Dr. Gabriele Kötschau zu TOP 19: Auswirkungen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft
Sozialdemokratischer InformationsbriefLandtag Kiel, 11.07.01aktuell Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: RedebeginnGabriele Kötschau zu TOP 19:Auswirkungen der deutschen EU-RatspräsidentschaftWorüber reden wir heute eigentlich? Was ist eigentlich der Ostseerat? Welche Aufga- be hat er? Antwort: Der Ostseerat ist ein Gremium, das in einzigartiger Weise EU- Mitgliedsstaaten, Beitrittsstaaten und Nicht-Mitgliedsstaaten zusammenbringt und in seiner Arbeit vereint. Er ist ein Bindeglied zur EU für alle Ostseeanrainer.Der Prozess der Entwicklung einer Region mit 80 Millionen Einwohnern muss mode- riert werden; alle Ostseenachbarn müssen sich und ihre Interessen vertreten wissen. Dies ist eine der vornehmsten Aufgaben der Ostseeratspräsidentschaft. Kurz gesagt: Das Ziel einer erfolgreichen Ratspräsidentschaft ist das Voranbringen der ganzen Re- gion. Haben die Schweden sich stark auf die Themen Bürgernähe, Umwelt- und Sozi- alpolitik konzentriert, so ergibt sich schon aus der geographischen Lage Deutschlands eine stärkere Berücksichtigung der EU-Osterweiterung.Das Ende eines der beiden Militärblocks, der historische Zerfall einer Großmacht mit allen sich hieraus ergebenden Unwägbarkeiten, Chancen und Risiken sowie die rasan- te Entwicklung auf unserem Kontinent macht es erforderlich, dass nicht jene ausge- grenzt werden, die – nicht nur in Bezug auf eine Mitgliedschaft in der EU – am Rande stehen. Sie sollen nicht Zuschauer, sondern Mitspieler sein, nicht Voyeure, sondern Schleswig- HolsteinHerausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-Akteure! Sie sollen an unseren Erfahrungen teilhaben und uns an ihren teilnehmen lassen. Damit die wirtschaftliche Zusammenarbeit eine Partnerschaft und keine Paten- schaft wird.Unter der deutschen Ostseeratspräsidentschaft hat sich in Berlin im März dieses Jah- res erstmals ein großes internationales Wirtschaftsforum, zu dem Außenminister Joschka Fisher und Wirtschaftsminister Werner Müller eingeladen hatten, explizit mit der Ostseeregion beschäftigt. Erstmals ist damit das Interesse der Wirtschaft auf die Entwicklungsmöglichkeiten an der Ostsee gelenkt worden. Ein solches Forum stärkt die Position der norddeutschen Länder – auch wenn sich nicht gleich die Auswirkun- gen auf neue Arbeitsplätze ermitteln lassen.Eine verbesserte Verkehrsinfrastruktur etwa kann nur aus Zweibahnstraßen bestehen, nicht aus Einbahnstraßen, und schon gar nicht aus Sackgassen! Das bedeutet: Die ganze Region muss sich entwickeln, damit vorhandene Unterschiede nicht größer werden, sondern alle Staaten und alle 162 Subregionen gleichermaßen die Chance haben, sich weiterzuentwickeln. Eine dieser 162 ist Schleswig-Holstein.Die Frage, wie viele Arbeits- und Ausbildungsplätze während der deutschen Ostsee- ratspräsidentschaft in Schleswig-Holstein entstanden sind, geht daher an der Aufgabe der Ostseeratspräsidentschaft vorbei. Soweit sich dies überhaupt messen lässt, könn- te die Frage höchstens lauten: Ist es unter der deutschen Präsidentschaft gelungen, die Ostseekooperation weiter zu entwickeln und einen Aufschwung zu beflügeln? Und natürlich: Welche Schwerpunkte sind gesetzt worden, und liegen diese im deutschen, im schleswig-holsteinischen Interesse?Von den inhaltlichen Schwerpunkten, die sich die deutsche Präsidentschaft gesetzt hat, lassen Sie mich nur einige wenige nennen: Beseitigung von Handelsbarrieren Erstellung eines IT-Netzwerkes für kleine und mittlere Unternehmen -3-Organisation eines hochrangigen internationalen WirtschaftsforumsFerner stand unter anderem - im Rahmen