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31.05.01
16:35 Uhr
CDU

Thorsten Geißler: Der Gesetzgeber ist gefordert

LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N

Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.cdu.ltsh.de e-mail:info@cdu.ltsh.de
PRESSEMITTEILUNG Nr. 238/01 vom 31. Mai 2001
TOP 35 Thorsten Geißler: Der Gesetzgeber ist gefordert
Der Generalstaatsanwalt unseres Landes hat vor etwa zwei Wochen mit eindrucksvollen Argumenten eine gesetzliche Vereinfachung der Speicherung genetischer Daten von Straftätern gefordert, um schwere Verbrechen besser aufklären und Täter überführen zu können. Eine funktionstüchtige Gendatei, so argumentiert er, sei bei der gegenwärtigen Gesetzeslage nicht aufzubauen. Denn eine Feststellung und Speicherung des sogenannten genetischen Fingerabdrucks ist auch bei verurteilten Straftätern nach der gegenwärtigen Rechtslage nur dann zulässig, wenn eine sogenannte Negativ- bzw. Gefährlichkeitsprognose vorgenommen wird, also wegen der Art oder Ausführung der Tat der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig erneut Strafverfahren wegen schwerer Straftaten zu führen sind.
Der Generalstaatsanwalt gab Beispiele, die die Widersprüchlichkeit der gegenwärtigen gesetzlichen Regelung aufzeigen. Wenn beispielsweise das Gericht bei einem Ersttäter nach einem Sexualverbrechen die Haftstrafe zur Bewährung aussetzt, ist es äußerst schwierig, die Wahrscheinlichkeit für einen Rückfall hoch anzusetzen. Bei bereits einsitzenden Straftätern, die vor ihrer Entlassung nach Verbüßung von 2/3 der Haft stehen, ergibt sich folgendes Problem:
Einerseits müsse ein Gutachter bescheinigen, dass keine Wiederholungsgefahr bestehe, gleichzeitig müsse ein Richter entscheiden, dass ein Rückfall wahrscheinlich sei, damit eine Speichelprobe genommen werden könnte. Der Generalstaatsanwalt hat daher einen gesetzlich festgelegten Katalog von Straftaten gefordert, bei dem ein Gentest obligatorisch ist. Das vergrößere die Chance, dass Sexualstraftäter in der beim BKA geführten Gentdatei aufgelistet sein. Denn, so sagte der Generalstaatsanwalt, wer ein Kind sexuell missbrauche und anschließend töte, sei erfahrungsgemäß fast nie ein Ersttäter. Die Sexualstraftäter müssen sich gefallen lassen, dass auch ohne Wahrscheinlichkeitsprognose eine Speichelprobe genommen wird, so Erhard Rex.
Da wir uns in der CDU-Fraktion der Tatsache bewusst sind, dass die Feststellung und Speicherung des sogenannten genetischen Fingerabdrucks einen erheblichen Grundrechtseingriff darstellt, haben wir die Landesregierung gebeten, dem Landtag einen Bericht zu erstatten, in dem sie darlegt, ob die von dem Generalstaatsanwalt geforderte Änderung des § 2 des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes nach ihrer Einschätzung rechtlich zulässig wäre.

Der Bericht ist auch zügig erstattet worden, dafür danke ich ausdrücklich. Leider flüchtet sich der Bericht der Landesregierung in die Feststellung, die geforderte Rechtsänderung sei wörtlich „höchst problematisch“. Ob die Behauptung, dass das Bundesverfassungsgericht eine entsprechende Änderung des DNA- Identitätsfeststellungsgesetzes bzw. der Strafprozessordnung wegen eines Verstoßes gegen das Grundrecht der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes für verfassungswidrig erklären würde, wie es in dem Bericht heißt, kann man durchaus bezweifeln.

Das Bundesverfassungsgericht hat jedenfalls die gegenwärtig bestehende gesetzliche Regelung ausdrücklich für verfassungsgemäß erklärt. Der Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, der mit der Feststellung und Speicherung des nicht-codierenden Anteils der DNA einhergehe, sei gerechtfertigt, da er die Erleichterung der Aufklärung künftiger Straftaten von erheblicher Bedeutung bezwecke und damit einer an rechtstaatlichen Garantien ausgerichteten Rechtspflege diene, der ein hoher Rang zukomme. Die vorsorgliche Beweisbeschaffung verstoße auch nicht gegen das Übermaßverbot. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht verwiesen auf die Anknüpfung an die vorangegangene Verurteilung, auf die Gefahrenprognose, den Richtervorbehalt, die Tilgungsfristen zur Wahrung des Rehabilitationsinteresses des Betroffenen und die strengen Zweckbindungsvorschriften.

Der Schluss, dass das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen das Übermaßverbot dann bereits bejahen würde, wenn von all diesen Einschränkungen die Gefahrenprognose entfiele, ist aus meiner Sicht alles andere als zwingend. Prüfungsmaßstab bei der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden wegen richterlicher Anordnung über die Feststellung des genetischen Fingerabdruckes war im übrigen die gegenwärtige rechtliche Regelung, so dass aus der Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht hierbei eine konkrete Gefahren- bzw. Negativprognose gefordert hat, sich keineswegs der Schluss ableiten lässt, eine anderslautende Regelung sei verfassungswidrig.

Die Landesregierung verweist nun in ihrem Bericht auf einen Beschluss der Innenministerkonferenz vom 10. Mai 2001, nachdem die Möglichkeiten einer Erweiterung der gesetzlichen Grundlagen für die molekulargenetische Behandlung von Straftätern zunächst praktisch und rechtlich geprüft werden sollen. Allerdings hat sie vergessen, darzulegen, dass 9 Bundesländer diesem Beschluss eine Protokollnotiz angefügt haben. Sie halten es unabhängig von der Notwendigkeit eines besonderen verfassungsrechtlichen Prüfungsbedarfs für erforderlich, dass sobald wie möglich gesetzgeberische Schritte eingeleitet werden, um den Einsatz der DNA-Analyse für die künftige Strafverfolgung zu erweitern. Geboten und kurzfristig umsetzbar ist insofern eine Erweiterung bei den Taten, die Anlass für eine DNA-Behandlung sein können, auf alle Delikte mit sexuellem Hintergrund sowie auf Straftaten, wegen derer sich der Betroffene aufgrund rechtkräftiger Verurteilung in Strafhaft befindet oder befinden sollte. Das ist auch die Auffassung meiner Fraktion. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist durch das Grundgesetz verbürgt. Eingriffe im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit unter Beachtung des Grundgesetzes der Verhältnismäßigkeit aber sind zulässig.

Der Generalstaatsanwalt hat deutlich gemacht, dass Handlungsbedarf besteht im Interesse einer verbesserten Prävention, aber auch im Interesse besserer Aufklärungsmöglichkeiten von schwersten Straftaten. Ich hoffe, dass es gelingt, im Innen- und Rechtsausschuss eine Verständigung zwischen den Fraktionen zu erzielen, damit das Bundesland Schleswig-Holstein im Bundesrat konstruktiv an einer Änderung des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes mitwirkt.