dass man an der Bildung demnächst kräftig sparen könne. Dazu sage ich: Wer jetzt noch an der Bildung spart, der spart die Grundlagen unseres Wohlstandes und unserer sozialen Stabilität zu Tode !“



Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/