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03.09.01
08:49 Uhr
Landtag

Arens: 10. Ostseeparlamentarierkonferenz widmet sich dem Thema Zi vilgesellschaft

D E R L A N D T A G SCHLESWIG - HOLSTEIN 82/2001 Kiel, 03.09.2001



Arens: 10. Ostseeparlamentarierkonferenz widmet sich dem Thema Zivilgesellschaft
Kiel (SHL) - Als Vorsitzender des Standing Committee der Ostseeparlamentarierkonfe- renz (BSPC) erklärte Landtagspräsident Heinz-Werner Arens in seinem Bericht „von Malmö bis Greifswald“ über die Aktivitäten dieser Konferenz anlässlich der 10. Ostsee- parlamentarierkonferenz am 3. und 4. September 2001 in Greifwald u. a.:
Zivilgesellschaft Die 10. Ostseeparlamentarierkonferenz in Greifswald widmet sich dem Thema „Zivilgesellschaft - ein politisches Modell zwischen Vision und Realität“.
Es scheint fast so, als ob die Begriffe „Zivilgesellschaft“ oder „Bürgergesellschaft“ zum Modewort geworden wären. Dazu beigetragen hat sicherlich die Tatsache, dass das Internationale Jahr der Freiwilligen 2001 die Diskussion über das Verhältnis zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft neu entfacht hat.
Damit wir wissen, worüber wir reden und von den gleichen Bezügen ausgehen, ist es ratsam, den Begriff „Zivilgesellschaft“ zunächst einmal klar zu umreißen. Dabei greife ich auf eine Definition des Wirtschafts- und Sozialausschusses der Europäischen Union als einem geradezu klassischen Vertreter der Zivilgesellschaft zurück.
Danach ist die moderne Zivilgesellschaft durch vier herausragende Aspekte gekenn- zeichnet:
• Die Zivilgesellschaft ist von mehr oder weniger formalisierten Institutionen geprägt. Diese Institutionen haben zahlreiche Funktionen im wirtschaftlichen, religiösen, kultu- rellen und sozialen Bereich und stellen das Verbindungsglied zwischen Bür- ger und Staat dar. Folglich ist die Zivilgesellschaft ein Ort der kollektiven Willensbil- dung und der Bürgervertretung. -2-
• Der einzelne gehört den Institutionen der Zivilgesellschaft freiwillig an.
• Das Gerüst der Zivilgesellschaft basiert auf der Summe der vorhandenen Rechts- normen. Dadurch ist die Zivilgesellschaft unabhängig vom Staat, jedoch keineswegs ein rechtsfreier Raum.
• Die Zivilgesellschaft schafft einen Raum der Subsidiarität, der es möglich macht, E- benen der Macht zu schaffen, die unabhängig vom Staat sind, jedoch von diesem anerkannt werden.
In Westeuropa und den Vereinigten Staaten steht die Frage im Vordergrund, wie die Bürger wieder mehr Gemeinsinn und soziale Bindungen entwickeln können. In seiner berühmten Antrittsrede hat John F. Kennedy hat seine Sicht der Dinge so auf den Punkt gebracht: „Fragt nicht, was Euer Land für Euch tun kann, fragt, was Ihr für Euer Land tun könnt. Demgegenüber bedeutet der Aufbau einer Zivilgesellschaft in Mittel- und Osteu- ropa zunächst einmal Abbau, nämlich den Abbau der staatlichen Allmacht als Erbe kommunistischer Herrschaftssysteme.
Gerade weil die Teilnehmer der Ostseeparlamentarierkonferenz sich dem Thema „Zivilgesellschaft“ auf sehr unterschiedliche Weise und vor dem Hintergrund verschie- denartigster Erfahrungen nähern dürften, erwarte ich eine lebhafte Diskussion, wie Poli- tik dazu beitragen kann, dieses Gesellschaftsmodell zu unterstützen.
Dabei wird es entscheidend darauf ankommen, ein Gleichgewicht zwischen unbe- schränktem Individualismus und obrigkeitlicher Ordnung zu finden: So viel Staat wie nö- tig, so viel Freiheit wie möglich - diese Richtschnur ist leicht zu ziehen, aber wie schwer es ist, beide Gewichte auszubalancieren, erfahren wir in unserer praktischen politischen Arbeit täglich auf’s Neue.
