Klaus Schlie: Sicherheitspolitik ohne Konzept
LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.cdu.ltsh.de e-mail:info@cdu.ltsh.dePRESSEMITTEILUNG Es gilt das gesprochene Wort Nr. 294/01 vom 11. Juli 2001TOP 10 Klaus Schlie: Sicherheitspolitik ohne Konzept Wenn wir heute über die Situation der Inneren Sicherheit und über die Lage der Polizei in Schleswig-Holstein reden, schlagen wir eines der traurigsten Kapitel der Landespolitik auf. Das einzig anerkennenswerte ist die Ehrlichkeit, mit der die Landesregierung den desolaten Zustand unserer Polizei in der Beantwortung der Großen Anfrage der F.D.P. darstellt.Bereits auf den ersten Seiten ist zu lesen, dass die Gesamtkriminalität im 10-Jahres- Vergleich nur in den Jahren 1998 und 1999 günstiger war. Das würde sich ja auch wirklich gut anhören, wenn man nicht schon aus der direkt nachfolgenden Tabelle entnehmen müsste, dass Schleswig-Holstein im Vergleich zu den anderen Bundesländern den vorletzten Platz mit einer Aufklärungsquote von 45,6 % einnimmt; nur in Hamburg ist mit 43,4 % die Aufklärungsquote noch geringer.Wirft man einen Blick auf die Entwicklung der Gesamtkriminalität im Lande, so ist eine dramatische Entwicklung auf diesem Gebiet festzustellen. Von 1991 bis 2000 ist eine Zunahme von 39 % festzustellen. Diese Fakten bedeuten, dass im letzten Jahr 7.555 Menschen Opfer eines Gewaltdelikts wurden, während es 1991 (ich vermeide hier bewusst das Wort „nur“) 5.189 Bürgerinnen und Bürger waren.In der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage habe ich dann auch nach Punkten gesucht, bei denen sich die Entwicklung nicht ganz so dramatisch darstellt. Gefunden habe ich keine. Vielmehr ist die Bilanz auf ganzer Linie erschreckend.- Auch wenn die Diebstahlskriminalität seit 1991 um 18,5 % gesunken ist, so darf doch nicht vergessen werden, dass dies in erster Linie auf einen Erlass des Generalstaatsanwalts zurückzuführen ist, so dass Diebstähle, die 1999 noch erfasst wurden, mittlerweile nicht mehr erfasst werden. Von einer positiven Bilanz kann also auf gar keinen Fall gesprochen werden. - Die Rauschgiftkriminalität hat im Jahr 2000 einen neuen Höchststand erreicht; ein Vergleich zum Vorjahr ergibt eine Steigerung von 10 %. Die Zahl erstauffälliger Konsumenten harter Drogen ist im Vergleich zum Vorjahr sogar um 22 % gestiegen. Enorme Steigerungsraten sind im Zeitraum 1995/2000 bei Amphetamin und Ecstasy zu verzeichnen, die insbesondere eine Gefahr für Jugendliche darstellen. Angesichts dieser erschreckenden Zahlen frage ich mich, ob es verantwortbar ist, dass ca. 80 % aller Ermittlungsverfahren im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität nach § 31 a Betäubungsmittelgesetz eingestellt werden. Eine Überarbeitung des geltenden Rechts halte ich für dringend erforderlich.Besonders erschreckend stellt sich auch die Entwicklung bei der Jugendkriminalität dar. Dramatisch ist zum einen die deutliche Zunahme der Qualität von Gewalthandlungen, zum anderen die Entwicklung der sog. Raubdelikte. Dass der Anteil der Jungtatverdächtigen im Berichtsjahr mit 64,7 % über dem Anteil der Erwachsenen liegt ist alarmierend. Zieht man nun noch die Tatsache heran, dass im 10-Jahres-Vergleich der Altersgruppen die höchste Steigerungsrate auf die Raubstraftaten von Kindern (!!) – von 35 im Jahre 1991 auf 170 im Jahr 2000 – entfällt, so ist dies noch erschreckender. Gleichzeitig – und dafür fehlt uns völlig das Verständnis – kündigen Sie an, den Bereich der Prävention zurückzufahren und die Arbeit der Polizei auf ihre Kernaufgaben zu reduzieren. Das müssen Sie uns erklären: Was sind denn die Kernaufgaben der Polizei? Ist es eine Konzentration auf Kernaufgaben, wenn Sie einen Verbrecher jagen, der sein Verbrechen vielleicht nie begangen hätte, wenn ausreichende Präventionsmaßnahmen stattgefunden hätten? Nein: Hier