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22.02.01
16:24 Uhr
CDU

Thorsten Geißler: Sicherheitskonzept für die Ostsee ist unzurei-chend

LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N

Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.landsh.de/cdu-fraktion/ e-mail:fraktion@cdu.landsh.de
PRESSEMITTEILUNG Nr. 87/01 vom 22. Februar 2001
TOP 7 Thorsten Geißler: Sicherheitskonzept für die Ostsee ist unzureichend Meine Fraktion begrüßt die Initiative der F.D.P.-Fraktion, mittels des vorliegenden Antrages die Landesregierung aufzufordern, über den Stand der Sicherheitsmaßnahmen gegen Schiffsunfälle in der westlichen Ostsee und die Maßnahmen gegen die Folgen solcher Unfälle zu berichten.
Mehr als zwei Jahre nach der Havarie der Pallas besteht Anlass, Bilanz zu ziehen, ob Konsequenzen im Hinblick auf mögliche Schiffsunfälle, gerade auch in der westlichen Ostsee, in ausreichendem Maße gezogen worden sind.
Der Kollege Steenblock, der ja Erfahrungen mit Schiffshavarien hat, hat in der Sitzung des Landtages vom 28. September 2000 erklärt, er habe sich einmal mit der Situation der Ostsee beschäftigt, mit den Fragen der Schiffssicherheit, der Radarüberwachung und der Luftüberwachung Er hat das Fazit gezogen, man könne nur beten, dass in diesem Bereich nichts passiere. Es sei ein noch viel schlimmeres Loch vorhanden, was die Kooperationsfähigkeit der Ostseeanrainerstaaten gerade in Bezug auf Schiffssicherheit und Ölbekämpfung angeht. Wenn diese Bewertung richtig ist und ich habe keinen gegenteiligen Hinweis, dann muss ein Bericht der Landesregierung auch deutlich machen, warum die vergangenen nahezu 2 ½ Jahre nicht genutzt wurden, um die Schwachstellen im Bereich der Ostsee zu schließen.
Dazu wird mit Sicherheit auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Politik der Bundesregierung gehören, die zwar zügig eine unabhängige Expertenkommission „Havarie Pallas“ eingesetzt hatte, deren Empfehlungen aber nahezu ignoriert hat. Von dem in dem Bericht der Expertenkommission am 16. Februar 2000 insgesamt 30 unterbreitenden Empfehlungen wurden gerade 2 Empfehlungen zügig verwirklicht. Auch der von der Bundesregierung am 21. Juli 2000 vorgelegte Entwurf eines Seeschifffahrts-Anpassungsgesetzes enttäuscht. Wer von diesem Gesetz eine Modernisierung bei der Havarievermeidung und des Havariemanagements erwartet hatte, wurde enttäuscht. Indessen liegt der Schwerpunkt des Gesetzentwurfes darin, die Untersuchung von Seeunfällen aus der öffentlichen Beobachtung zu nehmen. 26 Seiten beinhalten Änderungen des Seeschifffahrts-Untersuchungsgesetzes und nur 12 Seiten widmen sich der umfangreichen und vielschichtigen übrigen Problematik. Aber auch diese 12 Seiten beinhalten schwerpunktmäßig lediglich die fachliche Befähigung der Seeleute.
Es ist jedoch keineswegs so, dass die Organisations- und Informationsstrukturen und die personelle und technische Ausstattung zur Vermeidung und zum Management von Havarien auf See völlig ausreichend wären. Der Bericht der unabhängigen Expertenkommission „Havarie Pallas“, aber auch der Bericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses unseres Landtages der vergangenen Legislaturperiode weisen ein erhebliches Optiminierungspotential zur Fortentwicklung der maritimen Notfallvorsorge, auf sowohl im Bereich des Bundes als auch der Küstenländer, aber auch im internationalen Bereich. Es gibt Mängel in der Notschleppkapazität, Fragen