Deshalb werden wir uns als Politiker uns mit sehr konkreten Fragen befassen müssen. Beispielsweise mit dem jüngst in die Diskussion gebrachten Vorschlag, ob bürger- schaftliches Engagement mit Rentenpunkten belohnt werden sollte? Wie sind Auf- wandsentschädigungen für derartige Tätigkeiten zu bemessen? Wie ist es um Qualifi- zierungsmaßnahmen für ehrenamtlich tätige Personen bestellt? Warum gibt es bisher im Rahmen des Europäischen Freiwilligendienstes für Jugendliche kein Freiwilliges Politisches Jahr? Viele Fragen, die sich an uns richten und die nach einer Antwort ver- langen.
Was uns im Ostseeraum beschäftigt, gilt auch für die Europäische Union. Auch hier ist die Diskussion um das Thema „Zivilgesellschaft“ auf nahezu allen Ebenen entbrannt. Angesichts der bevorstehenden Erweiterung steht die Europäische Union vor der Her- ausforderung, nicht nur als Verwaltungsapparat verstanden zu werden, sondern als Wirt- schafts- und Sozialgemeinschaft, vor allem aber als Lebens- und Wertegemeinschaft.
Die Akzeptanz der europäischen Institutionen verlangt mehr als in der Vergangenheit nach Transparenz, Partizipation und Demokratie. So überrascht es nicht, dass die Stär- kung einer europäischen Zivilgesellschaft in dem jüngst von Kommissionspräsident -3-
Romano Prodi vorgestellten Weißbuch „Europäisches Regieren“ als ein zentrales re- formpolitisches Anliegen ausgewiesen wird. Laut Prodi müsse jeder an seinem Platz sich einem Paradox stellen: Einerseits erwarteten die Bürger von der EU mehr und wirksamere Taten, andererseits verlören sie aber immer mehr das Vertrauen in deren Institutionen oder zeigten kein Interesse. Deshalb müsse es das Ziel der Politik sein, die Bürger mehr zu beteiligen.
Diese Aufforderung ist an uns alle gerichtet. Ich hoffe und erwarte, dass wir die heutige Konferenz nutzen, um diesem Ziel ein wenig näher zu kommen.
Die BSPC - 10 Jahre Arbeit Es ist eingangs bereits erwähnt worden, dass die Konferenz hier in Greifswald eine Be- sondere ist. Wir feiern heute unser 10jähriges Jubiläum; und wir sind ein wenig stolz, dass die Ostseeparlamentarier in dem vergangenen Jahrzehnt einen wichtigen Beitrag zu Sicherheit und Frieden, zu Verständigung und Freundschaft im Ostseeraum geleistet haben.
Ein Jubiläum ist ein willkommener Anlass, um selbstkritisch Bilanz zu ziehen und sich mit einer Reihe von Fragen auseinander zusetzen, auch wenn diese zugegebenerma- ßen manchmal unbequem sind: Wie steht es um den Bekanntheitsgrad der Ostseepar- lamentarierkonferenz? Wie sind die Entwicklungslinien verlaufen? Welche Strukturen und Arbeitsmethoden haben sich herausgebildet? Wie können wir sie verbessern? Was haben wir bisher erreicht und welche vordringlichen Aufgaben liegen vor uns?
Ich will auf diese Fragen einzugehen und auch einige Antworten zu finden versuchen.
Bekanntheitsgrad der BSPC Sollte mich jemand nach dem Bekanntheitsgrad der BSPC fragen, würde ich ihm ant- worten: Bekannt ist sie bereits, berühmt will sie aber erst noch werden. Der Weg dahin ist weit und wir stehen noch am Anfang. Doch der erste Schritt ist getan. Anlässlich des heutigen 10jährigen Jubiläums starten wir unsere eigene Homepage und präsentieren eine Schrift mit dem Titel „BSPC - 10 years of work“. Mit dieser Öffentlichkeitskampag- ne möchten wir unsere Arbeit einem breiten Publikum vorstellen, im Ostseeraum und darüber hinaus.
Der Wunsch der in der Adriatisch-Ionischen Initiative (AII) zusammengeschlossenen nationalen Parlamente der Adria-Anrainerstaaten, mit der BSPC eng zusammenzuar- beiten, zeigt, dass der Informationsfluss entlang der Nord-Süd-Achse in Europa funktio- niert. Der Kooperationswunsch zeigt auch, dass sich die BSPC einen Namen weit über die Region hinaus gemacht hat.

