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17.10.01
12:06 Uhr
SSW

Für eine Innenpolitik mit dem Skalpell statt mit dem Buschmesser

Südschleswigscher Wählerverband Schleswig-Holsteinischer Landtag im Schleswig-Holsteinischen Landtag Düsternbrooker Weg 70 D - 24105 Kiel Tel. (0431) 988 13 80 Fax (0431) 988 13 82
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Kiel, d. 17.10.2001 Anke Spoorendonk Es gilt das gesprochene Wort
„Die Politik der Inneren Sicherheit muss mit einem feinen Skalpell arbeiten, nicht mit dem Buschmesser“
TOP 18 Bekämpfung des Terrorismus (Drs. 15/1259) Es ist sicherlich richtig, dass seit dem 11. September die Tagesordnung der Welt eine andere ist.
Aber es ist nicht alles richtig, was nach dem 11. September auf der politischen Tagesordnung
steht. Da reicht es nicht zu sagen, dass der Terrorismus Angst macht und ein wachsendes
Bedürfnis nach Sicherheit schafft - dass der Terror den Weg nach Deutschland finden könnte.
Auch die Lösungen, die uns angeboten werden, wecken Besorgnis.

Besonders erschreckend ist es für den SSW, dass jetzt Maßnahmen Hochkonjunktur haben, die
wir bisher als untauglich für die Kriminalitätsbekämpfung oder schädlich für die freiheitlichen
Grundrechte angesehen haben. Jetzt kommen schnell Lösungen auf den Tisch, die schon lange in
Schubladen verstauben - alte Schreckensinstrumente, die angeblich neuen Probleme lösen werden.
Als Universallösung wird uns einmal wieder die Überwachung präsentiert. Man muss sich aber
vor Augen halten, dass auch die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht das Inferno am World Trade
Center verhindert hätten.

Seit dem 11. September haben die Bürgerinnen und Bürger hierzulande ein Stück Sicherheit
verloren, das sie gern wieder haben möchten. Der rücksichtsvolle Umgang mit solchen Ängsten
ist ein legitimes politisches Ziel. Trotzdem muss eines in diesen Tagen betont werden: Verant-


Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de wortungsbewusste Politik handelt nicht von der schnellsten Lösung, sondern von der effektivsten.
Es geht darum, wirksam den Terrorismus zu bekämpfen, ihn vorbeugend zu verhindern.

Aber wir gewinnen nichts, wenn wir die Freiheitsrechte jetzt gegen die Sicherheit ausspielen.
Ebenso wie Freiheit die innere Sicherheit voraussetzt, gibt es anders herum die persönliche und
öffentliche Sicherheit nicht ohne die Freiheit. Es wäre wirklich fatal, wenn die Politik und die
Bürger jetzt eine Einschränkung der Bürgerrechte in Kauf nehmen, nur weil ganz schnell etwas
passieren soll.

Zugegeben, die Freiheitsrechte finden dort ihre Grenzen, wo sie den Feinden der Freiheit Tür und
Tor öffnen. Der Datenschutz ist keine in Beton gegossene Verfassung, sondern lebendiger Schutz
der Bürger, der an die gesellschaftliche Wirklichkeit angepasst werden muss. In diesem Sinne
muss auch der Schutz der informationellen Selbstbestimmung immer gegen andere Rechte in die
Waagschale geworfen werden. Die Grenzen des Datenschutzes müssen nach dem 11.09. neu
verhandelt werden. - Aber nicht, indem der Bundesinnenminister schon wenige Tage nach dem
Desaster die einzig richtigen Glaubenssätze zur inneren Sicherheit verkündet, sondern indem man
sich seriös mit dem Für und Wider der verschiedenen Maßnahmen auseinandersetzt.

Es ist Aufgabe der Politik, die Spreu von Weizen zu trennen und festzustellen, was wirklich wirk-
sam gegen Terrorismus ist. Im Moment scheint aber nur ein Wettbewerb um die härteste Politik
entbrannt zu sein, in dem Argumente kaum noch zählen. Es scheint nicht einmal mehr notwendig
zu sein zu begründen, weshalb Freiheitsrechte auf dem Altar der Terrorismusbekämpfung
geopfert werden sollen. Viele der Vorschläge werden einfach in die Welt gesetzt, ohne überhaupt
zu erklären, wie sie denn gegen den Terrorismus wirken sollen. Dieses gilt z. B. für die - vom
Kanzler wie auch vom Kollegen Wadephul favorisierte - massenhafte Einsammlung von Finger-
abdrücken, Sprachprofilen und anderen Persönlichkeitsmerkmalen.



Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de Damit meine ich, dass es jetzt erst einmal wichtig ist zu analysieren, was die bestehenden Gesetze
für die Bekämpfung des Terrorismus hergeben. Immerhin sind in den letzten Jahren zig Gesetze
zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität geschaffen oder geändert worden. In vielen
Bereichen müssen erst die bestehenden Möglichkeiten genutzt werden. – Mit anderen Worten: Es
geht nicht zuerst um Verschärfung der Regeln, sondern darum, die bestehenden Einrichtungen zu
stärken und effektiv einzusetzen. Das heißt auch, dass es für uns nicht hinnehmbar ist, wenn
vorgeschlagen wird, die Rechte der Geheimdienste auszuweiten oder die Bundeswehr im Inneren
einzusetzen - wenn also die Trennung von Bundeswehr, Polizei und Geheimdienst aufgehoben
werden soll. Zu Recht wird darauf verwiesen, dass diese Trennung zu den rechtsstaatlichen
Grundprinzipien – zu den Sicherungen unserer Republik gehören. Nicht nur Elektriker wissen,
was passieren könnte, wenn auf Sicherungen verzichtet wird.

