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11.07.01
15:07 Uhr
FDP

Günther Hildebrand: "Die Antwort auf unsere Anfrage ist ein Hilferuf des Innenministers an das Parlament"

F.D.P. L a n d t a g s f r a k t i o n Schleswig-Holstein 1 Christian Albrecht Pressesprecher
V.i.S.d.P.


F.D.P. Fraktion im Nr. 245/2000 Schleswig- Holsteinischen Landtag Landeshaus, 24171 Kiel Kiel, Mittwoch, 11. Juli 2001 Postfach 7121 Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497 Sperrfrist: Redebeginn E - Mail: fraktion@fdp-sh.de Internet: http://www.fdp-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!
Günther Hildebrand: “Die Antwort auf unsere Anfrage ist ein Hilferuf des Innenministers an das Parlament“
Zum heutigen TOP 10 (Große Anfrage zur Situation der Inneren Sicherheit und Lage der Polizei/FDP) erklärte der innen- und rechtspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Günther



Presseinformation Hildebrand:
„Zunächst eines vorweg. Ich möchte mich im Namen meiner Fraktion recht herzlich für die Antwort auf unsere Große Anfrage beim Innenminister, den Mitarbeitern des Ministeriums und auch bei den Polizeibeamtinnen und –beamten im Land, die an der Beantwortung unserer Fragen mitgewirkt haben, bedanken.
Herr Minister Buß, dies ist im Vergleich zu früheren Großen Anfragen die ehrlichste Antwort, die uns bisher vorgelegt wurde.
Auch wenn wir über die eine oder andere Antwort noch unterschiedlicher Meinung sein können, insgesamt werden doch überraschend klar und offen viele Mängel aufgedeckt und zugegeben.
Einige Passagen sind ein regelrechter Hilferuf an das Parlament, endlich die erforderlichen finanziellen Mittel bereitzustellen.
Seien Sie sich sicher Herr Minister, wir haben diesen Hilferuf vernommen, allerdings auch nicht erst heute. Ich hoffe, Ihre Kolleginnen und Kollegen im Kabinett und in der Koalition haben dies ebenso verstanden, wenngleich mir da der Glaube fehlt.
Die Bilanz der Antworten auf die Fragen ist kurz zusammengefasst:
1. Die Landespolizei leidet unter zu großem Personalmangel, um der steigenden Kriminalität Herr zu werden.
2. Die Landespolizei ist großenteils schlecht ausgestattet.
3. Eine Verschlechterung der Personal- und Sachausstattung der Landespolizei ist zu erwarten, da Haushaltsmittel nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen. 2
4. Trotz der widrigen Umstände ist die Moral und das Engagement bei den Polizistinnen und Polizisten im Lande hoch. Die Grenzen des Zumutbaren sind allerdings schon überschritten.
Meine Damen und Herren,
Das Innenministerium hat uns bestätigt, dass Schleswig-Holstein bei der Aufklärungsquote der Straftaten mit 45,6 Prozent an vorletzter Stelle im Ländervergleich liegt. Nur Hamburg hat für das Jahr 2000 schlechtere Zahlen vorzuweisen. Selbst Stadtstaaten wie Berlin und Bremen haben höhere Aufklärungsquoten, obwohl z.B. Berlin im Verhältnis zur Einwohnerzahl 78 Prozent mehr Straftaten zu beklagen hat.
Eine hohe Aufklärungsquote ist aber ein wesentlicher Beitrag zur Prävention. Viele potentielle Täter werden durch eine hohe Aufklärungsquote von der Begehung von Straftaten abgeschreckt. Was aber macht die Landesregierung? Sie baut weiter Personal ab, mit dem Ergebnis, dass immer weniger Straftaten aufgeklärt werden, frei nach dem Motto: Wo kein Ermittler, da keine Aufklärung.
Besonders drastisch zeigt sich dies am Beispiel Kiel. Obwohl die Einwohnerzahl zurückgegangen ist, hat sich die Zahl der gemeldeten Straftaten erhöht. Die Aufklärungsquote ging um 1 % auf knapp 44 Prozent zurück und nun sollen auch noch weitere 30 Beamte aus Kiel abgezogen werden.
Meine Damen und Herren,
Leider nimmt auch die Gewaltkriminalität drastisch zu. Dabei ist unter Gewalt nicht die einfache Körperverletzung zu verstehen, sondern – und nun hören Sie bitte genau zu –
Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen, Kindestötung, Vergewaltigung, Raub, räuberische Erpressung, räuberischer Angriff auf Kraftfahrer, Körperverletzung mit Todesfolge, gefährliche und schwere Körperverletzung, erpresserischer Menschenraub, Geiselnahme und Angriff auf den Luftverkehr. Insgesamt wurde in diesem Bereich ein Anstieg von 12,7 Prozent ausgewiesen.
„Dramatisch“ ist harmlos, wenn es um die Bezeichnung des Anstiegs der Gewaltstraftaten bei Kindern und Jugendlichen geht. Bei den unter 14-jährigen beträgt der Zuwachs 290,3 Prozent, bei den 14-18-jährigen hat sich die Gewaltkriminalität verzweifacht bis verdreifacht. Unter rot-grün ist Schleswig-Holstein weiß Gott nicht kinderfreundlicher geworden.
Da stellt sich die Frage, wie die Entwicklung aussähe, wenn es keine kriminalpräventiven Räte gäbe? 3 Der Sinn dieser Einrichtungen wird offensichtlich nicht sehr hoch eingeschätzt, denn die Landeszuweisungen wurden in den letzten vier Jahren auf nun 23.000,- DM fast halbiert.
Auch die Rauschgiftkriminalität hat im Zeitraum von 1991-2000 um über 100 Prozent, zugenommen. Dabei ist herauszuheben, dass der Zuwachs bei den Erstkonsumenten 66 Prozent beträgt und sich allein die Zahl der Erstkonsumenten von Ecstasy verzehnfacht hat.
Gerade bei der Bekämpfung des Rauschgifthandels wird in der Antwort die Arbeit der vier Gemeinsamen Ermittlungsgruppen Rauschgift (GER) von Polizei, BGS und Zoll hervorgehoben. Die GER sei eine wesentliche Säule bei der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität. Was passiert aber, wenn in Flensburg und Lübeck Standorte des Zolls geschlossen werden und die dort vorhandene Ausrüstung nicht mehr zur Verfügung steht?