zur Sicherheit des Schiffsbetriebs, die Vereinbarungen mit den Nachbarstaaten sind teilweise ergänzungsbedürftig. Veränderungen bei Seeunfalluntersuchungen und Flaggenstaataufgaben sind erforderlich, Entscheidungsstrukturen müssen gestrafft, Haftungs- und Versicherungsfragen geklärt werden, es gibt umweltpolitische Fragestellungen. Letztlich sind Technik, Meldewesen und Ausbildung zu überprüfen. Wir erwarten von der Bundesregierung, aber auch von der Landesregierung, dass ein überarbeitetes Sicherheits- und Notfallkonzept für Nord- und Ostsee vorgelegt wird auf der Grundlage der entsprechenden Empfehlungen der Expertenkommission.
Handlungsbedarf ist wahrlich gegeben. Wir alle freuen uns darüber, wenn der Umschlag in unseren Häfen wächst, wenn der Fährverkehr zunimmt. Aber die Zunahme des Schiffsverkehrs birgt natürlich auch Risiken, denen präventiv entgegengewirkt werden muss. Die Entwicklung im Schiffsverkehr geht in Richtung Groß-Containerschiffe, Großfähren und Großtanker, die mit bis zu 120.000 TDW in die Ostsee einlaufen sowie Passagierschiffe mit 2.000 bis 5.000 Personen an Bord. Auf unzähligen mittleren Spezialschiffen bis zur Größe von 30.000 TDW wird Gefahrgut transportiert. Allein in der Kadetrinne werden jährlich 55.000 Schiffsbewegungen registriert. Dabei werden rund 80 Millionen Tonnen Öl oder Ölprodukte durch das flache und schwierig zu fahrende Gewässer geschifft. In der Kieler Bucht sind es etwa halb so viel. Da die Ostsee ihr Wasser u. a. mangels Gezeiten nur alle 25 Jahre erneuert, würde schon eine kleine Tankerhavarie eine Riesenkatastrophe für die Küste darstellen.
Es geht nicht darum, Schreckensbilder zu malen, aber Fragen müssen gestellt und beantwortet werden. Wie können Katastrophen wie das Pallas-Unglück, der Estonia- Havarie vorgebeugt werden? Wie kann Ölhavarien vor der Deutschen Küste vorgebeugt werden? Wie kann Explosionen von Gefahrgütern auf Fähren begegnet werden? Welche Möglichkeiten bestehen, in großem Umfang Evakuierungen von Fähr- oder Passagierschiffen im Havariefall vorzunehmen? Dazu muss der angeforderte Bericht Stellung nehmen. Übrigens gilt auch hier der Grundsatz, dass Präventionsmaßnahmen billiger sind als die Beseitigung von Schäden. Eine Verbreiterung der Fahrrinne zwischen Rostock und dem dänischen Gedser würde etwa 3 bis 4 Mio. DM kosten. Dieser Betrag nimmt sich gegenüber den 30 Mio. DM Kosten, die bei der Pallas-Havarie entstanden sind, doch recht bescheiden aus. Im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses des Schleswig-Holsteinischen Landtages vom 30.12.1999 heißt es völlig zu Recht: „Schiffshavarien führen in aller Regel zu sich überlagernden Ereignisabläufen. Dies fordert ein fachlich interdisziplinäres und mit kurzen Entscheidungswegen ausgestattetes Unfallmanagement. Zeitversäumnisse in der Anfangsphase führen zu einer unbeherrschbaren, in die Katastrophe führenden Eigendynamik von Havarien. Deshalb muss das Unfallmanagement kurzfristig verfügbar und handlungsfähig sein sowie uneingeschränkt über die erforderlichen personellen und materiellen Ressourcen des Bundes und der Küstenländer verfügen.“
Wir erwarten uns von dem Bericht der Landesregierung eine ungeschminkte Bestandsaufnahme und konkrete Zeitpläne für vorzunehmende Verbesserungen. Da Schwachstellenanalysen und auch konkrete Vorschläge von Expertenkommissionen längst vorliegen, steht einer zügigen Erarbeitung des Berichtes nichts entgegen.