Arens: Kaliningrad in die EU- und Ostseepolitik integrieren
D E R L A N D T A G SCHLESWIG - HOLSTEIN 22/2001 Kiel, 13. Februar 2001 S p e r r f r i s t : 13. Febr. 01, 19:00 Uhr Es gilt das gesprochene WortArens: Kaliningrad in die EU- und Ostseepolitik integrierenKiel (SHL) – In seiner Rede „Schleswig-Holstein und der Oblast Kaliningrad – Partnerschaft mit Zukunft?“ im Kieler Schloss sagte Landtagspräsident Heinz- Werner Arens u. a.Die Nördliche Dimension ist zu einem originären Bestandteil der strategischen Überlegungen der Europäischen Union geworden. Dabei werden die Anstren- gungen der EU mit denen der Ostseekooperation, der Barents-Region und der euro-arktischen Zusammenarbeit vernetzt. Ziel ist, das Profil der EU in der bal- tischen Region stärker herauszuarbeiten und den Nordwesten Russlands en- ger an die dynamischen Entwicklungen im Ostseeraum anzubinden. Dabei kommt es darauf an, die wechselseitigen Beziehungen zwischen der Europäi- schen Union, Russlands und dem Ostseeraum symbiotisch zu verstärken. Die Zukunft Kaliningrads steht eindeutig im Mittelpunkt.Aus einem Strategiepapier ist mittlerweile ein konkreter Aktionsplan geworden, zu dessen Umsetzung sich die EU auf die Strukturen der regionalen Zusam- menarbeit stützt. Das Abkommen über parlamentarische Zusammenarbeit zwischen dem Schleswig-Holsteinischen Landtag und der Kaliningrader Ge- bietsduma leistet dabei einen zwar kleinen, aber wichtigen Beitrag.Der rote Faden, die Integration Kaliningrads in die EU- und Ostseepolitik, zieht sich gleichsam durch die im Januar dieses Jahres verabschiedete Mitteilung der Kommission „Die Europäische Union und das Kaliningrader Gebiet“. Die- ses Papier befasst sich mit der Erweiterung der Europäischen Union durch 2Polen und Litauen und den daraus folgenden Konsequenzen für das Kalinin- grader Gebiet.Je näher die Erweiterung rückt – im Falle Polens könnte es im Jahr 2004 so- weit sein – desto dringender bedarf es einer gemeinsam von Russland, der EU, Polen und Litauen anzustrebenden Lösung. Konkret geht es um die öko- nomische Entwicklung der Exklave, ihre Einbindung in die europäischen Ver- kehrswege, um Umweltschutz, Energieversorgung, Gesundheit und Freizügig- keit der Bewohner in Kaliningrad und im Kaliningrader Gebiet.Vor allem Schweden, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft führt, macht sich für das Thema stark. Doch wirkliche Veränderungen, daran besteht in Brüssel kein Zweifel, hängen von Moskau ab. Beim nächsten EU-Gipfel im Mai soll deshalb auch über das Kaliningrader Gebiet gesprochen werden.Der bisherige Erfolg der Ostseekooperation mag vielen unterschiedlichen Faktoren zu verdanken sein. Ihr prägendes Element ist jedoch die „Bewegung von unten“. Die Idee der Zusammenarbeit wurde nicht in den Außenministerien oder in den Köpfen der Regierungschefs geboren. Sie entwickelte sich aus vielfältigen städtischen, kirchlichen, wissenschaftlichen, sozialen und privaten Kontakten, und zwar lange bevor die „große Politik“ aktiv wurde.Die Notwendigkeit zur regionalen Zusammenarbeit im Ostseeraum bezeichnen wir in der Verkehrssprache des Ostseeraumes als „Region-building“. Dabei geht es darum, regionale Ungleichgewichte abzubauen, den inneren Zusam- menhalt der Anrainerstaaten zu stärken und weder regionale noch soziale Gruppen von der weiteren Entwicklung auszuschließen: eine Leitidee, die – wie bereits zuvor erläutert – auch die Initiative der Nördlichen Dimension prägt.Diesen Gedanken habe ich anlässlich meines Besuches Ende Januar d.J. mit meinem Kollegen Grzegorz Grzelak, dem Präsidenten des Sejmik, des Parla- mentes der Wojewodschaft Pommern, vertieft, zumal unsere Parlamente bei- de intensive Beziehungen zu der Kaliningrader Gebietsduma unterhalten.Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat sich für einen aktiven Beitrag zu ei- ner stärkeren Einbindung Kaliningrads in die Ostseekooperation eingesetzt. Als erstes und einziges Parlament ist der Schleswig-Holsteinische Landtag um die Aufnahme partnerschaftlicher Beziehungen mit der Gebietsduma von Kalinin- 3grad gebeten worden. Das hat seinen Grund, genauer gesagt, mehrere Grün- de:Seit 1992 gibt es eine Städtepartnerschaft zwischen der Landeshauptstadt Kiel und der Stadt Kaliningrad, und im Februar 1999 hat die Schleswig- Holsteinische Landesregierung mit der Gebietsverwaltung von Kaliningrad ein Kooperationsabkommen geschlossen. Damit waren bereits politische Rah- menbedingungen auf verschiedenen Ebenen vorbereitet, die im Januar des letzten Jahres zur Unterzeichnung des Memorandums über parlamentarische Zusammenarbeit zwischen der Kaliningrader Gebietsduma und dem Schles- wig-Holsteinischen Landtag geführt haben.Das Memorandum beschränkt sich bewusst auf parlamentsspezifische The- men und somit auf das, was wir als Parlament zu leisten imstande sind. Im Vordergrund stehen die Konsolidierung von Demokratie und Rechtsstaatlich- keit. Konkret heißt dies die Festigung der staatlichen Institutionen, insbesonde- re der Gesetzgebungs-, Exekutiv- und Rechtspflegeorgane. Des weiteren wird besonderes Schwergewicht auf die Modernisierung der Verwaltung, auf Schu- lungsprogramme für junge Politiker und die Entwicklung einer Zivilgesellschaft gelegt.Das parlamentarische Abkommen zwischen Schleswig-Holstein und Kalinin- grad soll keine Sonderstellung und Sonderbeziehung mit Ausschließlichkeits- charakter einleiten. Vielmehr verstehe ich es als einen Beitrag zu dem Prozess der Vertrauensbildung in der Ostseeregion. Dieser ist eingebettet in das Netz- werk der interparlamentarischen Beziehungen in Gestalt der Ostseeparla- mentarierkonferenz.Was aber wären die Kontakte auf internationaler, staatlicher und regionaler Ebene ohne die eigentlichen Akteure, die Bürger. Ich erinnere an meine voran- gegangenen Anmerkungen: Die Ostseekooperation wächst von unten. Dort, an der Basis, spielt die Musik. Nur wenn der Bürger über ein hohes Maß an Frei- heit und Eigenverantwortung verfügt, nur wenn die kleineren Lebenskreise – die Kommunen, die Vereine und Verbände – sich aktiv am Gesellschaftsgesche- hen beteiligen, dann kann Demokratie im Sinne von Volksherrschaft und Bür- gerbeteiligung im eigentlichen Sinne gedeihen. 4Ich formuliere das bewusst so, weil Demokratie und das, was wir unter einer Bürgergesellschaft verstehen, untrennbar miteinander verbunden sind. Nicht- regierungsorganisationen an der Schnittstelle von Politik und Gesellschaft sind das tragende Element einer Bürgergesellschaft. Als Parlamentarier sind wir daran interessiert, die Zusammenarbeit mit den Nichtregierungsorganisationen zu intensivieren und deren Erfahrung und Wissen für den gesellschaftspoliti- schen Übergangsprozess in den neuen Demokratien nutzbar zu machen.Aufgrund dieser Überlegung werde ich ein Informations- und Kontaktgremium für die Zusammenarbeit zwischen Nichtregierungsorganisationen in Schles- wig-Holstein und Kaliningrad ins Leben rufen. Durch zahlreiche Begegnungen und Anfragen weiß ich nur zu gut, dass unzählige Nichtregierungsorganisatio- nen aus Schleswig-Holstein Kontakt zu Kaliningrader Partnern unterhalten. Das Engagement ist bemerkenswert, doch häufig weiß die eine Hand nicht, was die andere tut. Es kann und darf nicht sein, dass die Vielzahl der Einzelak- tivitäten wie Spuren im Sand verlaufen. Deshalb will ich mich dafür einsetzen, die Aktivitäten und Kräfte zu bündeln, gegenseitig voneinander zu lernen und Erfahrungen auszutauschen, um so gemeinsam an dem Ziel, Aufbau einer Zi- vilgesellschaft in Kaliningrad, mitzuwirken.Noch in diesem Frühjahr werde ich zu der Gründungssitzung dieses Kreises, – ich nenne ihn vorerst den „Initiativkreis Kaliningrad“ – einladen. An einer Mitwir- kung interessierte Verbände oder Organisationen sind herzlich willkommen, mir dieses zu signalisieren.Herausgeber: Pressestelle des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel, Postf. 7121, 24171 Kiel, Tel.: (0431) 988- Durchwahl -1163, -1121, -1120, -1117, -1116, Fax: (0431) 988-1119 V.i.S.d.P.: Dr. Joachim Köhler, E-Mail: Joachim.Koehler@ltsh.landsh.de. Internet: http://www.sh-landtag.de