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27.08.01
14:54 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel: Zugvögel auf Schleichfahrt oder wie man von Hamburg nach Kopenhagen in drei Stunden kommen kann

Fraktion im Landtag PRESSEDIENST Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
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Nr. 231.01 / 27.08.2001 Zugvögel auf Schleichfahrt oder wie man von Hamburg nach Kopenhagen in drei Stunden kommen kann
Die Reisezeit eines Eurocity zwischen Hamburg und Kopenhagen beträgt viereinhalb Stunden. Um allerdings eine brauchbare Alternative zum Flugzeug und PKW zu sein, müsste diese auf drei Stunden reduziert werden. Nur dann sind Tagesreisen für Touris- ten und insbesondere auch für Geschäftsleute interessant.
Die Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat deshalb den Fahrgastverein PRO BAHN gebeten, darzustellen, durch welche Maßnahmen die Strecke Hamburg- Kopenhagen beschleunigt werden kann. Karl-Martin Hentschel, Fraktionsvorsitzender und verkehrspolitischer Sprecher, und Holger Busche, stellvertretender Vorsitzender von PRO BAHN Schleswig-Holstein, erläutern gemeinsam das Ergebnis:
Die Ergebnisse sind sensationell. Allein durch den Ausbau auf 160 km/h, den Einsatz von schnelleren Bahnfähren und durch Optimierung des Fahrplans kann die Bahn- Verbindung Hamburg-Kopenhagen von heute viereinhalb Stunden auf drei Stunden und fünf Minuten beschleunigt werden. Durch den Ausbau der Strecke auf 200 km/h wären sogar zwei Stunden und 35 Minuten Fahrzeit erreichbar.
Dagegen ist die mögliche weitere Beschleunigung um eine Viertelstunde durch den Bau eines Tunnels geradezu vernachlässigbar. Sie kostet aber im Vergleich zur Drei- Stundenlösung das zehnfache, im Vergleich zur zweieinhalb Stundenlösung das dreifa- che.
Auch wenn es sich bei den vorliegenden Zahlen nur um Überschläge handelt, sind die Konsequenzen aus diesen Berechnungen für uns offensichtlich: Verzicht auf unwirt- schaftliche Gigantomanie und Konzentration auf die kostengünstigsten Alternativen. Wir fordern die Landesregierung auf, die Zahlen zu überprüfen und eigene Schlussfol- gerungen daraus zu ziehen. Maßnahme Fahrzeitverkür- spezifische Empfeh- Kosten zung Kosten pro lung Minute Ausbau auf 160 km/h ca. 45 min 0,3 Mrd. € 7 Mio. €/min ja Ausbau auf 200 km/h zusätzlich 0,7 Mrd. € 23 Mio €/min nein ca. 30 min Einsatz einer Schnell- ca. 25 min 0,1 Mrd. € 5 Mio. €/min ja fähre Optimierung Fahrplan ca. 15 min - - ja Bau Tunnel oder Brücke zusätzlich 3 - 4 Mrd. € 150 - 200 nein ca. 15 min Mio. €/min
Die aufgeführten Kosten sind selbstverständlich reine Investitionskosten ohne die lau- fenden Betriebskostenkosten. Dadurch können sich geringe Verschiebungen ergeben.

Ausbau auf 160 km/h
Die größte Zeitersparnis, nämlich eine dreiviertel Stunde, bringt der Ausbau der Strecke auf 160 km/h. Heute erlaubt die Strecke zwischen Hamburg und Puttgarden lediglich Geschwindigkeiten zwischen 90 und 110 km/h, obwohl die dänischen IC3-Triebwagen- Züge für Geschwindigkeiten von 180 km/h zugelassen sind. Um diese Züge 160 km/h fahren zu lassen, sind folgenden Maßnahme erforderlich:
• Die Signaltechnik und Sicherungstechnik muss auf einen modernen Stand gebracht werden. Die bisherige Technik lässt nur Geschwindigkeiten von maximal 140 km/h zu. • Alle Bahnübergänge müssen mit Schranken versehen werden, da an den jetzigen Bahnübergängen lediglich 100 km/h zugelassen sind. • Eine Sanierung der Gleise ist erforderlich und • es müssen verschiedene enge Kurven entschärft werden, die zum Teil nur mit 90 km/h befahren werden dürfen.
Die Gesamtkosten für den Ausbau der Strecke auf 160 km/h werden von PRO BAHN auf ca. 0,3 Mrd. € geschätzt, wobei die Beseitigung der zu engen Kurven den größten Kostenfaktor ausmacht. Da ein Teil dieser Investitionen sowieso notwendig ist, und die- se Maßnahme vergleichsweise geringere spezifische Kosten verursacht, halten wir sie für sinnvoll.

