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13.12.01
10:32 Uhr
SPD

Thomas Rother zu TOP 40 Schiffbauindustrie

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 13.12.01
Landtag Es gilt das gesprochene Wort!
aktuell Sperrfrist: Redebeginn



Thomas Rother zu TOP 40: Zukunft der Schiffbauindustrie – Zukunft der maritimen Wirtschaft


Zunächst möchte ich mich für die Vorlage des Berichts ganz herzlich bedanken. Mit diesem Bericht legt die Landesregierung als die erste eines Küstenlandes eine umfassende Analyse der maritimen Wirtschaft vor. Er ist eine gute Grundlage für Entscheidungen zur Stärkung die- ses Wirtschaftszweiges in unserem Lande. Gerade vor dem Hintergrund der EU- Entscheidungen zur Schiffbauhilfe oder besser gesagt zur Nicht-Entscheidung vor ein paar Tagen liegt der Bericht auch zum richtigen Zeitpunkt vor.

Kern des maritimen Sektors sind die Werften und die mit ihr verbundene Zulieferindustrie – Zu- lieferindustrie größtenteils ja außerhalb unseres Bundeslandes. Auf der Grundlage der – trotz der derzeit gedämpften konjunkturellen Situation – dynamisch wachsenden globalen Handels- beziehungen haben Schiffbau und Schiffsverkehr eigentlich gute Perspektiven. Dennoch be- steht eine Schieflage im Wettbewerb, ausgelöst durch Dumpingpreise und Überkapazitäten von Unternehmen in Asien. Die deutschen Werften müssen sich mit diesem Nachteil herum- schlagen. Trotz allem konnte sich der deutsche Schiffbau gut behaupten. Wobei die derzeiti- gen Rekordauftragseingänge allerdings durch den „Schlussverkaufseffekt“, das heißt durch das bevorstehende Auslaufen der Schiffbauhilfen, bedingt sind.

Am 05. Dezember nun hat der Industrieministerrat der Europäischen Union eine Fortsetzung der Hilfen abgelehnt. Das auch hier schon oft angeführte Klageverfahren vor der Welthandels- organisation gegen die Wettbewerbsverzerrungen im asiatischen Raum ist von der EU aber noch nicht auf den Weg gebracht worden. Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



Wir müssen deshalb immer wieder deutlich machen, dass wir nicht nur für Schleswig-Holstein, sondern für die gesamte deutsche Schiffbauindustrie von der EU erwarten, dass sie endlich tätig wird und die Erledigung ihrer Aufgaben nicht immer wieder hinausschiebt – jetzt wieder bis zum Frühsommer 2002.

Daher laufen wir Gefahr, vielleicht schon bald eine neue Werftenkrise zu erleben. Betroffen werden am ehesten die Werften sein, die nicht eine gute Grundauslastung durch Marineschiff- bau oder enge Kooperationsbeziehungen mit anderen Unternehmen vorweisen können und auch die, die in den letzten Jahren keine Diversifikationsanstrengungen unternommen haben. Die Werftindustrie und auch die Politik muss sich dieser Situation stellen.

Betroffen sein wird hiervon aber auch die Zulieferindustrie, die ja vor allem in Baden- Württemberg sitzt. Von der sogenannten Cluster-Bildung, der Bildung dynamischer Prozess- ketten in der maritimen Wirtschaft wie in den Niederlanden, sind wir noch ein gutes Stück ent- fernt. Diese Sorgen können natürlich auch nicht vom nach wie vor boomenden Bootsbau für den Freizeitmarkt aufgefangen werden, wenngleich diesem Marktsegment noch viel größere Aufmerksamkeit gebühren müsste.

Zu begrüßen ist das verstärke Engagement des Bundes im Bereich von Forschung und Ent- wicklung, das beispielhaft zum Erhalt der technologischen Spitzenposition des deutschen Schiffbaus beiträgt. Jetzt ist es notwendig, gemeinsam mit der maritimen Wirtschaft ein Szena- rio zu entwickeln, wie es ohne Schiffbauhilfen weitergeht, auch wenn noch einige Unbekannte vorhanden sind – zum Beispiel die Gegenmaßnahmen der EU während des Klageverfahrens vor der WTO – damit wären dann vielleicht übergangsweise doch wieder Subventionen – in welcher Form auch immer – verbunden – oder die Entwicklung der Nachfrage angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung. Beispielweise müsste die Mittelvergabe aus dem Regionalprogramm diese Entwicklung be- rücksichtigen. Und auch der Bund ist hier in der Pflicht, zumal er seinen Finanzierungsanteil für die Schiffbauhilfen ja zurückgefahren hat. -3-



Die Schifffahrt ist ein dynamischer und wachsender Wirtschaftszweig. Ihr gebührt in unserem Land zwischen den zwei Meeren noch viel mehr Aufmerksamkeit. Gerade der zunehmende Fährverkehr – endlich auch mit den baltischen Staaten und Russland – zeigt eine positive Entwicklung. Doch hat die Schifffahrt ähnliche Probleme wie der Schiffbau. Änderungen bzw. Ermäßigun- gen in der Unternehmens-Besteuerung, bei der Lohnsteuer und der Erhebung von Sozialab- gaben sind die Subventionskehrseite dieser Branche.

