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11.07.01
17:02 Uhr
B 90/Grüne

Irene Fröhlich: Für die Ehe ändert sich nicht das kleinste bisschen!

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 8 - Ausführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes - Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Dazu sagt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Durchwahl: 0431/988-1503 Irene Fröhlich: Zentrale: 0431/988-1500 Telefax: 0431/988-1501 Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.gruene-landtag-sh.de Für die Ehe ändert sich nicht Nr. 198.01 / 11.07.2001 das kleinste bisschen!
Wohl selten geht es in der Debatte um ein Landesgesetz so wenig um den Inhalt dieses Gesetzes und so sehr um eine dahinterstehende prinzipielle Frage.
Formal geht es um ein Gesetz, das die Ausführung eines Bundesgesetzes regelt, ge- naugenommen das Verwaltungsverfahren und die zuständigen Behörden. Ich denke, es gibt da keine großen Differenzen in diesem Haus, dass die Begründung der Lebenspart- nerschaft am Besten im Standesamt aufgehoben ist. Damit könnte ich meine Rede ei- gentlich beenden.
Eigentlich geht es aber um die Frage, ob wir die gesellschaftlichen Realitäten anerken- nen und auf Dauer angelegte Partnerschaften von zwei Frauen oder zwei Männern staat- licherseits anerkennen und fördern wollen. Vieler orten wurde die Auseinandersetzung um diese sogenannte „Homo-Ehe“ schon als Kulturkampf bezeichnet.
Herr Beckstein hat heute wieder einmal bekräftigt, eine Ehe müsse stets für die Zeugung von Nachkommen offen sein. Das ist höchst interessant, denn Anfang Juni konnten wir lesen, dass unser ehemaliger Bundespräsident Roman Herzog - CDU-Mitglied - sich 67jährig nach dem Tod seiner Frau wiederverheiraten will, und zwar mit einer Frau die 60 Jahre alt ist, wenn man der Süddeutschen Zeitung Glauben schenken darf. Sie werden mir darin zustimmen, dass die Aussicht dieses Paares auf gemeinsame Kinder doch eher gering ist. Wer von Ihren Parteifreunden, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen der CDU, hat dem ehemaligen Verfassungsrichter und Bundespräsidenten vorgehalten, dass ausgerechnet er das Institut der Ehe verrate?
Auch wenn es mir schwer fällt, das Privatleben anderer Menschen zu bemühen: Es ist notwendig, weil auch dieses prominente Beispiel deutlich macht, was eine Ehe wirklich ausmacht: Dass zwei Menschen, die einander verbunden sind, sich das Versprechen gegenseitiger Unterstützung und Fürsorge geben. Dies sieht vermutlich auch Herr Beck- stein so, solange es sich nicht um gleichgeschlechtliche Paare handelt. Nun also zu der Behauptung, es müsse sich aber mindestens um einen Mann und eine Frau handeln, weil dies in unserem Kulturkreis traditionell mit dem Begriff der Ehe ver- bunden wird.
Sicherlich handelt es sich bei der Mehrheit der Partnerschaften um Mann und Frau, weil nun einmal die Mehrheit der Bevölkerung heterosexuell ist. Die Wirklichkeit zeigt uns a- ber, dass homosexuelle Partnerschaften, was die eben beschriebene Essenz der Ver- bindung angeht, genauso wie die traditionelle Ehe „funktionieren“. Und gleichgeschlecht- liche Partnerschaften sind auch keine Erfindung der 68er-Generation, es gibt sie vermut- lich seit Anbeginn der Menschheit, sie mussten in vergangenen Jahrhunderten nur stets im Verborgenen gelebt werden. Dieses Schicksal teilen sie allerdings mit anderen frühe- ren Tabus. Auch die Scheidung und Wiederverheiratung war beispielsweise bis vor kur- zer Zeit noch gesellschaftlich verpönt, dennoch käme heute in diesem Haus vermutlich niemand auf die Idee, eine zweite Ehe widerspräche verfassungsrechtlich gesehen dem Wesen dieser Institution.
Sie werden meinen Ausführungen entnommen haben, dass ich den KritikerInnen des Lebenspartnerschaftsgesetzes durchaus darin zustimme, dass die geplante Lebenspart- nerschaft von ihrer Ausgestaltung her der traditionellen Ehe sehr ähnlich ist.
Ich sehe auch keinen Grund, die Ehe nicht auch für gleichgeschlechtliche Paare zu öff- nen. Dies ist zur Zeit nicht möglich, daher wurde von der rot-grünen Regierung in Berlin die Form des Lebenspartnerschaftsgesetzes gewählt. Und ich habe bei aller Offenheit für Debatten um die Inhalte grundgesetzlich geschützter Wert kein Verständnis für die Klä- ger gegen dieses Gesetz, denn es ändert an der traditionellen Mann-Frau-Ehe nicht das kleinste bisschen.
Es ist wahrlich kein Ruhmesblatt für die demokratische Auseinandersetzung, wenn mit dieser an den Haaren herbeigezogenen Begründung ein regulär zustande gekommenes Gesetz gestoppt werden soll, das bestimmten Gruppen von Ewiggestrigen einfach nicht in ihr Weltbild passt. Auch wird der demokratischen Tradition in diesem Land kein Dienst erwiesen, wenn die unionsregierten Länder sich weigern, im Vermittlungsausschuss über die „große“ Lösung mit steuerrechtlicher Gleichstellung überhaupt nur zu reden.
Noch schlimmer ist aber das Kalkül auf den eigentlichen Normenkontrollantrag zu ver- zichten, weil vorauszusehen ist, dass der Antrag in der Hauptsache keine Chance hat. Gleichzeitig wird versucht, durch die einstweilige Anordnung das Gesetz noch ein paar Monate zu verzögern. Ein solches Verfahren ist des Umgangs von Bund und Ländern miteinander unwürdig! Ich bin mir sicher, dass das Bundesverfassungsgericht sich nicht für diese Spielchen instrumentalisieren lässt und dass wir wie geplant ab August die ers- ten Hochzeitstorten mit zwei Männern oder zwei Frauen aus Marzipan genießen und vor den Standesämtern des Landes die schönsten gleichgeschlechtlichen Brautpaare be- glückwünschen können.

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