Ausbau auf 200 km/h
Der Ausbau der Strecke auf 200 km/h würde eine weitere Verkürzung der Fahrzeit er- möglichen. Dazu sind folgende Maßnahmen erforderlich:
• Alle Bahnübergänge müssen begradigt werden, d.h. Bau von Unter-/Überführungen für die Straßen. • Es müssen weitere Kurven beseitigt werden. • Im Raum Oldenburg ist der Neubau der Strecke erforderlich, da die bisherige Streckführung eine derartige Beschleunigung nicht möglich macht.

2 Die Gesamtkosten für diesen Ausbau der Strecke liegt noch mal bei 0,7 Mrd. €. Der kostenaufwendigste Teil davon ist der Neubau eines Streckenabschnittes auf deutscher Seite. Die spezifische Kosten pro Minute Zeitgewinn betragen für diese Maßnahme das dreifache gegenüber der Beschleunigung auf 160 km/h. Deswegen halten wir die Um- setzung dieser Maßnahme nicht für sinnvoll. Die Mittel sollten lieber zum Ausbau ande- rer Bahnabschnitte in Schleswig-Holstein eingesetzt werden, auf denen eine Beschleu- nigung größere Fahrgastgewinne erwarten lässt.

Schnellfähre
Die 23 sm (Seemeilen) über den Ärmelkanal zwischen Calais und Dover werden von modernen 40 Knoten schnellen Schnellfähren in 40 Minuten bewältigt. Dagegen beträgt die Entfernung über den Fehmarnbelt nur zehn sm, also nicht mal die Hälfte. Trotzdem benötigt die Fähre über den Fehmarnbelt heute 45 Minuten reine Fahrzeit plus fünf Mi- nuten durchschnittliche Wartezeit für die Bahn.
Verladezeiten treten bei der Zugverladung praktisch nicht auf, da der Zug direkt auf die Fähre fahren kann. Wenn der Zug halbiert werden muss, dann können die einzelnen Zugteile sich automatisch trennen und ferngesteuert auf die Fähre fahren. Beim Einsatz einer gesonderten Eisenbahnschnellfähre würden auch die Wartezeiten entfallen, da dann die Fähre jeweils auf den Zug wartet und sofort mit dem Zug losfahren kann.
Insgesamt kann die Fahrzeit über den Belt auf zirka 25 Minuten verkürzt werden - eine Zeitersparnis von mindestens 25 Minuten ist also möglich. Die heutige Verkehrsdichte kann problemlos mit einer Fähre bewältigt werden. Die Kosten für eine Fähre werden auf 100 Mio. € geschätzt.
Diese Kosten fallen aber nur solange als zusätzliche Kosten an, als der zusätzliche Einsatz der Fähre nicht durch zusätzliche Verkehre ausgeglichen wird. Bei dem pro- gnostizierten Wachstum des Verkehrs, der den Planungen der festen Beltquerung zugrunde liegt, wird sowieso die Anschaffung von zusätzliche Fähren erforderlich, so dass die Kosten für die Schnellfähre nicht voll in Ansatz gebracht werden können. Da- für fallen aber Betriebskosten an, die bei einer genauen Kosten-Nutzen-Rechnung be- rücksichtigt werden müssen.
Allerdings dürfte die anzusetzende Abschreibungsdauer einer Fähre kürzer als die ei- ner Brücke oder eines Tunnels sein. Dadurch verringert sich der Kostenvorteil der Schnellfähre gegenüber anderen Investitionen etwas, ohne dass das Wesentliches am Ergebnis ändert.
Im Ergebnis erweist sich der Einsatz einer Schnellfähre als die kostengünstigste Investi- tion zur Beschleunigung der Zugverbindung. Der Einsatz ist daher empfehlenswert.