wird wieder einmal ein Schlagwort verwendet, das herhalten muss, um Ihre völlig desolate Personalpolitik zu verschleiern, und nur darum geht es! Sie opfern notwendige Präventionsarbeit Ihrer desolaten Haushaltslage und setzen auf kurzfristige Effekte anstatt auf eine langfristige Verbesserung der Inneren Sicherheit in unserem Land.Meine Damen und Herren, der Personalbestand in der Landespolizei nimmt stetig ab und wird sich auch in Zukunft negativ weiterentwickeln. Es muss die Frage gestattet sein, wie Sie mit immer weniger Polizisten die immer drängender werdenden Sicherheitsprobleme lösen wollen.Zur Begründung wird angeführt, dass die verminderte Planstellenzahl aus Stelleneinsparungen im Rahmen des 1.600-Stellen-Einsparkontigentes der Landesregierung und durch Umwandlung von Vollzugsstellen in den Tarifbereich resultiere. Diese Begründung liest sich so, als sei die Landesregierung selbst machtlos und müsse das umsetzen, was andere beschlossen haben. Aber wie Sie selbst wissen, ist natürlich das Gegenteil der Fall.Sie haben in Ihrer politischen Verantwortung für das Land beschlossen, insgesamt 1.600 Stellen zu streichen und den Polizeibereich mit einzubeziehen. Angesichts der eben dargestellten Kriminalitätslage ist eine solche Entwicklung erschreckend. Da können auch die durchschnittlichen Reaktionszeiten nicht überzeugen, deren Angaben ich ohnehin bezweifele. Auf die Frage, ob in jedem Schutzbereich ständig zwei Beamtinnen und/oder Beamte mit einem Fahrzeug auf Streife sind, antwortet die Landesregierung, dass die Polizeiinspektionen in eigener Zuständigkeit unter Berücksichtigung der örtlichen Bedürfnisse dies regeln; zutreffender wäre es wohl, von einer Berücksichtigung der personellen Kapazitäten zu sprechen.So ist es für uns auch nicht nachvollziehbar, wenn die Landesregierung über eine bessere Qualifizierung privater Sicherheitsdienste nachdenkt, um eine Zusammenführung der Polizei und privater Sicherheitsdienste im Rahmen einer begrenzten Sicherheitskooperation zu erreichen. Hätte das Land mehr Polizeibeamte, würde sich dieses Problem erst gar nicht stellen.Umso unverständlicher ist es dann auch, dass die Landesregierung sowohl die verdachtsunabhängigen Kontrollen als auch die Videoüberwachung bei Kriminalitätsbrennpunkten immer wieder ablehnt.Nachdem wir erst im Januar über einen eher enttäuschenden, nicht einmal sieben Seiten umfassenden Bericht der Landesregierung zum Thema „Videoüberwachung“ debattiert haben, möchte ich auf diesen Punkt heute nicht weiter eingehen. Es sei nur gesagt, dass mittlerweile auch im SPD-regierten Niedersachsen Videokameras begrenzt eingesetzt werden und das Innenministerium dort bereits das Resümee gezogen hat, dass die Videoüberwachung sich als Teil der präventiven polizeilichen Maßnahmen bewährt habe.Außerdem habe das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger an den videoüberwachten Orten in Niedersachsen gestärkt werden können.Ich frage mich, wie lange sich die Landesregierung noch vor diesen Argumenten verschließen will. Wenn in der Antwort der Großen Anfrage gesagt wird, dass Schleswig-Holstein kein Brennpunkt der internationalen Kriminalität oder der organisierten Kriminalität sei, aber eine bedrohliche Entwicklung bei der Schleusungskriminalität von Ost nach West, beim Drogenhandel, bei Kfz-Verschiebungen und im Bereich der organisierten Kriminalität registriere, so drängt sich mir die Frage auf, warum die Landesregierung die verdachtsunabhängigen Kontrollen so vehement ablehnt. Nach diesem Exkurs möchte ich noch einmal auf die Situation der Polizeibeamten zurückkommen.Was die zweigeteilte Laufbahn angeht, so wird in der Antwort zur Großen Anfrage klargestellt, dass eine Zeitschiene zur Verwirklichung der zweigeteilten Laufbahn bei der Schutzpolizei bisher nicht definiert wurde. Mit der für Schleswig-Holstein