Darüber hinaus sind vom Bund vor kurzem weitere Finanzhilfen bereitgestellt worden. Zeit- punkt dafür war die zweite nationale maritime Konferenz am 6. November in Rostock – solche Veranstaltungen können Entscheidungen also auch beflügeln.

Gut, dass die Kurzstreckenseeschifffahrt und die Binnenschifffahrt als Teil des „from road to sea“-Leitsatzes oder eben auch „to channel“ wiederentdeckt werden. Und ich freue mich als Lübecker natürlich ganz besonders, dass es gelingen kann, dass der Elbe-Lübeck-Kanal einen zweiten Frühling erlebt. Dass der Nord-Ostsee-Kanal als eine der weltweit meistbefahrenen künstlichen Wasserstraßen natürlich besondere Bedeutung hat, ist klar. Aber das war ja schon in anderem Zusammenhang – nämlich bei Abgaben – Thema.

Die Erfolge in der Hafenwirtschaft sind enorm. Es war richtig, den Ausbau der Häfen in den vergangenen Jahren mit Hunderten von Millionen DM zu fördern. Das hat sich rentiert. Die Entwicklung der Häfen hängt jedoch ganz wesentlich von der Entwicklung der Hinterlandver- bindungen ab. Hier ist noch einiges zu tun. Maßnahmen für Straße, Schiene und Binnenschiff sind erforderlich, und das ist nicht nur aus diesem Bericht, sondern auch aus dem Bundesver- kehrswegeplananmeldungen und dem Regionalprogramm zu entnehmen. Denn die Konkur- renzsituation ist trotz guter Zahlen nicht einfach.

Wichtig bleibt die Verknüpfung der verschiedenen Verkehrsträger – gerade unter ökologischen Gesichtspunkten. Auch hier ist noch einiges zu tun. Zu weiteren ökologischen Aspekten von Seeschifffahrt und Hafenwirtschaft haben wir vor anderem Hintergrund – Pallas und Co. – ja schon des öfteren diskutiert. -4-



Anmerken möchte ich jedoch, dass eine emissionsbezogene Hafengebührengestaltung nicht erst nach einem großen Wurf auf EU-Ebene geschehen darf. Das Hamburger Subventionie- rungsmodell muss es auch nicht sein, aber vielleicht kann eine Änderung des Landeswasser- gesetzes, das die Gebührenkalkulation für Häfen an das Kommunale Abgabengesetz (KAG) koppelt – und da steckt das Problem Gleichheitsgrundsatz und so weiter drin –, erfolgen. Der Vorgang liegt zur Zeit ja schon im Umweltministerium zur Prüfung. Vielleicht sind wir da bald schlauer.

Bei der Nutzung des Meeres als Energie- und Rohstoffquelle sind wir in Bezug auf die Offsho- re-Windenergiegewinnung wie in anderen Punkten noch in der Diskussion. Beeindruckend ist der Bericht in Bezug auf die Ölförderung in der Nordsee – natürlich ganz besonders im Hinblick auf die Förderabgabe. Leider fehlt im Bericht der ökologische Blickwin- kel beispielweise in Bezug auf die Stromkabel. Das können wir bei der Ausschussdiskussion sicher nachholen.

Das Thema Fischerei haben wir ebenfalls schon vor kurzem im Landtag beraten. Daher nur ein paar kurze Anmerkungen zum Thema Aquakultur / Maritime Bioressourcen. Im Bericht wird festgestellt, dass die Aquakultur in Deutschland bisher zu wenig systematisch entwickelt ist. Daher ist es gut, wenn das Wirtschaftsministerium sein Augenmerk auf diesen Bereich richtet und vor allem Existenzgründungen unterstützt. Wären Sie bei der Verleihung des Schmidt- Römhild Technology Awards am 29. November in Lübeck alle dabei gewesen, hätten Sie ei- nen kleinen Einblick in die Innovationskraft dieser interessanten Branche gewinnen können. Wirtschaftsministerium, Wirtschaftsförderung, Technologie-Transfer-Zentrale und Technologie- Stiftung Schleswig-Holstein haben da die richtigen Leute schon im Blick.

