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11.05.01
12:13 Uhr
FDP

Joachim Behm: Der nächste Unfall könnte die Katastrophe sein ..."

F.D.P. L a n d t a g s f r a k t i o n Schleswig-Holstein 1 Christian Albrecht Pressesprecher
V.i.S.d.P.


F.D.P. Fraktion im Nr. 157/2001 Schleswig- Holsteinischen Landtag Landeshaus, 24171 Kiel Kiel, Freitag, 11. Mai 2001 Postfach 7121 Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497 Sperrfrist: Redebeginn E - Mail: fraktion@fdp-sh.de Internet: http://www.fdp-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!
Joachim Behm: Der nächste Unfall könnte die Katastrophe sein ....“
In seinem Redebeitrag zu TOP 15, 26 und 27 (Sicherheit des Schiffsverkehrs in der westlichen Ostsee/ Konsequenzen aus der Havarie „Pallas“) sagte der F.D.P.-Landtagsabgeordnete, Joachim



Presseinformation Behm:
„Seit der Havarie des Holzfrachters „Pallas“ vor der Nordseeinsel Amrum im Oktober 1998 zieht es sich wie ein roter Faden durch nahezu jede Plenartagung: die Frage nach der Sicherheit im Schiffsverkehr auf Nord- und Ostsee.
Und ganz unabhängig davon, über welchen Aspekt wir dabei im einzelnen diskutieren – seien es die Möglichkeiten zur Gefahrenabwehr, das Unfallmanagement, Kontrollmöglichkeiten oder Haftungsfragen - immer wieder stoßen wir auf Schwachstellen und müssen feststellen, dass noch erheblicher Handlungsbedarf besteht – national sowie international. Bereits diese Erkenntnis stimmt nachdenklich.
Wesentlich bedenklicher ist es jedoch, dass gegen diese Defizite – wenn überhaupt - nur allzu langsam vorgegangen wird. Schließlich sind die Forderungen nach mehr Sicherheit des Schiffsverkehrs in der Nord- und Ostsee keineswegs neu. Gleichwohl muss immer erst etwas passieren, bevor wir uns auf diese Forderungen besinnen.
So war es im Fall der Havarie der „Pallas“ in der Nordsee. Und so war es kürzlich auch bei dem schweren Ölunfall der „Baltic Carrier“ in der Ostsee. Zum Glück ist in beiden Fällen die See mit einem blauen Auge davon gekommen.
Es reicht aber nicht aus, darauf zu hoffen, dass auch beim nächsten mal nichts Schlimmeres passiert. Nicht zuletzt die durch das Auseinanderbrechen des mit Schweröl beladenen Tankers „Erika“ ausgelöste Umweltkatastrophe vor der bretonischen Küste hat uns deutlich gezeigt, dass Schiffsunfälle und Havarien verhindert werden müssen, bevor es zu Schäden durch Ladung oder Treibstoffe kommt. 2 Vor diesem Hintergrund unterstütze ich und unterstützt die FDP-Fraktion den heutigen Antrag von SPD, Grünen und SSW zur Sicherheit des Schiffsverkehrs in der westlichen Ostsee.
Ohne Frage wird die Bedrohung der Ostseeküste durch Schiffskatastrophen und Meeresverschmutzungen im Rahmen des steigenden Schiffsaufkommens in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Das gilt für die Nordsee und das gilt angesichts der Öffnung des Ostseeraums insbesondere für die Ostsee. Ich habe das im Februar- Plenum bereits thematisiert.
Mit großem Interesse habe ich daher auch an der Anhörung des Landtages Mecklenburg-Vorpommern zum Thema „Vorbeugung und Bekämpfung von Schiffsunfällen, Verbesserung der Schiffsicherheit, Sicherheit von Seestraßen, Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit“ Ende April diesen Jahres in Schwerin teilgenommen.
Bemerkenswerter Weise war der Einladung des Präsidenten des Landtages Mecklenburg-Vorpommern an die Vertreter des Schleswig- Holsteinischen Landtages ansonsten nur noch der Kollege Wilhelm Malerius gefolgt. Von den Grünen war keiner zu erblicken.
Wahrscheinlich liegt das am Thema: Wenn um Schiffsicherheit geht, ist von den Grünen nie einer da. Das war bei der „Pallas“ schon so. Und als es jetzt um die Vermittlung von Sachverstand speziell für den Ostseeraum ging, wieder Fehlanzeige.
Auf der internationalen Tagung in Schwerin stellten Sachverständige, Wissenschaftler und Politiker eindruckvoll dar, welche Schwachstellen es nach wie vor bei den Fragen der Schiffssicherheit gibt, aber auch, in welcher Weise bereits heute Handlungsmöglichkeiten bestehen.
Ich möchte das bei allen Forderungen nach mehr Sicherheit im Schiffsverkehrs deutlich hervorheben: Es gibt auch schon heute eine Vielzahl nationaler wie internationaler rechtlicher Regelungen und Vereinbarungen um ein hohes Maß an Schiffssicherheit zu gewährleisten.
Professor Lagoni hat dies auf der Tagung in Schwerin sehr deutlich gemacht: Nach seinen Ausführungen gibt es aktuell kein Defizit im Sinne fehlender oder unzureichender internationaler Regelungen hinsichtlich der Schiffssicherheit. Es kommt nur entscheidend auf eine effiziente Anwendung der bestehenden Regelungen durch die zuständigen nationalen Behörden an. Und hier besteht noch großer Handlungsbedarf.
