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05.09.01
09:19 Uhr
Landtag

Arens: Aus Nachbarn werden Freunde! Meomrandum über die regioanle Zusammenarbeit zwischem dem Landtag und dem Sejmik der Wojewodschaft Pommern unterzeichnet

D E R L A N D T A G SCHLESWIG - HOLSTEIN 83/2001 Kiel, 05.09.2001

S p e r r f r i s t : Redebeginn



Arens: Aus Nachbarn werden Freunde! Memorandum über die regionale Zusammenarbeit zwischen dem Schleswig- Holsteinischen Landtag und dem Sejmik der Wojewodschaft Pommern unterzeichnet
Kiel (SHL) – Heute, am 5. September 2001, 10.30 Uhr, wurde in Danzig das obige Me- morandum unterzeichnet. In seiner Rede anlässlich dieser Unterzeichnung erklärte Landtagspräsident Heinz-Werner Arens u. a. :
Ich freue mich, dass wir heute bei Ihnen in Danzig zu Gast sind, um einen lang gehegten Wunsch zur Wirklichkeit werden zu lassen. Der Wunsch, mit dem pommerschen Sejmik eine partnerschaftliche Beziehung aufzunehmen, hat eine längere Vorgeschichte: bereits bei Ihrem ersten Besuch in Kiel vor drei Jahren haben Sie, Herr Zarebski, Überlegungen in diese Richtung angestellt, die sich in den Folgejahren weiter verfestigt haben. So haben auch Sie, Herr Grzelak, sich im Rahmen des vorletzten Kieler-Woche-Gespräches noch einmal öffentlich zu diesem Vorschlag bekannt und ihn erneuert.
Anlässlich meines Besuches Ende Januar d.J. in Danzig und Zoppot - es ging darum, zum ersten Mal in der Geschichte Schleswig-Holsteins eine Landesschau bildender Künstler im Ausland zu zeigen, in diesem Fall in Zoppot - haben wir die Unterzeichnung des Memoran- dums noch in diesem Jahr vereinbart.
Zwischenzeitlich haben der Sejmik der Wojewodschaft Pommern ebenso wie der Schles- wig-Holsteinische Landtag mit den Stimmen aller Fraktionen einstimmig beschlossen, eine partnerschaftliche Zusammenarbeit einzugehen. Diese Haltung ist Ausdruck dafür, dass uns in der Ostseekooperation in den entscheidenden Fragen ein politischer Grundkonsens verbindet. Das ist wichtig und notwendig, aber bei weitem keine Selbstverständlichkeit.
Ob als Wojewodschaft Pommern oder als Land Schleswig-Holstein - unsere Aufgabe ist es, im Rahmen der Ostseekooperation die regionale grenzüberschreitende Zusam- 2

menarbeit auszufüllen. Hier zeichnen wir uns durch Kompetenz aus, hier liegt unsere Zu- ständigkeit.
Dass die Unterzeichnung einer partnerschaftlichen Vereinbarung überhaupt möglich wur- de, verdanken wir der am 1. Januar 1999 in Kraft getretenen polnischen Verwaltungsre- form. Die neuen 16 Wojewodschaften sind an die Stelle von ehemals 49 Verwaltungsein- heiten getreten. War bis zu diesem Zeitpunkt eine Wojewodschaft lediglich der verlängerte Arm der Staatsverwaltung, sind nun gewählte Exekutiven an die Spitze der Regionen ge- treten.
Der Regionalisierungsprozess in Polen wird auch und gerade von Schleswig-Holstein aufmerksam verfolgt. Dabei handelt es sich nicht um ein abstraktes akademisches, son- dern um ein konkretes politisches Interesse. Ich begrüße, dass infolge dieser Entwicklung die Kompetenz für die internationale Zusammenarbeit nicht länger allein auf der zentral- staatlichen Ebene, sondern auch im Zuständigkeitsbereich der neuen regionalen Selbst- verwaltungseinheiten liegt.
Wenn - und auch insoweit laufen bereits Vorgespräche - noch eine Partnerschaft mit Süd- schweden, genauer, mit der Region Schonen / Malmö hinzukommt, die ihrerseits enge Beziehungen zu polnischen regionalen Gebietskörperschaften und zu Kaliningrad unter- hält, und wenn wir die bestehende Parlamentspartnerschaft zwischen Mecklenburg- Vorpommern und der östlich benachbarten Wojewodschaft Stettin hinzuzählen, ist das grenzüberschreitende Beziehungsgeflecht im südlichen Ostseeraum lückenlos.
Doch nicht nur hier, auch auf EU-Ebene ist zu beobachten, dass die Regionen weniger als rechtliche, sondern vielmehr als operationelle Ebene immer größere Bedeutung erlangen. Je mehr Mitgliedstaaten die Europäische Union umfasst, umso notwendiger muss die Entwicklung in Richtung Regionalisierung gehen. Europa wird im globalen Wettbewerb nur bestehen, wenn seine regionalen Besonderheiten und seine durch Vielfalt geprägte kulturelle Identität Bestand haben. Es sind gerade diese Faktoren, die den Regionen Kraft und Dynamik verleihen.
Wie steht es nun um die Erweiterung der Europäischen Union nach Osten und was können wir als Regionen zu einem erfolgreichen Verlauf der Beitrittsverhandlungen beitra- gen? Bei der Diskussion um den polnischen EU-Beitritt wird immer wieder leicht überse- hen, dass der Integrationsprozess nicht nur ein technischer Prozess und eine Annäherung der ökonomischen Standards ist, sondern auch ein wichtiger mentaler Prozess. Traditio- nen und Wertehierarchien werden durch die Mitgliedschaft Polens in der EU ebenso be- einflusst werden wie der Lebensstil. Dass hieraus eine Furcht vor dem Verlust nationaler und kultureller Identität herrühren kann, ist nachvollziehbar und