Optimierung Fahrplan
Der heutige Fahrplan weist auf 375 km Entfernung sieben Zwischenhalte aus – eine ungewöhnliche Haltestellendichte für eine Euro-City. Ein Wegfall von vier Haltestellen (z.B. Oldenburg, Puttgarden, Roedby und Hoeje Taastrup) bedeutet eine Verkürzung der Reisezeit um 15 Minuten. Zusätzlich kann die Möglichkeit des Einstiegs auf der Fähre angeboten werden, um Fahrgästen aus Fehmarn in Richtung Kopenhagen oder von Lolland in Richtung Hamburg die Fahrt nach Lübeck bzw. Nykøping zu ersparen.
3 Dies ist natürlich nur realisierbar durch eine entsprechende Anpassung der Fahrpläne für den Regionalverkehr (siehe unten). Zusätzliche Investitionen sind dafür nicht erfor- derlich. Die Umsetzung dieser Maßnahme ist deshalb sinnvoll.

Bau Tunnel oder Brücke
Mit der Schnellfähre beträgt die Fahrzeit ungefähr 30 Minuten. Der Bau einer Brücke oder eines Tunnels würde diese Fahrzeit auf zirka zehn Minuten verkürzen. Damit wür- de eine weitere Verkürzung der Fahrzeit um zirka 15 Minuten erreicht.
Die Kosten für die feste Fehmarnbelt-Querung liegen je nach Variante zwischen drei und vier Milliarden €. Damit sind die spezifischen Kosten 20-mal so hoch wie bei den beiden günstigsten Maßnahmen. Eine Umsetzung dieser Maßnahme halten wir deshalb nicht für sinnvoll.

Der ITF Süddänemark-Schleswig-Holstein
Neben der Verkürzung der Fahrzeiten schlägt PRO BAHN weitere Maßnahmen vor, um den Bahnverkehr zwischen Hamburg und Kopenhagen attraktiver zu machen. Dazu hat PRO BAHN einen Vorschlag für einen integralen Taktfahrplan (ITF) erarbeitet. Die Ba- sis dafür ist der ITF, den PRO BAHN für Schleswig-Holstein erstellt hatte und der Ende 2002 im ersten Schritt eingeführt werden soll.
Dieser ITF wurde nun für Süddänemark erweitert. Dabei wird für die Strecke Hamburg- Kopenhagen ein Zweistundentakt vorgeschlagen. Durch die Verkürzung der Fahrzeiten kann der zusätzliche Verkehr weitgehend ohne zusätzliche Fahrzeuge und Personal realisiert werden.
Für alle Anschlussverbindungen addieren sich dann die Vorteile des ITF mit denen der verbesserten Euro-City-Verbindung. So reduziert der Vorschlag die Fahrzeit von Kiel nach Kopenhagen über Lübeck von heute fünf Stunden 20 Minuten auf künftig drei Stunden 35 Minuten - also um fast zwei Stunden.
Parallel zum EC wird zur Zeit der Einsatz einer Regionalbahn (RB) im Zweistundentakt als Verlängerung der RB Lübeck-Neustadt nach Fehmarn geprüft. Diese RB soll Feh- marn über einen neuen Inselbahnhof bei Burg anbinden, der den ungünstigen Bahnhof in Puttgarden ersetzen soll.
Diese Verbesserungen sollen dann mit attraktiven Tarifen und mit einem geeigneten Werbekonzept verbunden werden. Auf diese Weise kann mit relevanten Umsteigeef- fekten vom Auto und Flugzeug auf den EC und mit zusätzlichen Touristen und Ge- schäftskunden gerechnet werden, die dazu führen können, dass auch die wirtschaftli- che Seite der EC-Verbindung Hamburg-Kopenhagen günstiger aussieht.
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