Der Fall der „Pallas“ ist hierfür nach wie vor das treffliche Bespiel. Hier waren vor allem die Hilf- und Tatenlosigkeit der Akteure das Problem. Und angesichts der Tatenlosigkeit, die seinerzeit ZMK, ELG und nicht zuletzt der damalige grüne Umweltminister an den Tag gelegt haben, hätte wahrscheinlich ein „mehr“ an Regelungen auch nicht geholfen, um der Havarie Herr zu werden. Ganz abgesehen davon, dass es dieses „mehr“ an Regelungen, Vorgaben oder Einsatzmöglichkeiten bis heute auch so gut wie nicht gibt. 3 Bislang beschränken sich die Konsequenzen aus dem damaligen Unglücksfalls ganz überwiegend auf Vorschlags-, Empfehlungs-, Prüfungs- , und Unterstützungsformeln, wie sich dem Bericht der Landesregierung zu entnehmen ist. Das reicht nicht aus. Damit ist weder dem Meer noch den Küstenbewohnern gedient.
Gleichwohl warne ich davor, bei allem Handlungsbedarf und insbesondere angesichts der Notwendigkeit, die unterschiedlichen Anforderungen nach nationalem, europäischem und internationalem Recht aufeinander abzustimmen, die „Forderungslatte“ zu hoch zu legen.
Wir sollten insbesondere nicht der Wunschvorstellung erliegen, von Deutschland oder gar Schleswig-Holstein aus, wesentliche Verbesserungen hinsichtlich der Schiffssicherheit herbeiführen zu können. Auch Sonderregelungen für den Ostseeraum helfen kaum weiter. Denn jegliche „Alleingänge“ einer Region sind angesichts der internationalen Vorgaben durch die IMO oder einer weltweiten diplomatischen Konferenz gegenüber Drittlandschiffen rechtlich nicht möglich. Gegenüber Schiffen der eigenen Flagge sind sie ebenfalls nicht zielführend, denn über die Anforderungen der IMO hinausgehende Vorschriften führen unweigerlich zu zusätzlichen Kosten und damit zu Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zu den Drittlandschiffen. Das wiederum hat erfahrungsgemäß das Ausflaggen dieser Schiffe zur Folge. Und genau das wollen wir nicht.
Vor diesem Hintergrund erklären sich auch die Schwierigkeiten die angesichts einer ohne Zweifel wünschenswerten Lotsenpflicht für die Kadetrinne bestehen. In dieser engen und stark befahrenen Schifffahrtsstraße zwischen Deutschland und Dänemark ereigneten sich in den vergangenen zehn Jahren 21 Unfälle, zuletzt der der „Baltic Carrier“. Gleichwohl kann für diesen Bereich eine Lotsenpflicht für fremde Schiffe weder von der Bundesrepublik Deutschland oder Dänemark noch von beiden gemeinsam angeordnet werden. Denn die Kadetrinne verläuft in den AWZs der beiden Staaten und die geltende Schifffahrtsfreiheit schließt eine Lotsenpflicht aus. Hier ist also die internationale Staatengemeinschaft gefragt, doch das ist langwierig.
Was uns für eine zügig Verbesserung bleibt, ist daher nur ein Appell zur freiwilligen Annahme von Lotsen. Nach dem Vortrag des Sachverständigen aus dem Bundesverkehrsministerium folgen allerdings bereits 95 % aller Schiffe im Bereich der Kadetrinne dieser Empfehlung. Einer Änderung der IMO- Empfehlung in eine „dringende Empfehlung“ dürfte daher kaum wesentliche Bedeutung zukommen. Ganz unabhängig davon, dass sich daraus auch nur die mittelbare Wirkung ergibt, dass Schiffsversicherungen die Schiffe vertraglich zur Lotsenannahme bewegen können.
Vielversprechender erscheint mir daher eine Verkehrsüberwachung ähnlich wie wir sie aus dem Flugverkehr kennen. Das automatische Schiffsidentifizierungssystem AIS ist bereits im Entstehen. Eine zügige Bereitstellung, um die nahezu vollständige Erfassung und Kontrolle des 4 Verkehrsgeschehens vor der deutschen Küste zu ermöglichen, ist unbedingt erforderlich. Es könnte helfen, von Land aus auf die Schifffahrt auch im internationalen Bereich durch das Bereitstellen von Warnungen und Hinweisen sicherheitsfördernd einzuwirken.
Und – diese Forderung ist so alt wie aktuell – wir brauchen endlich eine einheitliche gestärkte Küstenwache, ein Havariekommando, um einen effektiven Küstenschutz zu gewährleisten. Ziel muss eine einheitliche Informations- und Kommandostruktur sein, in die sich Bund und Länder, gegebenenfalls auch die betroffenen Anrainerstaaten, zur Unfallverhütung wie zu Unfallbekämpfung einfügen.
Ohne Frage kosten so ein Sicherheitssystem und ein Havariekommando viel Geld. Investitionen in die Schiffssicherheit sind jedoch wesentlich besser eingesetzt als beispielsweise die Gesamtkosten von über 30 Mio. DM, die für Bund und Küstenländer im Zusammenhang mit der „Pallas- Havarie“ entstanden sind.
Wir sollten nur endlich die schon so lange geforderten Kommandostrukturen und Sicherheitssysteme tatsächlich ins Leben rufen..
Der nächste Unfall könnte sonst die Katastrophe sein ....“