Karl-Martin Hentschel: Kosten der Elbquerung viel höher als erwartet
PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Es gilt das gesprochene Wort! Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 KielTOP 36 - Privatfinanzierung der Elbquerung - Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Telefax: 0431/988-1501 Mobil: 0172/541 83 53Kosten der Elbquerung E-Mail: Internet: presse@gruene.ltsh.de www.gruene-landtag-sh.deviel höher als erwartet Nr. 132.01 / 11.05.2001Im Bericht der Landesregierung steht, dass die beiden Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein sich einig sind, dass die Querung der Elbe privat zu finanzieren ist. Es werden jedoch keine neuen Zahlen bezüglich der Kosten genannt. Dass diese sehr wahrscheinlich wesentlich höher sind, als ursprünglich angenommen, meint der Frakti- onsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Karl-Martin Hentschel:"Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,unsere ablehnende Haltung zum Bau der A20 ist ebenso bekannt, wie unsere Unter- schrift unter den Koalitionsvertrag. ´Pacta sunt servanda´ - dazu stehen wir, auch wenn es uns nicht immer leicht fällt, und auch, wenn der Opposition weder das eine noch das andere gefällt.Aber unabhängig von der grundsätzlichen Haltung zum Bau dieser Autobahn haben alle Fraktionen des Landtages die Pflicht, sich sehr genau und kritisch mit den Kosten dieses Vorhabens auseinander zu setzen - und das gilt ganz besonders für das Kernstück, näm- lich den Tunnel unter der Elbe.Es freut mich deshalb, dass der Bericht klar und deutlich sagt: ´Die beiden Länder [ge- meint sind Niedersachsen und Schleswig-Holstein] sind sich einig, dass die Querung der Elbe privat zu finanzieren ist.´Ich vermisse allerdings im Bericht Aussagen zu den Kosten. Dies ist um so bedauerli- cher, weil es genügend Hinweise dafür gibt, dass die Schätzungen, die in der ´Ver- kehrswirtschaftlichen Untersuchung A20´ vom Februar 1998 enthalten sind, von der Rea- lität längst überholt sind.So geht diese Untersuchung noch für alle drei Varianten von einer Tunnellänge aus, die das jeweils technisch machbare Minimum darstellt. Dabei war noch nicht berücksichtigt, dass das gesamte Elbufer von Hamburg bis zur Elbmündung auf beiden Seiten weitgehend unter Naturschutz steht. Für die schleswig- holsteinische Seite handelt es sich entweder um bereits ausgewiesene Naturschutzge- biete, wie in der Haseldorfer Marsch, oder um FFH- und Vogelschutzgebiete, die bei der EU angemeldet worden sind. Die einzige Lücke befindet sich bei Brunsbüttel.Auf niedersächsischer Seite liegen sowohl im Bereich der Variante Abbenfleth- Seestermühlen wie auch der Variante Kolmar-Drochtersen bereits ausgewiesene Natur- schutzgebiete, dazwischen liegen ebenfalls Gebiete, die bei der EU angemeldet worden sind.In allen Fällen handelt es sich keineswegs um Maßnahmen, die von böswilligen Natur- schützern vorgenommen wurden, um den Bau der Autobahn zu verhindern. Es handelt sich im Gegenteil um Flächen, über deren Erhaltungswert es keinerlei Diskussion geben kann und deren Anmeldung bei der EU ein Muss ist.Zu diesen Flächen kommen nun aufgrund des Abkommens mit Hamburg über die Aus- gleichsmaßnahmen für das Zuschüttens eines Teils des Mühlenberger Lochs wegen des Baus des A3XX in Hamburg weitere Flächen in der Haseldorfer Marsch hinzu.Aus dem Protokoll der Sitzung des AK´s ´A20 – Nord-West-Umfahrung Hamburgs´ vom 22.1. und 25.1. 2001 ergeben sich bei Berücksichtigung dieser Maßnahmen für den Tun- nelbau mit hoher Wahrscheinlichkeit folgende Konsequenzen: Für die Variante Drochter- sen-Kollmar verlängert sich der Tunnel von 4650 auf 5300 Meter, also um 0,6 Kilometer. Für die Variante Abbenfleth-Seestermühle bei Glücksstadt verlängert sich der Tunnel von 4130 auf 5100 Meter, also um einen Kilometer. Für die Hamburg-nahe Variante bei Het- lingen verlängert sich der Tunnel von 3060 auf 5250 Meter, also sogar um 2,1 Kilometer.Legt man die alten Kostenschätzungen zugrunde, so kommt man bei allen drei Varianten auf Kosten von über einer Mrd. DM. Für die Hamburg-nahe Variante bedeutet dies fast eine Verdoppelung. Bei diesen Kosten fehlen jeweils noch die Kosten für die Tröge in Länge von ca. 300 Meter, die auf beiden Enden der Tunneleinfahrt gebaut werden müs- sen.Dies wird allerdings nicht reichen, wenn man die Erfahrungen mit der neuen Elbquerung in Hamburg mit einbezieht. Dort waren ursprünglich 480 Mio. DM für den erheblich kürze- ren Tunnel in Hamburg angesetzt worden - in Hamburg ist die Elbe nicht mal halb so breit, wie an den betreffenden Stellen, um die es jetzt geht.Die tatsächlichen Kosten für den Tunnel haben sich aber fast verdreifacht auf 1,3 Mrd. DM. Beigetragen haben dazu auch zwei Wassereinbrüche während der Bauphase.Für die Privatfinanzierung bedeutet dies, dass eine vollständige Privatfinanzierung für keine der Varianten auch nur annähernd denkbar ist. Schon bei den Kalkulationen der Planer von 1997 wurde eine staatliche Anschubfinan- zierung von 20 Prozent für die Hetlinger Variante und 60 Prozent für die Glückstädter Va- riante für erforderlich gehalten.Die neuen Zahlen führen nach meinen Berechnungen dazu, dass die Anschubfinanzie- rung für die Hamburg-nahe Variante mindestens 54 Prozent - im schlimmsten Fall sogar 74 Prozent betragen muss, für die Glückstädter Variante lauten die entsprechenden Zah- len 68 bzw. 82 Prozent.Bei solchen Zahlen kann bei von einer Privatfinanzierung eigentlich nicht mehr geredet werden. Denn der private Anteil beträgt im besten Fall nur noch weniger als die Hälfte, im schlimmsten Fall nur noch ein Sechstel der Baukosten des Tunnels. Die Kosten für die Auffahrten und die Autobahnanschlüsse an die A23/A7 und an die A1 müssen sowieso vom Steuerzahler getragen werden.Ich empfehle deshalb dem Wirtschaftsminister, in Ergänzung seines Berichts möglichst bald aktuelle Zahlen vorzulegen, auf Grund derer eine qualifizierte Diskussion möglich ist. Sollten sich die Zahlen bestätigen, kann ich nur dringend empfehlen, die Planungen auch aus finanziellen Gründen gründlich zu überdenken. ***