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21.03.01
12:33 Uhr
SPD

Dr. Henning Höppner zu TOP 21: Weiterentwicklung des Gymnasiums: So ist kürzer nicht besser!

Sozialdemokratischer Informationsbrief


Landtag Kiel, 21.03.2001
aktuell Es gilt das gesprochene Wort!


Sperrfrist: Redebeginn



Dr. Henning Höppner zu TOP 21:

Weiterentwicklung des Gymnasiums: So ist kürzer nicht besser!

Der Landtag hat sich im Frühjahr 2000 mit der Einführung des Abiturs nach 12 Schul- jahren beschäftigt und beschlossen, dies an ausgewählten Gymnasien des Landes zu erproben. Wir haben hier aufgrund der Berichterstattung der Bildungsministerin zur Kenntnis genommen, dass sich Schleswig-Holstein bei der Erprobung der Einführung einer 8-jährigen Gymnasialschulzeit in guter Gesellschaft mit der Mehrzahl der ande- ren Bundesländer befindet.

Die Bildungspolitiker sind sich in großer Anzahl einig darüber, dass die Schul- und Studienzeiten in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern zu lang sind und die jungen akademisch ausgebildeten Menschen früher in das Berufsleben starten müs- sen.

Ich bin doch froh darüber, dass wir uns erst einmal über eine Erprobungsphase an dieses Thema herantasten. So enthält der CDU-Antrag neben dem Willen, die gymna- siale Schulzeit zu verkürzen, ganz wesentliche Widersprüche, vor allem aber einen Griff in das Altarchiv.

Wenn Sie auf der einen Seite die jetzige Form der gymnasialen Oberstufe als nicht Schleswig- bewährt darstellen und den Schulen empfehlen, ein naturwissenschaftliches oder Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



fremdsprachliches Profil aufzubauen, dann kann ich nur feststellen: Das haben wir in den 50er und 60er Jahren schon gehabt mit den drei fachlich ausgerichteten Schwer- punkten der in Klassenverbänden organisierten mathematisch- naturwissenschaftlichen, neusprachlichen und altsprachlichen Zweige der Oberstufen der Gymnasien.

In Ihren Erläuterungen zur Grundlagenbildung fehlt meines Erachtens, dass junge Menschen ganz entscheidende Fähigkeiten erlangen sollen: die Förderung von Kreativität, das Erlangen von sozialer Kompetenz und von Teamfä- higkeit, die Erziehung zur Verantwortung für unsere Gesellschaft und zur Verantwor- tung für die Erhaltung der Lebensgrundlagen von Menschen, Tieren und Pflanzen, die Erziehung zur Bereitschaft, ein großes kulturelles Erbe in die Zukunft zu tragen u.a.. Wir erreichen diese Ziele nicht zwangsläufig, indem wir den Fächerkanon des Gymna- siums erweitern und ein weiteres Abiturprüfungsfach einrichten.

Die CDU fordert auf der einen Seite Grundlagenbildung und will das durch zusätzliche Prüfungsfächer erreichen; eine weitere Naturwissenschaft als Beispiel. Es wird die jungen Menschen nicht studierfähiger machen, wenn wir noch mehr Wissensstoff in sie hinein dozieren wollen.

Sie sprechen sich gegen eine Spezialisierung in der Oberstufe aus, fordern aber eine effektivere Verzahnung von Gymnasien und Hochschulen. Wie soll so etwas funktio- nieren? Wir haben an unseren Universitäten und Fachhochschulen keine einem Fach- studium vorgreifenden verpflichtenden wissenschafts-propädeutischen Grundsemes- ter.

Sprechen Sie einmal mit Hochschullehrern über die Grundlagen eines Abiturienten ei- nes Fachgymnasiums, der aus einer Realschule kommt, mit dem Fachschwerpunkt Wirtschaft, der Wirtschaftslehre und Rechnungswesen als Schwerpunktfach hatte. Diese Abiturienten sind, wenn sie ihrem Fachschwerpunkt folgen, auf die Fächer ihres Grundstudiums besser vorbereitet als die Generalisten der Gymnasien. -3-



Sie haben in Ihren Referaten im vergangenen Jahr deutlich gemacht, dass Sie bei der Verkürzung der gymnasialen Schulzeit auf 8 Jahre bei der Unterrichtsmenge, die bis- her für 9 Schuljahre gilt, nämlich 265 Jahreswochenstunden, keine Abstriche machen wollen. Das bedeutet von Sexta bis Prima 33 ½ Unterrichtsstunden wöchentlich. Wenn das progressiv auf die Altersentwicklung der 10- oder 11jährigen bis zu den 18jährigen gestaffelt wird, ist das sicher nur in einem Ganztagsangebot möglich.

Die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit ist durchaus ein Ziel vieler in der Bildungs- politik engagierter Sozialdemokraten. Wenn wir aber den Lebensalltag eines Kindes von 11, 12 oder 13 Jahren ganz wesentlich durch die Ganztagsschule bestimmen wol- len, dann denke ich, dürfen wir Kindern nicht den Beruf eines Schülers geben und ih- nen Stunde um Stunde eigentlich unverbundenen Lehrstoff eintrichtern wollen. Dann müssen wir, auch an den Gymnasien, eine Form der Schulgestaltung entwickeln, in der auch über andere, auch von Gesellschaft und Wirtschaft gleichermaßen geforderte Arbeitsstrukturen und Qualifikationen nachgedacht wird.

Das Gymnasium wird auch bei Verkürzung der Schulzeit nicht zukunftsfähiger, wenn wir mit antiquierten Erwartungshaltungen und alten Rezepten den Lehrstoff ausweiten und die Prüfungsfächer vermehren.