Die BSPC begrüßt den in der Zadar-Deklaration vom 27. April d.J. verankerten Wunsch zur Zusammenarbeit und verleiht ihrer Freude Ausdruck, Delegationen der AII Mitglied- staaten Griechenland, Italien und Kroatien als Gäste der 10. BSPC begrüßen zu kön- nen. -4-
Außerhalb des parlamentarischen Umfeldes ist die Wahrnehmung der BSPC durch die anderen Akteure im Ostseeraum sowohl im Regierungsbereich als auch auf der NGO- Ebene in den zurückliegenden Jahren deutlich gestiegen. Meine Beteiligung als amtie- render BSPC-Vorsitzender an dem CBSS-Ministertreffen Anfang Juni d.J. in Hamburg ebenso wie die offiziellen Gespräche zwischen dem Standing Committee und dem am- tierenden Vorsitzenden des Ostseerates im März d.J. in Berlin oder aber die alljährlich am Rande des Konferenzgeschehens stattfindenden Sitzungen zwischen dem Standing Committee der BSPC und ausgewählten NGO-Repräsentanten belegen diese Ein- schätzung.
Entwicklungslinien Zehn Jahre Ostseeparlamentarierkonferenz bedeuten nicht nur Rückblick auf zehn Jahre erfolgreiche internationale und interregionale Zusammenarbeit der Parlamente im Ost- seeraum. Zehn Ostseeparlamentarierkonferenzen zeigen auch Entwicklungslinien auf. Zu Beginn standen die Begegnung, das gegenseitige Kennenlernen im Vordergrund - vertrauensbildende Maßnahmen gewissermaßen.
Inzwischen kennen wir einander, und neben dem Interesse an der fachlich-inhaltlichen Diskussion über die verschiedenen Themenschwerpunkte unserer Arbeit ist es auch immer wieder eine Freude, bekannte Kolleginnen und Kollegen und vertraute Gesichter alljährlich wiederzusehen. Als Element der Kontinuität und Verstetigung unserer Arbeit haben diese persönlichen Bekanntschaften und teilweise auch Freundschaften einen Wert an sich. Aber es ist nicht nur die persönliche Begegnung unter Bekannten, es ist auch die wachsende fachliche Kompetenz ein weiterer Vorteil, der mit personeller Kon- tinuität im Teilnehmerbereich einherzugehen pflegt. Daraus mag eines Tages die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die teilnehmenden Parlamente jeweils für eine Wahlperiode eine ständige Delegation zur Ostseeparlamentarierkonferenz benennen. Wir kennen dieses Verfahren ja von anderen parlamentarischen Gremien.
Ich bin mir wohl bewusst, dass die Ostseeparlamentarierkonferenz nicht den Cha-rakter einer Parlamentarischen Versammlung hat, und sie ist weit davon entfernt, ein „Ostsee- Parlament“ zu sein. Ich füge gern hinzu: Sie ist n o c h weit davon entfernt, denn wir soll- ten auch den Blick auf künftige Entwicklungen richten. Wie steht es um die Zukunft der parlamentarischen Zusammenarbeit im Ostseeraum?
Eine Antwort muss sicher lauten: Die parlamentarische Dimension der Ostseekoopera- tion insgesamt muss weiter gestärkt werden. Es ist ein Phänomen in allen Parlamenten, es ist gleichsam ein globales Phänomen nicht erst dieser Tage, dass den Parlamenten im Vergleich zu den Regierungen nur der zweite Rang zugemessen wird. Und das ist nicht nur im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit der Fall, sondern auch die soge- nannte politische Klasse scheint dies als Selbstverständlichkeit zu sehen.
Solche Überlegungen taugen nur für Schönwetterperioden. Den Wert von Parlamenten und parlamentarischer Systeme insgesamt erkennen aber alle Menschen, wenn es ein- mal stürmisch wird. So standen auch, und das ist kaum mehr als zehn Jahre her, die Parlamentarier bei der Entwicklung der jungen Demokratien im Ostseeraum nicht nur -5-
symbolisch, sondern ganz konkret im Mittelpunkt, als es Freiheit und Bürgerrechte zu erringen oder zu wahren galt.
