Torsten Geerdts: Den Finger in die Wunde gelegt
LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.landsh.de/cdu-fraktion/ e-mail:fraktion@cdu.landsh.dePRESSEMITTEILUNG Nr.145/01 vom 23. März 2001 TOP 25 Torsten Geerdts: Den Finger in die Wunde gelegt Wir diskutieren heute den Bericht der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein. Wer diesen aufmerksam liest, der stößt auf eine Vielzahl von Ungerechtigkeiten, Nachlässigkeiten und Missständen in unserem Sozialstaat. Auch der letzte Bericht der Bürgerbeauftragten Sigrid Warnicke legt erneut den Finger in die Wunde und zeigt Handlungsbedarf deutlich auf.Gut gemeinte Gesetze werden vor Ort teilweise so angewandt, dass es kein Wunder ist, wenn sich Bürgerinnen und Bürger genervt und enttäuscht von diesem Staat und seiner Bürokratie zeigen.Sigrid Warnicke hat gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im vergangenen Jahr 2.462 Eingaben bearbeitet. Hinter dieser nackten Zahl stehen 2.462 Einzelschicksale und das der jeweiligen Angehörigen.Auch im Jahr 2000 traten die meisten Probleme in den Bereichen Sozialhilfe, Pflegeversicherung und Krankenversicherung auf. Und wer sich die Mühe macht, die Berichte der Bürgerbeauftragten der vorangegangenen fünf Jahre aufmerksam zu lesen, der stellt fest, dass sich die Schwerpunkte nur unwesentlich verschoben haben.Es bleibt richtig, nach einem Weg zu suchen, um Bürgern in einer Notlage, unbürokratisch, schnell und ohne Schwellenängste zu helfen. Daher waren die Außentermine, die die Bürgerbeauftragte in Flensburg, Itzehoe, Mölln, Schleswig, Schwarzenbek und Lübeck durchgeführt hat, von großer Wichtigkeit. Aber auch die Telefonsprechstunden bei Radio Schleswig-Holstein wurden von 200 Hilfesuchenden genutzt.Der Bericht der Bürgerbeauftragten schildert zum Beispiel eine Problematik aus dem Kindertagesstättengesetz. Sigrid Warnicke spricht vom Wirrwarr beim Kostenausgleich. Und wer sich die Debatte um eine Veränderung des § 25 a des Kita- Gesetzes nochmals vor Augen führt, der muss feststellen, ähnlich wie die Fallbeispiele in dem vorgelegten Bericht, verlief die Beratung im Sozialausschuss und im Plenum zu dieser Thematik. Für uns ist es jetzt natürlich interessant - und das müssen wir im zuständigen Fachausschuss hinterfragen -, ob die geschilderten Probleme vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 1. August 2000 aufgetreten sind oder etwa danach. Dann würde das Urteil über unsere Parlamentsentscheidung nämlich lauten: Die Abgeordneten waren redlich bemüht, doch leider erfolglos.Nachdenklich müssen auch die Anmerkungen der Bürgerbeauftragten zum Thema kinderreiche Familien machen. So stellt Sigrid Warnicke fest, dass die geschaffenen Förder- und Hilfsmöglichkeiten für kinderreiche Familien, die über keine Eigenmittel zum Erwerb eines Hauses verfügen, nicht ausreichen.So wird uns weiter geschildert und damit auf ein Zusatzproblem aufmerksam gemacht, dass Wohnraum in ausreichender Größe für kinderreiche Familien - und darunter fallen nach dem Gesetz, Familien ab drei Kindern -, kaum vorhanden ist. Die Initiativen von Sigrid Warnicke, vorhandene Mietwohnungen zu größeren zusammenzulegen, sind lobenswert, aber nur selten von Erfolg gekrönt. Auch in dieser Frage gilt es, diese Problematik im Sozial- und im Innen- und Rechtsausschuss weiter zu vertiefen.Dabei müssen wir uns über den Vorschlag unterhalten, die Förderrichtlinien entsprechend zu verändern. Die Bürgerbeauftragte schlägt vor, nach einem Weg zu suchen, kinderreiche Familien auch ohne Eigenmittel verstärkt zu unterstützen.Betroffen machen erneut die Schilderungen der Bürgerbeauftragten über den Umgang einzelner Sachbearbeiter in den Sozialämtern mit Leistungsbeziehern. An dieser Stelle