Arens: Ostseekooperation ist vor allem eine Klammer zwischen Russ land und den anderen Ostseestaaten
D E R L A N D T A G SCHLESWIG - HOLSTEIN 57/2001 Kiel, 15. Juni 2001 Sperrfrist: 15. Juni 2001, 15:00 Uhr Es gilt das gesprochene Wort!Landtagspräsident Heinz-Werner Arens: Ostseekooperation ist vor allem eine Klammer zwischen Russland und den anderen OstseestaatenKiel (SHL) – In seiner Rede „Die Bedeutung der Ostseekooperation im Post-Nizza-Prozess“ anlässlich des Europapolitischen Kongresses der Europa-Union in Kiel erklärte Landtagspräsident Heinz-Werner A- rens u. a. :„Wenn der Post-Nizza-Prozess mit der Erweiterungsfähigkeit der Union gleichzusetzen ist, so leistet die Ostseekooperation bereits im Vorwege ein Stück Implementierung. Im Ostseeraum leben rund 100 Millionen Menschen. Ihnen, und gerade den Menschen in den Ländern, die noch nicht zur Europäischen Union gehören, schulden wir eine klare Antwort, nach welchen Leitlinien und I- deen sich die Europäische Union entwickeln soll.Seitens der Europäischen Kommission wurde Ende 1997 aufgrund einer finnischen Initiative das Konzept der ,Nördlichen Dimension’ als über- greifender Politikansatz für Nordeuropa vorgestellt. Die Nördliche Di- mension ist inzwischen eine offizielle Politiklinie der Europäischen Union. Insbesondere durch die gleichberechtigte Einbeziehung Russlands so- wie der Beitrittsländer Polen, Estland, Lettland und Litauen ist die Initiati- ve von gesamteuropäischer Bedeutung. Dabei wird dem Verhältnis der Europäischen Union zu Russland in Zukunft eine Schlüsselrolle einge- räumt. 2Damit spreche ich die aus meiner Sicht wichtigste Aufgabe der Ostsee- kooperation im Kontext der Osterweiterung an. Im Ostseeraum sind heute vier der Anrainerstaaten Mitglied der Euro- päischen Union: Deutschland, Dänemark, Schweden und Finnland. Po- len, Estland, Lettland und Litauen haben Europa-Abkommen mit der EU unterzeichnet und streben die Mitgliedschaft an. Norwegen ist nicht Mit- glied, aber über den Europäischen Wirtschaftsraum mit der EU verbun- den. Bei dieser Konstellation wird die Rolle der Kooperation im Ostsee- raum deutlich: Sie ist ein Bindeglied zwischen Mitglieds- und Nichtmit- gliedsstaaten der Europäischen Union, und sie stellt vor allem eine Klammer zwischen Russland und den anderen Ostseestaaten dar.Insoweit hat die Ostseekooperation eine Bedeutung für den Prozess der EU-Erweiterung und weist zum Teil darüber hinaus: In der noch stärkeren Einbeziehung Russlands liegt die größte künftige Herausforderung an die Zusammenarbeit im Ostseeraum. Ohne sie bliebe die Ostseekoope- ration ein Torso, und ohne ein abschließend geklärtes Verhältnis der Be- ziehung zwischen Russland und der EU blieben für die Sicherheit des eu- ropäischen Kontinents und für die wirtschaftliche Entwicklung ganz Euro- pas zentrale Fragen offen.Wir sollten das große östliche Nachbarland der erweiterten Europäi- schen Union nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit betrach- ten, sondern auch und vor allem mit Blick auf sein großes Wirtschafts-, Handels- und Wissenschaftspotential. Das alles kann aber nur nutzbar gemacht werden, wenn die politischen und gesellschaftlichen Verhältnis- se in Russland stabil und berechenbar bleiben. Die Zusammenarbeit im Ostseeraum hat in dieser Perspektive eine Dimension, die über Wirt- schafts- und Handelsbeziehungen hinausweist. Sie ist auch eine Grund- lage der Vertrauensbildung, die eine größere Annäherung Russlands an seine westlichen und nördlichen Nachbarn ermöglicht. Der immer noch spürbare Hang zur Selbstisolierung in der russischen Politik kann aus meiner Sicht am ehesten im Ostseeraum überwunden werden: Hier ste- hen nicht globale und zum Teil gegenläufige Interessen im Vordergrund, sondern ganz praktische Fragen der Raumkooperation, die die Lebens- verhältnisse der Menschen in der Region spürbar verbessern können. Diese Verknüpfung, das Denken und Arbeiten in transnationalen Netz- werken, ist die grundlegende Philosophie der Ostseekooperation. Es ist 3ein ganz pragmatischer Politikansatz, der nur soviel Institutionalisierung anstrebt, wie es zum Funktionieren der internationalen Kooperation er- forderlich ist. Die Zusammenarbeit der Parlamente der Ostseeanrainer- staaten ist ein Beispiel dafür:In der Ostseeparlamentarierkonferenz, Baltic Sea Parlamentary Confe- rence – BSPC –, in der Schleswig-Holstein in diesem Jahr den Vorsitz hat, leisten alle nationalen und regionalen Parlamente auf der Grundlage völliger Gleichberechtigung einen Beitrag dazu, dass der Norden und der Nordosten Europas auf vielen Politikfeldern immer enger zusammenar- beiten und konfliktfrei zusammenwachsen. Zu nennen sind die Ver- kehrsinfrastruktur, Energieversorgung, Informationstechnologie, scho- nender Umgang mit natürlichen Ressourcen und der Umweltschutz. In den Küstenländern, und das wird auch von der Bundesebene anerkannt, sind ein erhebliches Wissen und viel Erfahrung über die Ostseeregion vorhanden. Und – ich füge aus eigener Erfahrung hinzu: auch manchmal mehr Interesse – die Dinge voranzubringen, als es auf der zentralstaatli- chen Ebene der Fall ist.Aus unserer Sicht liegt eine ideale Kooperation darin, dass die nationa- len und die regionalen Ebenen im Ostseeraum intensiv zusammenar- beiten. Dazu gehört auch und vor allem, dass die wachsende Bedeutung der Regionen entsprechend wahrgenommen und respektiert wird. Ich betone dies, weil der Prozess der Regionalisierung kein Phänomen der Ostseeregion ist. Und das ist ebenso richtig wie wichtig: Es beklagen sich die Menschen zu Recht, dass Politik vielfach über ihre Köpfe hinweg gemacht wird, dass sie nicht hinreichend einbezogen werden.Die sinnvolle Verteilung von Kompetenzen zwischen der zentralstaatli- chen und der regionalen Ebene nach föderalem Muster ist sicher der beste Weg zu mehr Bürgerbeteilung und zu größerer Bürgernähe.“Den vollständigen Text der Rede finden Sie in einem separaten Dokument. Herausgeber: Pressestelle des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel, Postf. 7121, 24171 Kiel, Tel.: (0431) 988- Durchwahl -1163, -1121, -1120, -1117, -1116, Fax: (0431) 988-1119 V.i.S.d.P.: Dr. Joachim Köhler, E-Mail: Joachim.Koehler@lvn.parlanet.de. Internet: http://www.sh-landtag.de