Strukturen und Arbeitsmethoden Um diesen Anforderungen zu genügen, müssen wir bereit sein, immer wieder den Blick auch nach innen zu richten und die Effizienz unserer Strukturen und unserer Arbeitsme- thoden zu überdenken. Auch hier gibt es nichts Statisches, sondern die internationale und interregionale Zusammenarbeit im Ostseeraum ist - ebenso wie das politische Zu- sammenwachsen Europas insgesamt - ein Entwicklungsprozess.
Zehn Jahre Ostseeparlamentarierkonferenz sind ein angemessener Anlass, über Ver- änderungsmöglichkeiten in unserer Arbeit nachzudenken und darüber miteinander zu reden. Damit will ich nichts Umwälzendes und schon gar nichts Revolutionäres anregen und ankündigen. Ich plädiere vielmehr für Sensibilität und Behutsamkeit, wenn es um die Fortentwicklung unserer Verfahrensregeln geht, die wir vor zwei Jahren, auf der 8. Ost- seeparlamentarierkonferenz in Mariehamn, verabschiedet haben. Und ich füge hinzu, einstimmig verabschiedet haben. Das Konsensprinzip prägt unsere Arbeit und unseren Umgang miteinander insgesamt. Da mag man bedauern, dass Konsens auf der einen und notwendige Dynamik auf der anderen Seite sich manchmal im Wege stehen. Aber das Konsensprinzip ist ein Stück politischer Kultur in unserer internationalen Arbeit. Wir brauchen es schon deshalb, weil sich in der Ostseeparlamentarierkonferenz Akteure verschiedenster Provenienz zusammenfinden: Vertreten sind die Parlamente großer Nationen ebenso wie bedeutsame Organisationen wie der Nordische Rat mit einer Repräsentanz von fünf nationalen Parlamenten und drei autonomen Regionen, und es gibt die gleichzeitige Vertretung eines Staates durch mehrere Parlamente im föderati- ven System der Bundesrepublik Deutschland. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl ist das alles nicht austariert, ist es unproportional. Aber es wäre auch nicht der arithmetische Ansatz, der uns weiter brächte, sondern wir haben ganz bewusst einen pragmatischen Ansatz gewählt: Der Leitgedanke ist, möglichst nah am Ort des Geschehens und mög- lichst nah bei den Menschen zu sein, die hier in der Ostseeregion leben und die wir mit unserem parlamentarischen Mandat vertreten.
Wenn nach zehn Jahren hier und da der Wunsch nach Korrektur in einzelnen Verfah- rensbereichen laut wird, so ist dies ganz normal und folgerichtig. So gibt es den Wunsch des Nordischen Rates, im Standing Committee statt bisher mit einem, künftig mit zwei Abgeordneten vertreten zu sein. Und ebenso gibt es von russischer Seite den Wunsch, dass nicht nur der Council of Federation, sondern auch die Staatsduma Sitz und Stim- me in diesem Gremium hat.
Das Standing Committee hat sich ausführlich mit diesen Vorschlägen befasst. Als Er- gebnis unserer Beratungen liegt Ihnen ein Antrag zur Beschlussfassung vor, die Verfah- rensregeln der BSPC zu ändern, so dass eine entsprechende Erweiterung des Stan- ding Committee möglich wäre. Das Drafting Committee wird sich mit diesem Antrag befassen. Ich würde es aber auch begrüßen, wenn in der anschließenden Aussprache über die an diesem Vormittag gegebenen Berichte Meinungsäußerungen hierzu bereits aus dem Plenum kämen. -6-

Im Hinblick auf die Zusammensetzung des Standing Committee bleibt es mir nicht er- spart, auch eine traurige, sehr persönliche Bilanz zu ziehen: Unser Kollege und Freund, der lettische Abgeordnete und Vertreter der Baltic Assembly im Standing Committee, Juris Sinka, ist am 4. Mai d.J. verstorben. Mit Juris Sinka hat Lettland einen Politiker verloren, der sich unermüdlich für sein Heimatland und das Wohlergehen seiner Mitbür- ger eingesetzt hat. Durch seine langjährige Mitarbeit in der Baltic Sea Parliamentary Conference, der Baltischen Versammlung und im Europarat hat Juris Sinka die Interes- sen seines Heimatlandes mit viel Erfahrung und mit großem Gespür für das Wesentliche in der nationalen und internationalen Politik vertreten.