beileibe keine polnische Erfahrung allein. Wir kennen diese Diskussion auch bei uns und bei anderen Nachbarn. Die Euphorie Anfang der 90er Jahre ist einer Ernüchterung gewi- chen. Seit drei Jahren ist der Anteil der Befürworter in Polen für einen EU Beitritt stabil und liegt mal knapp über, mal knapp unter der 50-Prozent Marke. Ändern könnte sich dies, wenn das heikelste aller Themen auf den Tisch kommt: die Landwirtschaft. 3

In der polnischen Tradition ist das Bauerntum und die Arbeit in der Landwirtschaft nicht so sehr eine Frage der reinen Ausübung einer Beschäftigung. Die Übermittlung der An- bautraditionen von Generation zu Generation und das gesamte Brauchtum in der Landwirt- schaft erfordern für den angestrebten EU-Beitritt Änderungen von Denkweisen, die in der polnischen Tradition tief verwurzelt sind.
Es ist die Aufgabe der Politik, die erforderlichen Reformen in Angriff zu nehmen und die Bürger behutsam hierauf vorzubereiten. Unabhängig davon, wie die polnischen Parla- mentswahlen in diesem Monat ausgehen werden: Das Parlament und die Regierung, die dann im Amt sein wird, stehen vor einer der größten Herausforderungen.
Kommissar Verheugen hat jüngst verlautbaren lassen, dass eine Erweiterung ohne Polen aus Perspektive der EU kein Erfolg sein kann. Diese Aussage halte ich gerade in psy- chologischer Hinsicht für besonders wichtig. Gilt es doch, den Bürgern in Polen, aber auch den Bürgern in den jetzigen EU Mitgliedstaaten die Ängste vor einem zukünftig erweiterten Europa zu nehmen. Bundeskanzler Gerhard Schröder hat die Sommerpause für eine Be- reisung der deutsch-polnischen Grenze genutzt. Bei seinem Werben für die Osterweiterung hat er deutlich gemacht, dass die Sorgen der Bürger von der Politik ernst genommen werden müssen und dass wir uns ihrer annehmen wollen.
Im Rahmen unseres Memorandums erklären wir übereinstimmend die Absicht, einen Er- fahrungsaustausch in den Bereichen Europa, Ostsee- und Regionalpolitik durchzufüh- ren. Ich bin überzeugt, dass wir ein umfangreiches Betätigungsfeld zu unser beider Nutzen vorfinden werden. Ob in der Wojewodschaft Pommern oder im Land Schleswig-Holstein, wir stehen vielfach vor ähnlichen Aufgaben, wenn auch mit unterschiedlicher Ausprägung. Das Spektrum reicht dabei von der Entwicklung der Bürgergesellschaft als einem zu- kunftsweisenden gesellschaftspolitischen Modell, über die Entwicklung des ländlichen Raums bis hin zu den Sorgen, aber auch den Chancen im Hinblick auf die bevorstehende Erweiterung der Europäischen Union. Aus gutem Grund haben wir uns darauf verständigt, ein Arbeitsprogramm zur Implementierung des Memorandums zu vereinbaren. Ich würde es begrüßen, wenn wir alsbald erste Schritte in diese Richtung konkretisieren könnten.
Ich sehe unserer Parlamentspartnerschaft erwartungsvoll entgegen und wünsche, dass unsere Regionen im Rahmen ihrer Möglichkeiten und ihrer Zuständigkeiten ihren Beitrag zu der Zukunft Europas als Wirtschafts- und Sozialgemeinschaft, vor allem aber auch als Wertegemeinschaft leisten. Und ganz persönlich würde ich mich freuen, wenn eines Tages aus Nachbarn und Partnern Freunde würden.
Herausgeber: Pressestelle des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel, Postf. 7121, 24171 Kiel, Tel.: (0431) 988- Durchwahl -1163, -1121, -1120, -1117, -1116, Fax: (0431) 988-1119 V.i.S.d.P.: Dr. Joachim Köhler, E-Mail: Joachim.Koehler@ltsh.landsh.de. Internet: http://www.sh-landtag.de
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