der Nordischen Dimension - die Erstellung regionaler Projekte im Ostseeraum auf der Agenda, „einschließlich Kaliningrads“. E- benso das Vorantreiben der Ostseeregion als einer aufstrebenden Wissenschaftsregi- on mit einer gemeinsamen kulturellen Identität und aktiver Beteiligung der zivilen Ge- sellschaft am Demokratisierungsprozess und am internationalen Austausch. Die zu diesem Thema vor wenigen Wochen in Lübeck veranstaltete Konferenz der NGOs (Nicht-Regierungs-Organisationen) stieß auf große Resonanz. Gesellschaftliche Orga- nisationen, die ohne staatliche Unterstützung großes leisten, wozu der Staat gar nicht in der Lage ist, verdienen auch unsere Unterstützung.Zu den deutschen Schwerpunkten gehörte ferner die verbesserte Nutzung „akademi- scher Ressourcen“ – man kann die Vorschläge einer von der deutschen Ostseerats- präsidentschaft beauftragten Expertengruppe so formulieren: Investiert in die Köpfe; gebt den jungen Menschen, gebt der Jugend die bestmögliche Ausbildung, beseitigt Hindernisse, die ihrer Mobilität in Ostseeraum noch im Wege stehen – Stichworte: Ostseesommeruniversität, die Entwicklung gemeinsamer Curricula und die gegenseiti- ge Anerkennung akademischer Grade. Der Aufbau von Euro-Fakultäten – wie sie be- reits in Tartu, Riga und Vilnius bestanden – ist in Kaliningrad fortgesetzt worden. Nicht nur aus akademischen Gründen auch für Schleswig-Holstein wichtig; es ist eine gute Ergänzung unserer gemeinsamen Vorhaben und unserer Zusammenarbeit mit Kali- ningrad.Konkrete Punkte, die unsere Arbeit in der Ostseeregion unterstützen und fördern. Wei- tere Punkte, die auch für Schleswig-Holstein von elementarem Interesse sind, könnte ich noch hinzufügen, wie etwa die Fortsetzung der Arbeit einer „Task Force“ gegen das Organisierte Verbrechen oder gegen Korruption; aus Zeitgründen möchte – und kann – ich mich auf das gesagte beschränken. -4-Wir verstehen die Ostseeratspräsidentschaft falsch, wenn wir sie als „Aufbaupro- gramm für Schleswig-Holstein“ verstehen wollen. Vielmehr ist es unsere Chance, uns gemeinsam mit unseren Nachbarn um die Ostsee herum zu entwickeln und gleichzei- tig unseren östlichen Nachbarn dabei zu helfen, sich weiterzuentwickeln, damit auch sie mehr und mehr einen aktiven Beitrag leisten können zu Wachstum und Wohlstand in einer ungeheuer spannenden und zusammenwachsenden Region. Die Entstehung und Entwicklung einer gemeinsamen Identität ist unsere große Chance im Ostsee- raum.Die Ostseeratspräsidentschaft ist jetzt auf die Russische Föderation übergegangen. Machen wir es auch zu unserem eigenen Anliegen, die Russen in der Arbeit während ihrer Präsidentschaft zu unterstützen, gemeinsames gemeinsam voranzubringen und zu helfen, Brücken zu bauen. Auch wenn es nicht auf Anhieb messbar ist, wo konkret und in welchem Umfang Schleswig-Holstein hiervon profitieren wird: Eine Stabilisie- rung und Stärkung Russlands schließt die Erstarkung der russischen Ostseeanrainer- Regionen ein und stärkt damit unsere Partner – und damit ein Stück die Region insge- samt. Und damit Schleswig-Holstein. Für diejenigen, die stets zunächst an neue Märk- te denken: Ein erstarkender Nachbar wird auch ein starker Handelspartner für Schles- wig-Holstein!Messen wir die Bundesregierung gerade nach ihrer Ostseeratspräsidentschaft daran, wie sie ihr Engagement fortsetzt und die Ostseepolitik zu ihrer eigenen Sache macht. Hier sind wir mit der neuen Bundesregierung einen guten Schritt weitergekommen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, auf diesem Wege noch viele Schritte nach vorn zu gehen – damit die positiven Auswirkungen auf Schleswig-Holstein irgendwann auch ihre Skeptiker überzeugen!