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18.06.01
09:37 Uhr
Landtag

Rede des Präsidenten der Kaliningrader Gebietsduma, Wladimir A. Nikitin, anl. des Kieler-Woche-Gesprächs am 18.06. im Kieler Schloss

Rede des Präsidenten der Kaliningrader Gebietsduma, Wladimir A. Nikitin (Übersetzung. Es gilt das gesprochene Wort!)

Thesen der Ansprache des Präsidenten des Kaliningrader Regionalpar- laments anlässlich des Kieler-Woche-Gesprächs im Kieler Schloss am 18. Juni 2001

„Erfahrungen und Erwartungen an die Osterweiterung der EU aus Kali- ningrader Sicht“

Die durch den Beitritt Polens und Litauens in die europäische Union bedingten Prozesse verändern grundsätzlich die geopolitische Situation rings um unsere Region. Die einzigartige internationale Konfiguration beginnt reale Konturen zu gewinnen. Die russische Region wird zu einer Enklave innerhalb der sich erwei- ternden Europäischen Union.

Die Kaliningrader Situation kann man und soll man betrachten als eine für die EU und Russland gemeinsame Chance zur Schaffung eines wichtigen Bausteins für den wirtschaftlichen und sozialen Integrationsprozess Russlands in dem gesamt- europäischen Raum.

Die jetzige Lage unserer Nachbarstaaten ruft ernsthafte Besorgnis hervor.

Mir der Einführung der Visumpflicht von polnischer Seite und mit der beab- sichtigten Visumpflicht in Litauen wird es dazu kommen, dass die Möglichkeiten der Einwohner in der Region stark beschränkt werden, die benachbarten Länder zu besuchen. Ferner wir vor allem die Ein- und Ausreise nach Russland stark er- schwert. Faktisch wird es eine Situation geben, bei der jeder Einwohner der Ka- liningrader Region von den Normen und Regelungen des Schengener Abkom- mens abhängig sein wird, wenn er in eine andere beliebige Region Russlands reisen möchte, sei es seine Verwandte zu besuchen, eine Dienstreise zu unter- nehmen oder seine Angehörigen oder Verwandten zu beerdigen. Die Transportprobleme werden komplizierter. Höchst schmerzlich für die Kaliningrader und auch die Bürger der Russischen Föderation, die in das Kali- ningrader Gebiet fahren wollen, war der jüngste Beschluss der lettischen Regie- rung über die Abschaffung des visumfreien Eisenbahntransits im eigenen Territo- rium. Es gibt Angaben darüber, dass unser Nachbar Litauen für das Jahr 2003 die Abschaffung des visumsfreien Transits plant. Insbesondere geht es um die Abschaffung des Zugtransits sowohl für die Kaliningrader, als auch für die ande- ren Einwohner der Russischen Föderation.

Unvermeidlich scheint auch die baldige Visumeinführung unseres Nachbarn Po- lens zu sein. Soweit bekannt ist, legte die Regierung dieses Landes Pläne über den Bau der „Berlinerstrecke“ auf Eis.

Auch die Energiewirtschaft ruft bei uns ernste Befürchtung hervor. Der Bedarf der Kaliningrader an elektrischer Energie erfolgt zu 94 % mittels Überlei- tungen durch litauisches Territorium. Die Anpassung an die europäischen Stan- dards kann zusätzliche Schwierigkeiten in der Energieversorgung der Kalinin- grader Region hervorrufen.

Nicht weniger wichtig ist für uns die Problemlösung in den Bereichen des Um- weltschutzes, der sozialen Versorgung, des Gesundheitswesens und des Fischfangs.

Fraglich ich auch die Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit einzelner Betriebe sowie der gesamten Wirtschaft in der Region bei der Angleichung der Nachbarn an die Standards der EU.

Ich glaube, dass ebenso die Mitgliedstaaten der EU nicht an einer Zunahme der ökonomischen, ökologischen und sozialen Schwierigkeiten unserer Region inte- ressiert sind.