Stichwort Kriminalpolize:
Wann ist in Pinneberg, eine sogenannte A-Inspektion, mit der Einrichtung eines Kriminaldauerdienstes (KDD) zu rechnen? 1999 wurde er durch Staatssekretär Wegener zugesagt und nun müssen wir lesen, dass der KDD nur noch „angestrebt“ wird.
Wie sieht es mit der Abarbeitung der ca. 10.000 DNA-Altfälle aus? Ich wünsche Ihnen nicht, Herr Innenminister, dass es einmal heißt, ein Täter konnte nicht rechtzeitig ermittelt werden, weil zwar die DNA-Daten vorlagen, aber nicht ausgewertet waren.
Wann wird die zweigeteilte Laufbahn bei der Kripo nicht nur im Stellenplan, sondern auch in der Besoldung verwirklicht? 125 Beamte warten auf eine ihrer Stelle entsprecheden Entlohnung.
Zum Thema „Internetkriminalität“und hier insbesondere die Kinderpornographie. Keine Kriminalpolizeidienststelle verfügt über einen eigenen Internetanschluss. Es kann also in diesem Bereich gar nicht ermittelt werden. Nebenbei: Bayern führt für den eigenen Zuständigkeitsbereich anlassunabhängige Internetrecherchen durch. Warum also nicht auch Schleswig-Holstein?
Es gibt zwar bei den Polizeiinspektionen zur Zeit 27 Internetanschlüsse, diese dienen aber nicht Ermittlungszwecken.
Bei der Schutzpolizei lässt sich feststellen, dass ein immer größerer Rückzug der Polizei aus der Fläche erfolgt. Polizeireviere mit nachgeordneten Dienststellen wurden aufgelöst und an deren Stelle Polizei-Zentralstationen mit nachgeordneten Diensten eingerichtet, die nunmehr für die Schutzbereiche zuständig sind. Für diese Bereiche sind insgesamt 245 Dienststellen mit 1.818 Polizeibeamten zuständig. Das ergibt pro Schicht und Dienststelle eine durchschnittliche Besetzung von 1,8 Beamten. Auch kann der Antwort entnommen werden, dass nicht ständig zwei Beamte pro Fahrzeug im Streifendienst sind. 4 Insgesamt geht der Personalbestand von Schutz- und Kriminalpolizei zurück. Waren 1999 noch insgesamt 8.372 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, so waren es in 2000 nur noch 8.137. Geplant sind zum Jahresende 8.069 und im Jahr 2005 nur noch 8.036 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Die Sachausstattung ist oft mangelhaft. Ein Großteil der Ausrüstung ist bereits so alt, dass er abgeschrieben ist. So sind von den Booten der Wasserschutzpolizei bereits 6 über dreißig Jahre. Die Helgoland erreicht dieses Alter in drei Jahren.
Der Fahrzeugbestand weist 215 Fahrzeuge aus mit einem Kilometerstand von über 200.000 gefahrenen Kilometern.
In den Jahren 1997 bis 2000 wurden insgesamt lediglich 58 schwere Schutzwesten beschafft.
Meine Damen und Herren,
meine Aufzählung muss unvollständig bleiben, zehn Minuten Redezeit reichen zu einer vollständigen Auseinandersetzung mit solch einer umfangreichen Großen Anfrage einfach nicht aus.
Einige Schlussbemerkungen möchte ich aber noch machen.
Herr Innenminister, die Polizei spricht durchaus positiv über Sie. Auch ich bestreite Ihnen nicht ein entsprechendes Engagement.
Was nützt es uns aber, wenn Sie sich beim Finanzminister und im Kabinett nicht durchsetzen können, die erforderlichen Mittel einzuwerben?
Gemessen werden sie an Taten und nicht an Ankündigungen. Wir warten deshalb gespannt auf die nächsten Haushaltsberatungen.
Loben, und das ist mir ein besonderes Anliegen, möchte ich die vielen Polizeibeamtinnen und –beamten im Lande. Ihre hohe Motivation und Einsatzbereitschaft bei den miserablen Zuständen ist für mich nicht mehr nachvollziehbar. Nur diesen Beamtinnen und Beamten haben wir es zu verdanken, dass die innere Sicherheit und das subjektive Sicherheitsempfinden in der Bevölkerung noch in dem jetzigen Maße vorhanden ist.“