Wir müssen jetzt nicht in Panik die Innenpolitik neu erfinden. Gerade auch, weil wir bisher
keine Erfahrung mit dieser Form des Terrors gehabt haben, ist es falsch zu behaupten, dass die
bisherige Politik der inneren Sicherheit vollkommen geändert werden muss. Es muss erst einmal
unterschieden werden zwischen Maßnahmen, die wirksam den Terrorismus bekämpfen können,
und Maßnahmen, die dieses nur vorgeben. Auch bei den vom Kollegen Wadephul vorge-
schlagenen Ideen haben wir teilweise erhebliche Zweifel, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen im
Einzelfall wirklich Terroristen stoppen können. Das gilt aber nicht für alles.

Eines möchten wir ganz sicher nicht: Dass bei ausländischen und deutschen Bürgern
unterschiedliche Rechtsmaßstäbe angewandt werden. Das gilt auch für die schwierige Frage der
Abschiebung. In diesem Bereich benötigen wir ganz sicher keine Verschärfung; die bisherigen
Regelungen reichen aus.

Die Einrichtung einer Einheit für islamischen Extremismus beim Landesamt für Verfassungs-
schutz macht vom Ansatz her Sinn, weil wir bisher nicht ausreichend Informationen über dieses
Problem haben. Wir begrüßen deshalb auch dementsprechende Pläne der Landesregierung.
Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de Allerdings warnen wir jetzt schon vorbeugend davor zu glauben, dass Mittel für diese neuen
Aufgaben bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus’ genommen werden können, wie es die
Bundesregierung schon vorgeschlagen hat. Es dient bestimmt nicht der inneren Sicherheit, wenn
die Mittel vom Rechtsextremismus zum extremistischen Islamismus umgeschichtet werden.
Skinheads schlagen in Deutschland immer noch öfter zu als extreme Islamisten.

Was die Katastrophenschutz- und Alarmplanung betrifft, muss eine Überprüfung stattfinden. Es
sind neue Gefahrenszenarien entstanden, die entsprechende Maßnahmen erfordern. Die Landes-
regierung hat hier bereits entsprechende Vorhaben zur Verbesserung der Ausrüstung eingeleitet.
Allerdings glauben wir nicht, dass wir durch eine personelle und sachliche Verstärkung von
Organisationen des Katastrophenschutzes auf „die Folgen der terroristischen Gewalt in der jetzt
deutlich gewordenen Dimension“ vorbereitet sein können - und müssen. Wir müssen auch der
Tatsache ins Auge sehen, dass wir nicht jederzeit für alles vorbeugend gewappnet sein können.

Wie hilflos die Menschen hierzulande vor dem Trümmerhaufen von Manhattan stehen, zeigt auch
die Wiederauferstehung der Kronzeugenregelung. Wir lehnen sie entschieden ab. Wir haben
grundsätzlich nichts dagegen, dass straffälligen Menschen mit Wissen über Anschläge ein
Notausgang geöffnet wird. - Ganz davon abgesehen, dass es naiv erscheint zu glauben, dass
brandgefährliche, zum Selbstmord bereite „Schläfer“ ein schlechtes Gewissen bekommen. - Wenn
es Menschenleben retten kann, muss es trotz allem möglich sein. Wir meinen aber nicht, dass
Straftäter dadurch einer Bestrafung entgehen sollen. Es darf nur um eine Strafmilderung gehen,
wie es rot-grün in Berlin vereinbart haben.

Die Bundesmittel für die Bereitschaftspolizei sind gekürzt worden, und das war falsch. Deshalb
können wir der Forderung nach Erhöhung dieser Gelder nur beipflichten. Es ist absurd, dass der
Bund auf der einen Seite seinen Beitrag für die Bereitschaftspolizeien der Länder kürzt, während
der Bundesinnenminister auf der anderen Seite die Aufgabengebiete für den Bundesgrenzschutz
ausweiten möchte - und so manche gar die Bundeswehr als Wach- und Schließgesellschaft
einsetzen möchte. Wir meinen, dass die Polizeihoheit der Länder nicht ausgehöhlt werden darf.


Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de Mein Fazit lautet also: Unsere freiheitliche Demokratie baut darauf, dass der Staat nur solche
Maßnahmen ergreift, die wirklich notwendig sind, um ein Problem zu lösen, und die möglichst
wenig Nebenwirkungen haben. Mit anderen Worten: Die Politik der Inneren Sicherheit muss
möglichst mit einem feinen Skalpell arbeiten und nicht mit dem Buschmesser – auch wenn
letzteres sicherlich tatkräftiger aussieht und mehr Eindruck schindet. Im Moment scheint in der
Innenpolitik aber eine Politik der markigen Worte und der Härte Konjunktur zu haben. Dass sich
hierdurch der Terrorismus effektiv bekämpfen lässt, wagen wir zu bezweifeln.



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