Natürlich bleibt heute die Frage über die Zukunft der Region zum größten Teil offen. Viele Politiker und Experten sprechen darüber, dass die Entscheidungen, die in diesem Jahr hauptsächlich in Moskau und Brüssel getroffen werden, das Geschehen der nächsten Jahre und Jahrzehnte bestimmen werden. Das er- schreckende Szenario, dass die Kaliningrader Region von dem sich dynamisch entwickelndem Raum des Baltikums ausgegrenzt wird, scheint sich zum Glück nicht zu bewahrheiten. Für eine stabile Entwicklung in der Region ist vor allem ei- ne gewisse Offenheit, die Wirtschaftsliberalisierung und die Integration in die „europäische Prozesse“ notwendig, allerdings sind die Voraussetzungen hierfür noch nicht geschaffen werden.

Die Regierung der Kaliningrader Region, die durch die Wahl das Vertrau- en des Volkes Ende des letzten Jahres bestätigt bekommen hat, machten von Anfang an zu ihrer Hauptaufgabe, die Fragen der Entwicklung der Region zu lösen. Die intensiven Beratungen mit der Regierung Russlands, der Administration des Präsidenten und der Duma ermöglichen eine Reihe wichtiger Entscheidungen zu treffen. Aufgrund der Protokollentscheidung der Regierung der Russischen Föderation vom 22. März wird die Arbeit über die Bildung des föderalen Programms hinsichtlich der Entwicklung des Kaliningrader Gebiets für den Zeitraum bis 2010 beendet sein. Die Arbeit bezüglich der Vervollkommnung der gesetzlichen Grundlagen über das Funktionieren der Sonderwirtschaftszone wird fortgeführt. Ferner werden die Beratrungen zwischen Russland und der EU im Rahmen des Abkommens über die Partnerschaft weitergeführt. Optimistisch fassen wir die Bereitschaft des föderalen Zentrums auf, das die beträchtlichen Mittel für die Vervollkommnung der regionalen Infrastruktur und für den Bau von TEZ 2 der Gasleitung bereitstellt.

Es ist gut möglich, dass die Gewährung von beträchtlichen Steuervergünstigun- gen für strategisch wichtige Projekte von noch größerer Bedeutung werden kann. Die intensive Suche nach einer optimalen Korrelation zwischen den föderalen und regionalen Wechselbeziehung wird in die Verwaltung der Sonderwirtschafts- zone fortgeführt. Wir sind heutzutage überzeugt, dass der Status der Sonderwirt- schaftszone beibehalten und somit attraktiver für die Investoren wird.

Wir akzeptieren und befürworten die These, dass die russischen föderalen und regionalen Mächte die volle Verantwortung für das Schicksal der Kaliningrader Region tragen. Zugleich ist es ganz offensichtlich, dass die Mehrzahl der oben genannten Probleme ohne eine aktive und interessante Beteiligung der EU und seiner Einzelmitglieder, ohne russische föderale und regionale Mächte noch er- folgreich gelöst werden kann. Es ist keine leichte Aufgabe, die einen Umgang komplexen, nicht traditionellen Vorgängen erfordert. Gleichzeitig gibt die EU- Erweiterung und die Lage der Kaliningrader Region die einzigartige Chance Moskau und Brüssel, das Können und den Wunsch für eine Zusammenarbeit zu demonstrieren. Daher wird nach Lösungen konkreter Probleme gesucht, und vielleicht könnten sogar diese dabei gewonnenen Erfahrungen auf den Koppera- tionskreis dementsprechend angewendet werden.

Dabei ist es unmöglich, die Rolle der Kooperation an der Ostsee zu unterschät- zen. Innerhalb der 10jährigen neueren Geschichte haben wir die Unterstützung von befreundeten Nachbarstaaten erfahren und rechnen in der Zukunft mit ihr auch. Zum jetzigen Zeitpunkt der Entwicklung in der Region könnte diese Unter- stützung einen wichtigen Beitrag leisten, damit sowohl die stabile Entwicklung der Region, als auch deren Umwandlung in ein kleines, aber wichtiges Mosaiksteinchen der Stabilität gewährleistet ist.

Danke für ihre Aufmerksamkeit.