Im Namen aller Ostseeparlamentarier trauern wir gemeinsam mit den Familienangehö- rigen um Juris Sinka.
Zukünftig werden die Baltischen Staaten im Standing Committee von Romualds Ra- zuks, Abgeordneter im lettischen Parlament und Vizepräsident der Baltischen Ver- sammlung, vertreten. Ich heiße Herrn Razuks als neues Mitglied des Standing Commit- tee herzlich willkommen und freue mich auf die künftige Zusammenarbeit. Als Vorsit- zender des Drafting Committee haben Sie im Rahmen dieser Konferenz eine wichtige Aufgabe übernommen.
Bisher Erreichtes und noch vor uns liegende Aufgaben Gemäß den Geschäftsordnungsregeln ist das Standing Committee sowohl für die Vor- bereitung der Jahreskonferenz in enger Zusammenarbeit mit dem gastgebenden Par- lament als auch für die Umsetzung der in den Vorjahren verabschiedeten Resolutionen verantwortlich.
Mit Blick auf die Implementierung der im vergangenen Jahr in Malmö proklamierten Schlussfolgerungen ziehe ich folgende Zwischenbilanz:

Ostseejugendstiftung Die Umsetzung der Forderung nach einer Ostsee-Jugendstiftung konnte trotz intensiver Bemühungen mit den Jugendorganisationen und dem Ostseejugendsekretariat bisher nicht realisiert werden. Dennoch bleibt die Ostseejugendstiftung als Langfristziel auf der Tagesordnung. Kurzfristig sollten wir kleinere und damit leichter realisierbare Schritte für ein erstes multinationales Jugendaustauschprojekt einleiten. Einen möglichen Ansatz bietet die Ostseejugendversammlung, die im Oktober 2000 zum ersten Mal in Kalmar / Schweden mit 70 Jugendlichen stattfand und für die ein zweiter Durchgang im nächsten Jahr in Mecklenburg-Vorpommern geplant ist. Ziel der Veranstaltung ist es, Jugendli- chen ein Forum zu geben, um Demokratie und aktive Mitgestaltung in einem interkultu- rellen Kontext zu leben.
Der Ihnen vorliegende Resolutionsentwurf nimmt Bezug auf die Ostseejugendversamm- lung und fordert die Regierungen und Parlamente im Ostseeraum auf, dieses Vorhaben zu unterstützen. -7-
Des weiteren wird in der Resolution ein Appell an alle Regierungen im Ostseeraum ge- richtet, gemeinsam die Trägerschaft für das Ostseejugendsekretariat zu übernehmen. Bisher beteiligen sich nur einige Länder an der Finanzierung dieser Einrichtung. Eine ostseeweite Jugendpolitik kann nur dann glaubhaft sein, wenn alle Anrainerländer ge- meinsam an einem Strang ziehen.
Die Internationale Sommerakademie Die Idee für eine Internationale Sommerakademie geht zurück auf eine Forderung der 5. Ostseeparlamentarierkonferenz 1996 in Riga. Das Institut für Friedenswissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel hat diesen Ansatz aufgegriffen, ein tragfä- higes Konzept vorgelegt und einen ersten einwöchigen Probelauf der Sommerakade- mie zu dem Thema „The Baltic Sea Region in the New Europe“ am 1. September d.J. gestartet. Die Veranstaltung richtet sich an junge Führungskräfte im Ostseeraum, die die Bedeutung der EU-Erweiterung für die Ostseeregion gemeinsam analysieren und diskutieren. Im Rahmen der von Ostseerat und der Ostseeparlamentarierkonferenz ge- meinsam übernommenen Schirmherrschaft wünsche ich der Internationalen Sommer- akademie einen guten Start, gutes Gelingen und eine tragfähige Zukunft.