immer noch geltenden Definition von Minister Dr. Wienholtz gibt es nach wie vor keine verlässliche Zielbestimmung. So schafft man nach wie vor kein Vertrauen in die Politik dieser Landesregierung, sondern fördert lediglich Unmut, Frust und Perspektivlosigkeit. Die CDU fordert jedoch nach wie vor ein verbindliches Laufbahnverlaufsmodell, um den Beamten der Polizei verlässliche Anhaltspunkte für den Aufstieg in den gehobenen Dienst im Verlauf ihrer dienstlichen Laufbahn zu geben und wir fordern eine zeitlich verbindliche Zielplanung für die Umsetzung der zweigeteilten Laufbahn.Dass die Polizei noch so „funktioniert“, ist schließlich auf die hohe Leistungsbereitschaft und die immer noch bestehende große Motivation der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im Land zurückzuführen.Die Abgeordneten der CDU-Landtagsfraktion haben auf ihrem „Tag der Landespolizei“ sehr nachdrücklich erfahren, dass es in der Landespolizei erhebliche Mängel gibt. Dies bezieht sich nicht nur auf die Situation der Beamten und Personalstärke, sondern vor allem auch auf die Arbeitsbedingungen und die Sachausstattung. So gibt es zum Beispiel ein Handy für ganz Eiderstedt, in Leck sahen wir Mobiliar aus den frühen 60-ern und Schreibmaschinen aus dem Museum. Der einzige Schreibcomputer diente dann aber auch schon für 10 Beamte. Diese Liste könnte endlos fortgesetzt werden.Angesichts der Tatsache, dass Stormarner Polizisten zum Teil mit elf oder zwölf Jahre alten Streifenwagen herumfahren müssen, erstaunt es nicht weiter, wenn in dem Bericht zu lesen ist, dass 215 Fahrzeuge der Landespolizei einen Kilometerstand von über 200.000 km aufweisen, von denen 24 Fahrzeuge sogar schon über 300.000 km gefahren sind.Die CDU-Landtagsfraktion begrüßt jedoch die Erkenntnis des Innenministers, dass die Landespolizei im Bereich der Sachausstattung einen erheblichen Nachholbedarf hat. So unterstützen wir die Beschaffung von Polizeifahrzeugen im Wege von Finanzleasing, dies entspricht einer alten Forderung der Opposition.Auch wenn die Landesregierung nun eine Vielzahl von Organisationsreformen und Modernisierungsvorhaben aufzählt, so ist deren Sinnhaftigkeit aufgrund des gebundenen Personals doch eher zweifelhaft.Was die Wasserschutzpolizei angeht, so ist ihr ein äußerst desolater Zustand zu bescheinigen. Nachdem im Frühjahr diesen Jahres bekannt wurde, dass es in Zukunft nur noch sechs statt neun Reviere geben werde, ergibt sich aus der Antwort der Großen Anfrage auch die Begründung. So ist festzustellen, dass die Streifenfahrten kontinuierlich abgenommen haben. Im Jahr 2000 konnten an 810 Tagen aufgrund von Ausfallzeiten keine Einsatzfahrten unternommen werden. So ist die Reform wohl eher auf die Reparaturbedürftigkeit der Schiffe als auf die tatsächlichen Gegebenheiten zugeschnitten. Im Gegensatz zu Ihrem Amtsvorgänger haben Sie, Herr Innenminister, die Probleme zumindest erkannt und auch einmal Lösungsvorschläge der Opposition aufgenommen. Ich erinnere an das Leasing-Modell für neue Fahrzeuge, das zumindest ein Problem verringert hat. Dennoch bleibt eine lange Liste offener Probleme, sei es beim Thema Schutzwesten, beim digitalen Funk, beim Zustand der Schiffe unserer Wasserschutzpolizei oder bei der Büroaustattung unserer Stationen. Meine Damen und Herren, ich halte fest: Die Kriminalität ist in wesentlichen Gebieten dramatisch angestiegen. Die Aufklärungsquote geht zurück. Gleichzeitig kürzen Sie beim Personal und die Sachausstattung unserer Polizei ist veraltet – das ist eine Sicherheitspolitik ohne Konzept. Ich will für die CDU-Fraktion erneut betonen, dass der Bereich der Landespolizei für uns bei den notwendigen Haushaltskürzungen immer ein Tabubereich war, ist und bleiben wird. Dieser Bericht der Landesregierung ist ein Offenbarungseid rot-grüner Politik im Bereich der Inneren Sicherheit.