möchte ich unmissverständlich feststellen, dass die CDU-Landtagsfraktion immer mit dabei ist, wenn es darum geht, den Missbrauch einzelner im Bereich der Sozialhilfe zu bekämpfen. Das bedeutet für uns aber gleichermaßen, dass die wirklich Bedürftigen eine Rechtsanspruch auf Sozialhilfe haben. Sie haben Diskriminierung nicht verdient und sie sind auch keine Almosenempfänger. Richtig bleibt aber auch, dass wir die Sozialhilfe weiter entwickeln müssen, um die Eigeninitiative zu stärken. Sozialhilfe muss verstärkt zu einer Hilfe reformiert werden, die vom Empfänger ganz selbstverständlich eine Gegenleistung einfordert. Dazu müssen die Kommunen allerdings noch stärker in die Lage versetzt werden, eigenverantwortlich Arbeits- und Qualifizierungsangebote zu schaffen.Trotzdem muss die Schilderung nachdenklich machen, dass in einer kleinen Gemeinde irgendwo in Schleswig-Holstein an einem Tag um 12.05 Uhr eine Bürgerin den Flur eines Sozialamtes betritt und an eine Tür klopft, hinter der sich der Arbeitsplatz eines Mitarbeiters befindet. Die Bürgerin vernimmt ein unwirsches und an militärische Kommandosprache erinnerndes „Ja“. Als diese Bürgerin die Tür öffnet, bellt es ihr entgegen, ob sie nicht wisse, wie spät es sei – 12.00 Uhr sei schon vorbei. Was für ein Pech für den zuständigen Sachbearbeiter, dass sich hinter der ratsuchenden Bürgerin unsere Bürgerbeauftragte zu erkennen gab. Dieser reale Fall macht beispielhaft deutlich, wie wichtig es bleibt, die Forderung aufrecht zu erhalten, unsere öffentliche Verwaltung landauf und landab zu einem bürgernahen Dienstleistungsbetrieb zu entwickeln.Der Fall unterstreicht aber auch meine Forderung aus dem letzten Jahr, verstärkt Fortbildungs- und Qualifizierungsangebote – gerade für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Sozialämtern – anzubieten. Es kann außerdem nicht gut sein, dass viele Bedienstete ihre Versetzung in ein Sozialamt als eine Art Strafversetzung empfinden. Außerdem sollte man überprüfen, ob es richtig ist, Berufsanfänger nach dem Motto „der Weg nach oben ist eben steinig“ im Sozialamt einzusetzen. Manchmal kann ein großer Schatz an Lebenserfahrung ganz besonders wichtig sein.Es ließen sich noch viele weitere Punkte aus dem Bericht der Bürgerbeauftragten ansprechen. Da wir ihn im Sozialausschuss ja ohnehin beraten werden, verzichte ich an dieser Stelle auf weitere Anmerkungen zu diesem Tätigkeitsbericht.Ich möchte vielmehr die Gelegenheit nutzen, um mich – im Namen der gesamten CDU-Landtagsfraktion – bei Sigrid Warnicke zu bedanken. Wir waren uns zwar über den Zuschnitt Ihres Amtes nicht immer einig. Wir waren als CDU-Landtagsfraktion aber mit Ihrer Arbeit immer hoch zufrieden.Die Zusammenarbeit mit Ihnen hat Spaß gemacht. Regelmäßig waren Sie unsere Gesprächspartnerin im Arbeitskreis Soziales der CDU-Landtagsfraktion. Bei diesen Treffen haben Sie die Probleme der Hilfesuchenden nochmals verdeutlicht und Hinweise für eine mögliche Abhilfe gleich mitgeliefert.Auf Sigrid Warnicke war diese Aufgabe zugeschnitten. In der Zeit vor 1995 haben wir Sie als engagierte und faire Sozialpolitikerin der SPD-Landtagsfraktion kennengelernt. Ihr ganz besonderes Interesse galt der Einführung der solidarischen Pflegeversicherung.Sie haben Ihr Amt parteipolitisch neutral geführt und waren stattdessen für die sozial Schwachen parteiisch. Es war nicht alles angenehm, was Sie uns zu sagen hatten. Es war aber wichtig, es von Ihnen zu hören.Sie waren eine gute Bürgerbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein!Liebe Frau Warnicke, die CDU-Landtagsfraktion bedankt sich bei Ihnen für die Arbeit in den vergangenen 6 Jahren. Wir wünschen Ihnen jetzt einen fröhlichen Unruhestand sowie Glück und Kraft für die Zukunft.