Die Förderung der universitären Zusammenarbeit im Ostseeraum Ebenso wie die Ostseejugendstiftung und die Sommerakademie richtet sich die Idee der universitären Zusammenarbeit im Ostseeraum vorwiegend an junge Leute. Als Vor- bild für einen solchen Verbund von Forschung und Lehre kann das von der Universität in Turku, Finnland, ins Leben gerufene Netzwerk zur universitären Zusammenarbeit die- nen. Dabei werden im Rahmen von universitären Studiengängen oder Aufbaustudien- gängen gegenseitig anerkannte Abschlüsse in den Fachbereichen Europäische Stu- dien, Ostseestudien, Nordische Studien und Sprachen angeboten.
Der Wissens- und Erfahrungstransfer funktioniert im wesentlichen über einen Austausch von Gastdozenten zwischen den in dem Verbund zusammengeschlossenen Universitä- ten. Dadurch ist ein größtmöglicher Output bei begrenztem finanziellen Einsatz gewähr- leistet. Drittmittel werden projektbezogen eingeworben.
Das Standing Committee der Ostseeparlamentarierkonferenz wird Gespräche mit den Bildungsministerien im Ostseeraum führen, um weitere Universitäten für diesen Verbund zu interessieren und um mögliche Vorschläge für eine Vernetzung der universitären Zu- sammenarbeit mit anderen Akteuren im Ostseeraum zu erarbeiten.
Schiffssicherheit Einem Antrag von Mecklenburg-Vorpommern folgend hat die 9. BSPC in Malmö in ihrer Resolution Maßnahmen zur Verbesserung der Schiffssicherheit und der Sicherheit von Seerouten gefordert. Diese Initiative trägt der Tatsache Rechnung, dass die Ostsee zu den am stärksten befahrenen Meeren der Welt gehört. Prognosen zur Entwicklung des Seeverkehrs lassen noch eine erhebliche Zunahme in den nächsten Jahren erwarten. Dabei bringt insbesondere der Seetransport von Erdöl, Ölprodukten, Chemikalien und Abfällen große Gefahren mit sich. -8-
Schiffshavarien und Ölkatastrophen haben unlängst gezeigt, dass Sicherheitsdefizite äußerst schwierig und nur langfristig abzustellen sind. Darüber hinaus sind die einzelnen Staaten bei der Vorbeugung und Bekämpfung von Umweltkatastrophen überfordert.
Vor diesem Hintergrund hat Mecklenburg-Vorpommern eine Internationale Sachver- ständigenanhörung durchgeführt und in einem umfangreichen Bericht Vorschläge für Maßnahmen zur Verbesserung der Schiffssicherheit und der Sicherheit von Seerouten erarbeitet. Die Ergebnisse sind in den Teil II des Ihnen vorliegenden Resolutionsent- wurfs eingeflossen; der Bericht ist der Resolution als Anlage beigefügt.
Der Vorsitzende der Vereinigung der peripheren Küstenregionen, Stig Ostdahl, wird in seinem Vortrag auf diese Thematik eingehen. Im Anschluss daran werden wir Gelegen- heit zu einer ausführlichen Diskussion haben.
Als Politiker haben wir alle die Erfahrung gemacht, dass große Dinge nicht von heute auf morgen vom Wunsch zur Wirklichkeit werden. Die Zusammenarbeit im Ostseeraum ist eine große Aufgabe und eine enorme Herausforderung. Die Entwicklung geht schrittweise voran und ist noch lange nicht zum Abschluss gekommen. Im Westen war die Vorbereitung auf Europa ein Prozess von mehr als einer Generation. In den jungen Demokratien muss alles viel schneller gehen, wobei die notwendige Übernahme des vollständigen rechtlichen Besitzstandes der Europäischen Union nicht nur eine Forde- rung, sondern bisweilen eine Überforderung ist.
Dieses Problem stellt sich Parlamenten und Regierungen gleichermaßen. Wenn wir mit dieser Konferenz die Nähe zu den Akteuren der Zivilgesellschaft herstellen, so bedeutet dies die Erweiterung des Netzwerkes der Ostseekooperation um eine wichtige, ja, um die wichtigste Dimension - die Einbeziehung und den Dialog mit den Menschen, die hier leben.



Herausgeber: Pressestelle des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel, Postf. 7121, 24171 Kiel, Tel.: (0431) 988- Durchwahl -1163, -1121, -1120, -1117, -1116, Fax: (0431) 988-1119 V.i.S.d.P.: Dr. Joachim Köhler, E-Mail: Joachim.Koehler@ltsh.landsh.de. Internet: http://www.sh-landtag.de