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11.05.01
12:09 Uhr
SPD

Wilhelm Malerius - Sicherheit des Schiffsverkehrs in der westlichen Ostsee

Sozialdemokratischer Informationsbrief


Landtag Kiel, 11.05.2001
aktuell Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn



Wilhelm Malerius zu TOP 15:

Sicherheit des Schiffsverkehrs in der westlichen Ostsee


In den zehn Anrainerstaaten der Ostsee leben heute ca. 70 Mio. Menschen. Die Ost- seeanrainerstaaten haben einen Anteil von 5 - 15 % an der Weltproduktion und stellen rund 20 % des Welthandels; 6 % des Welthandels wickeln sie untereinander ab.

Durch die zukünftige Osterweiterung der EU ist eine wachsende Bedeutung der Ost- seeregion mit einer sehr dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung zu erwarten. Auf- grund dieser Entwicklung ist mit einer Zunahme des Container-, Fähr-, Massengut- und Tankschiffsverkehrs zu rechnen. Allein nach Ausbau des Hafens Primorsk in Russland wird die über die Ostsee transportierte Ölmenge von 77 Mio. Tonnen im Jahr auf 177 Mio. Tonnen steigen.

Es wird hochmoderne Schiffe geben, deren Größe nur durch die Tiefgangsbeschrän- kungen in der Ostsee Grenzen gesetzt sind. Daneben kann es noch lange Zeit Schiffe aus den ehemaligen Ostblockländern in sehr schlechtem Zustand geben, die zu Dum- pingpreisen angeboten werden.

Die maritime Sicherheitspolitik der Bundesregierung erfolgt auf drei Ebenen:
1. In der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO), die für weltweite Si- cherheits- und Verhaltensstandards in internationalen Gewässern zuständig ist, und Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



zwar als einzige internationale Organisation im Rahmen des UN- Seerechtsübereinkommens.

2. In der Europäischen Union, die regional die für die Schiffe unter der Flagge eines Mitgliedsstaates geltenden Standards der IMO einheitlich umsetzen und zur Ge- währleistung der Verkehrssicherheit in den Küstengewässern der Europäischen U- nion Maßnahmen der Mitgliedsstaaten erlassen kann.

3. Auf nationaler Ebene.

Seit den schweren Schiffskatastrophen der Vergangenheit, z. B. der „Estonia“ in der Ostsee und der „Erica“ vor der Atlantikküste Frankreichs, ist auf allen drei Ebenen mit Hochdruck und aktiver deutscher Unterstützung nicht nur an der Schließung erkannter Sicherheitslücken gearbeitet geworden, sondern es sind auch neue Sicherheitssyste- me eingeführt und fortentwickelt worden.

Im Rahmen der IMO ist der internationale Sicherheitsmanagementcode eingeführt worden, der weltweit verbindlich seit 1. Juli 1998 für Fahrgastschiffe, Tankschiffe und Massengutschiffe gilt und für alle übrigen Schiffe über 500 BRT am 1. Juli 2002 ver- bindlich wird. Dieser verbindliche Code sieht vor, dass die Reedereien ein landgestütz- tes Sicherheitsmanagementsystem unterhalten müssen mit dem Ziel, sichere Schiffe und gut ausgebildete Besatzungen zu beschäftigen, und dass die Kapitäne ihrerseits ein bordgestütztes Managementsystem zur Gewährleistung eines sicheren Schiffsbe- triebes unterhalten müssen. Dieses ist ein weiterer Aspekt zu mehr Schiffssicherheit.

Mit der Neufassung des Kapitels V Solas „Safety of Navigation“, das am 1. Juli 2002 in Kraft tritt, ist die Welthandelsflotte verpflichtet, nach einem ganz genauen Einpha- sungsplan mit Schiffsidentifizierungstranspondern und Schiffsdatenschreibern auszu- rüsten. Diese Ausrüstungspflicht tritt für neue Schiffe am 1. Juli 2002 in Kraft und er- fasst bis 2008 auch die vorhandene Welthandelsflotte, insbesondere Tanker ab 1. Juli -3-



2003. Es ist jetzt Aufgabe der Bundesregierung – und hier kann die Landesregierung darauf einwirken, dass neben der funktechnischen Abdeckung auch eine Erstellung der Landinfrastruktur für eine AIS gestützte Verkehrsüberwachung in der Nord- und Ostsee einschließlich der Datenverarbeitung und Integration in das existierende Ver- kehrssicherungssystems schnellstens erfolgt.

Neben anderen Richtlinien hat die EU die Richtlinie zur Durchsetzung internationalen Normen für die Schiffssicherheit, die Verhütung von Verschmutzung und die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord von Schiffen, die Gemeinschaftshäfen anlaufen und in Hoheitsgewässern der Mitgliedstaaten fahren, erlassen. Diese Richtlinie und die Pa- riser Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle sehen einen abgestuften Katalog an Maßnahmen für Substandardschiffe vor. Es sind die gründlicheren Überprüfungen nach Feststellen triftiger Gründe, die Festhaltungen und zwar solange, bis festgestellte Mängel beseitigt worden sind und das Bannen von Schiffen, d. h. Zugangsverweige- rungen für unternormige Schiffe zu europäischen Häfen. Die Hafenstaatkontrolle kann auch die Kontrolle über das Vorhandensein von aktuellem Seekartenmaterial umfas- sen. Die Hafenstaatkontrolle muss schnellstens intensiviert werden. Nur 280 Kontrol- leure stehen für den gesamten EU-Bereich zur Verfügung, Seekartenmaterial muss überprüft werden.

Die Einführung einer Lotsenannahmepflicht außerhalb der Küstengewässer, die Ka- detrinne gehört zum Bereich der hohen See, ist nur im Rahmen internationaler Ab- kommen durch die IMO möglich. Deutschland hat sich in der IMO für die Einführung von Lotsenannahmepflichten in internationalen Gewässern mit hoher Verkehrsdichte und besonderen nautischen Bedingungen eingesetzt. Dieses Anliegen wurde jedoch nur von Dänemark, Frankreich und Australien unterstützt. Es ist Aufgabe der Bundes- regierung - und hier kann die Landesregierung helfen - die Ostseeanrainerstaaten zur Unterstützung zu gewinnen. Zu erwägen wäre, ob eine Änderung der IMO-Empfehlung zur Lotsenannahme in der Kadetrinne in eine dringende Empfehlung, möglicherweise Schiffsversicherungen, bewegen könnte, die Schiffe vertraglich zur Lotsenannahme zu bewegen. -4-



Die Sicherung der Kadetrinne obliegt Dänemark gemäß einem bilateralen Abkommen. In Zusammenarbeit mit dänischen Behörden wurde bereits im letzten Jahr eine Reihe von Verbesserungen für die Navigation von Schiffen in diesem Gebiet geschaffen. Ver- legung und Neubezeichnung von Tonnen, eine Unterrichtung mit Warnung der Seefah- rer über eine sichere Navigation, ein IMO-Zirkular zur Sicherheit der Seeschifffahrt, die Weiterführung des von Nordosten kommenden Tiefwasserweges in Richtung Süden durch das Verkehrstrennungsgebiet in der Kadetrinne. Diese Verbesserung ist der IMO zur Beschlussfassung zugeleitet worden.

Schiffshavarien führen in der Regel zu sich überlagernden Ereignisabläufen. Dies er- fordert ein einheitliches, fachlich interdisziplinäres und mit kurzen Entscheidungswe- gen ausgestattetes Unfallmanagement mit möglichst wenigen definierten Schnittstel- len. Zeitversäumnisse in der Anfangsphase und im Verlauf der Unfallbekämpfung füh- ren zu einer unbeherrschbaren, in die Katastrophe führenden Eigendynamik von Hava- rien. Deshalb muss ein Unfallmanagement ständig handlungsfähig sein sowie unein- geschränkt über die erforderlichen personellen und materiellen Ressourcen des Bun- des und der Küstenländer verfügen. Diese Forderung steht auch an erster Stelle der am 8. Februar 2001 vom Deutschen Bundestag auf Antrag der Koalitionsfraktionen verabschiedeten Entschließung zur Sicherung der deutschen Nord- und Ostseeküste vor Schiffsunfällen.

Mittlerweile wurde ein Konzept für das Havariekommando entwickelt. Es sieht als Kernzelle der zentralen Einsatzleitung ein in 24 Stunden Bereitschaft unterhaltenes Maritimes Lagezentrum vor und wird aus dem Bereich der Wasser- und Schifffahrts- verwaltung des Bundes und den Wasserschutzpolizeien der Küstenländer aufgebaut. Hier laufen über die entsprechenden Meldewege alle relevanten Informationen zu- sammen.

Bei einer Havarie übernimmt der Leiter des Havariekommandos die Führung des Ein- satzes, die er unter Zuarbeit der ihm zur Seite stehenden Stäbe im Wege der Auftrags- -5-



taktik und unter Belebung von Einsatzabschnitten ausübt. Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger und die Bundesmarine sollen durch Kooperationsvereinba- rungen voll in die Arbeit einbezogen werden. Bund und Küstenländer räumen diesem Kernelement einer Reform des maritimen Notfallmanagements sehr hohe Priorität ein. Es ist Aufgabe der Landesregierung, den Druck zu erhöhen, damit die noch verblei- benden Detailprobleme schnellstens gelöst werden.

Das Haftungs- und Entschädigungssystem bei Ölverschmutzungsschäden als solches eignet sich nur bedingt, den Sicherheitsstandard zu erhöhen. Statt staatlicher Eingriffe in das System können jedoch alle am Seetransport Beteiligten Reeder, Versicherer, Schiffsbanker und Ladungsbeteiligte ihren Beitrag leisten, das weltweite Ziel des Qua- lity Shipping zu erreichen und den Markt für unternormige Schiffe durch Selbstregulie- rungsmechanismen auszudünnen.

Nicht mehr die niedrigste Fracht, sondern die Gewährleistung eines sicheren und um- weltschonenden Seetransports sollte der Maßstab bei der Auswahl eines bestimmten Schiffes oder einer bestimmten Flagge sein.