Der maritime Dienstleistungsbereich ist vielfältig und reicht von Laborleistungen bis zu Frei- zeiteinrichtungen. Leider gibt es keine genauen Zahlen über Umsatz und Beschäftigung. Aber die Wechselbeziehungen zum Rest der maritimen Wirtschaft sind offenkundig. Freizeitwasser- sport macht nur in einer intakten Umwelt besonders viel Spaß, die Bewerbung um die Austra- gung von Olympischen Spielen hat nur dann eine Chance, wenn Hafen- und Tourismuswirt- schaft zusammenarbeiten. -5-



Daher es ist auch richtig, mit Messen wie der InWaterTec Wissenschaft und Wirtschaft zu- sammenzuführen, um die Meeresforschungsergebnisse zu vermarkten. Vielleicht kann das auch über ein Maritimes Technologiezentrum zur Bündelung dieser Dienstleistungen gesche- hen. Darüber sollte nachgedacht werden. Denn was nützen uns alle unsere innovativen und intelligenten Produkte, wenn niemand von ihnen erfährt und sie keine Nachfrage haben?

Mit dem Ruf von Schiffbau und Schifffahrt als niedergehenden Branchen hatte sich in den ver- gangenen Jahren auch die Bewerberlage für den beruflichen Einstieg und die Fortbildung ver- schlechtert. Um so erfreulicher ist es festzustellen, dass sich eine Trendwende abzeichnet. Sowohl bei den Schiffbauingenieuren, als auch im Bereich Schiffsoffiziersausbildung wie bei den Seeleuten haben sich die Bewerberzahlen beziehungsweise Lehrgangs-Teilnehmerzahlen erhöht. Es kommt nun auch auf die Wirtschaft - unterstützt von der Politik - an, diesen Men- schen tatsächlich eine langfristige berufliche Perspektive zu geben.

Die Potenziale von Institut für Meereskunde der Uni Kiel, GEOMAR und anderer in Forschung und Lehre sind in Schleswig-Holstein in einzigartiger Weise vereint. Auch hier ist und bleibt die Förderung der Kooperation der Einrichtungen und die Vermarktung der Forschungsergebnisse eine Daueraufgabe unserer Politik. Das Kompetenzzentrum des Bundes für die maritime Wirt- schaft, das vom Bildungsministerium eingerichtet wird, möchte ich in diesem Zusammenhang ebenfalls als Stichwort nennen. Die Möglichkeiten des Förderprogramms „Schifffahrt und Mee- restechnik für das 21. Jahrhundert“ werden in Schleswig-Holstein ausgeschöpft.

Hervorzuheben sind die Anstrengungen des Landes zur Verbesserung der Zusammenarbeit im maritimen Bereich – neudeutsch als Kompetenzcluster bezeichnet. Auch das „integrierte Küstenzonenmanagement“ ist ein weiteres wichtiges Stichwort. Im Bereich Kooperation gibt es noch viel zu tun – und wir erwarten von der Landesregierung, dass wir bei den Anfangserfol- gen nicht stehen bleiben.

Vor dem gleichen Problem-Hintergrund hat der Bund schon vor über einem Jahr einen nationalen maritimen Koordinator eingesetzt. Auch sein Schwerpunktthema ist die Ko- operation. Das Beispiel Niederlande beweist, dass nur auf diesem Weg die Potenziale der maritimen Wirtschaft voll genutzt werden können. -6-



Auf die Ergebnisse der zweiten nationalen maritimen Konferenz hat der Minister ja schon hin- gewiesen. Gerade die Beschäftigten der maritimen Branche erwarten von uns eine Perspekti- ve, die über kurzfristige Subventionsentscheidungen hinausreicht. Der Bericht bietet dafür zahlreiche Anhaltspunkte.

Zusammenfassend möchte ich feststellen: • Die zunehmende Globalisierung und damit ein schärfer werdender Wettbewerb zwingen zu einer Neuorientierung deutscher Unternehmen im maritimen Bereich. • Forschung und Entwicklung werden zu immer bedeutenderen Faktoren in der maritimen Wirtschaft. • Die know-how-Sicherung der Beschäftigten ist Grundlage für die Zukunftsfähigkeit der Branche. • Kooperationsbeziehungen sind überlebenswichtig – ganz besonders für den Schiffbau. • Die Branche benötigt Pläne und Strategien, um sich diesen Herausforderungen zu stellen.

Wie man da ein paar Schritte weiterkommt, sollten wir im Wirtschaftsausschuss beraten. Da- her beantrage ich, den Bericht zur abschließenden Beratung an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen.