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24.01.01
15:33 Uhr
CDU

TOP 20a Martin Kayenburg: Reform aus der Not der leeren Kassen

LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N

Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.landsh.de/cdu-fraktion/ e-mail:fraktion@cdu.landsh.de
PRESSEMITTEILUNG Nr. 24/01 vom 24. Januar 2001



TOP 20a
Martin Kayenburg: Reform aus der Not der leeren Kassen
Spätestens Ihr heutiger Bericht, Frau Simonis, und Ihr mangelhafter Einsatz für die Bundeswehr hat jedem deutlich gemacht, dass Ihre letzte Haushaltsrede nur ein rhetorisches Strohfeuer war, inhaltlich hatten Sie damals und auch schon seit langem kaum etwas zu sagen.
Ihr Einsatz für unser Land ist mangelhaft. Sie haben nicht mehr die Kraft, zu gestalten. Jetzt werden sogar bei der Verwaltung Mängel und handwerkliche Fehler offenbar.
Und deswegen ist es gut, dass wir heute erneut die Auswirkungen der Bundeswehrstrukturreform auf unser Land Schleswig-Holstein öffentlich machen und den nachdrücklichen Einsatz des Parlamentes für den Erhalt der Standorte unterstreichen. Allerdings müssen wir leider feststellen, dass Ihr Bericht, Frau Simonis, dürftig, dünn und kenntnislos war. Seit der Vorlage des neuen Bundeswehrstrukturkonzeptes haben Sie offensichtlich weder persönlich noch durch Ihren Standortbeauftragten, Innenminister Buß, irgendwelche wegweisenden Erkenntnisse gewonnen, die über die im Sommer vergangenen Jahres vom Bundesverteidigungsminister veröffentlichen Erklärungen hinausgehen.
Die neue Bundeswehrstrukturreform, die nach unserem derzeitigen Kenntnisstand einschneidende Auswirkungen für unser Land haben wird, unterscheidet sich grundlegend von früheren Reformen.
Die früheren Truppenreduzierungen waren eine Folge der veränderten strategischen Sicherheitslage, über die wir uns in Schleswig-Holstein eigentlich nur freuen konnten. Mit der deutschen Einheit, dem Zerfall des Warschauer Paktes, dem Abzug sowjetischer Truppen auch aus unserem Nachbarland Mecklenburg-Vorpommern entstand eine neue Situation, die es natürlich erforderlich machte, große Truppenteile auch in den neuen Bundesländern zu stationieren. Und ich will in diesem Zusammenhang auch daran erinnern, dass es eines der großen Verdienste von Gerhard Stoltenberg, Ottfried Hennig und Volker Rühe war, mit der Nationalen Volksarmee und der Bundeswehr zwei Streitkräfte, die sich noch bis 1990 feindlich gegenüberstanden, zu einer demokratischen Armee zusammenzuführen. Die daraus folgende Entwicklung, die auch zu Truppenreduzierungen in Schleswig-Holstein führte, ist ein Beitrag zu mehr Frieden in der Welt und sollte auch
von Ihnen, Frau Simonis, mit der jetzigen, angeblichen Strukturreform der Bundeswehr nicht in einen Topf geworfen werden.
Die jetzige – übrigens die sechste Reduzierung des Umfang der Bundeswehr - hat dagegen mit einer veränderten Sicherheitslage nichts zu tun und ist auch daraus nicht begründbar. Der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Admiral Wellershoff, hat dazu in der FAZ vom 15. Januar festgestellt, dass das einzige Argument für die nun bevorstehende Truppenreduzierung die Kassenlage des Verteidigungshaushaltes sei. Und damit liegt Herr Wellershoff genau richtig. Die Personal- und Sachplanung einerseits und die Finanzplanung andererseits fallen drastisch auseinander. Herr Eichel will diese Fehleinschätzung nicht korrigieren und trägt seine Sparpolitik, ohne eingegangene internationale Verpflichtungen zu berücksichtigen, auf dem Rücken unserer Bundeswehr aus. Wir halten das für falsch. Und deshalb wehren wir uns auch gegen die zweifelsfrei auf unser Land zukommenden Kürzungen und Reduzierungen.
Die jetzige Strukturreform ist nur aus der Not der leeren Kassen geboren, und nicht etwa die Folge eines Abrüstungsprozesses. Und gerade deshalb wehren wir uns auch gegen die jetzt vorgesehenen Standortschließungen, die unser Land hart treffen werden.
Die Aktion in Hohenlockstedt gestern Abend, wo die Bürger ihr Licht abschalteten, um für den Erhalt des Strandortes Hungriger Wolf zu demonstrieren, hat beinahe Symbolcharakter für das ganze Land und für viele Städte und Gemeinden.
Wenn es uns nicht gemeinsam gelingt, für die Standorte erfolgreich zu kämpfen, werden in vielen Orten die Lichter ausgehen. Dies wird nicht nur die strukturell ohnehin benachteiligten Regionen des Landes treffen, sondern möglicherweise auch die Landeshauptstadt Kiel. Die wirtschaftlichen Folgen einer eventuellen Schließung der Wehrbereichsverwaltung und ihre Verlagerung ins Stammland des Bundeskanzlers können durch noch so viele Call Center nicht aufgefangen oder abgefedert werden.
In vielen Gesprächen mit Bürgermeistern, Landräten und Bundeswehrangehörigen habe ich den festen Eindruck gewonnen, dass unsere Kreise, Städte und Gemeinden in ihren Kenntnissen und Einschätzungen über die Auswirkungen dieser sogenannten Strukturreform schon wesentlich weiter sind, als diese Landesregierung.
Das ist ja auch kein Wunder. Anstatt sich schon im Sommer um die notwendigen Strukturdaten zu kümmern und Argumentationspapiere für die erkennbar kommende Standortdebatte zu erarbeiten, mussten wir sie in mehreren Sitzungen des Innen- und Rechtsausschusses des Landtages erst auffordern, endlich tätig zu werden. Wir mussten sie geradezu zwingen, in dieser wichtigen Strukturfrage unseres Landes endlich tätig zu werden.
Beispielhaft will ich nur zitieren aus dem Protokoll der Sitzung des Innen-Ausschusses vom 11. Oktober vergangenen Jahres. Dort heißt es :“Abg. Schlie bittet um schriftliche Zuleitung einer Aufstellung von Bundeswehrstandorten, Dienststellen, sowie Anzahl der Soldaten und Zivilbeschäftigten. Des weiteren bittet er um Zuleitung der Argumentation der Landesregierung für eine Stationierung des Wehrbereichskommandos sowie der Wehrbereichsverwaltung in Kiel.“ Diesem Antrag kommen Sie dann endlich am 29. November nach, nachdem Sie, Herr Buß, am 18. Oktober, also gut ein viertel Jahr nach Veröffentlichung der Pläne durch das Verteidigungsministerium, erstmals die größeren Städte und die Kreise angeschrieben und um Argumentationshilfe für die Standorte gebeten hatten.
Das große Treffen, zu dem Sie, Frau Simonis, dann am Montag vergangener Woche eingeladen hatten, war - zwei Tage bevor sie mit Herrn Scharping zu einem informellen Gespräch zusammenkamen - nichts als eine PR-Maßnahme ohne besonderen Wert für die möglicherweise betroffenen Kreise, Städte und Gemeinden
Ihr dort vorgetragene Zehn-Punkte-Erklärung ist die Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen und Selbstverständlichkeiten, aber kein überzeugendes Handlungskonzept.
Damit keine Missverständnisse aufkommen will ich eines vorweg sagen. Sie fordern dort u. a., dass alle Initiativen, die in dieser Sache vom Land ausgehen, parteiübergreifend unterstützt werden sollen.
Natürlich, das machen wir selbstverständlich gerne, wenn es dem Land nützt - nur nennen Sie uns doch einmal ein Beispiel einer Landesinitiative in dieser Frage, wo wir sie unterstützen sollten. Ich sehe bis zum heutigen Tage keine einzige.
Alle Diskussionen hier im Landtag wurden von den Oppositionsfraktionen initiiert. Wir haben mit unserem Resolutionsantrag vom 1. September die politische Diskussion um die Auswirkungen der Bundeswehrstrukturreform in unserem Land doch erst eröffnet. Bei Ihnen gab es nichts als das große Schweigen.
Erst jetzt, fünf Tage bevor der Verteidigungsminister seine Pläne veröffentlicht, werden Sie aktiv und machen gleich in Hektik. Jetzt fordern Sie die Kommunen zur Eile auf, jetzt veranstalten Sie Pressekonferenzen, jetzt erwecken Sie den Eindruck von Betriebsamkeit. Ich sage Ihnen, Frau Simonis, Sie haben jede Chance vertan, bereits im Vorfeld die Interessen unseres Landes wirkungsvoll zu vertreten.
Wenn ich mich erinnere, wie Sie bei früheren Reformen der Bundeswehr auf die jeweiligen Verteidigungsminister der Union eingeprügelt haben, dann habe ich jetzt doch den starken Verdacht, dass Ihre Rücksichtnahme auf die rot/grüne Bundesregierung den Interessen unseres Landes schadet.
Ich weiß auch, dass die Entscheidung über die schleswig-holsteinischen Standorte nicht hier im Landtag, sondern in Berlin fällt. Aber deshalb müssen wir uns doch trotzdem mit den Folgen der Entscheidungen für unser Land auch hier im Haus auseinandersetzen und wir müssen im Rahmen unseres Verfassungsauftrages auch prüfen, ob diese rot/grüne Regierung wirklich alles getan hat um nachteilige Auswirkungen von unserem Land fern zu halten.
Mein Eindruck ist, Sie sind jetzt viel zu spät in die Puschen gekommen, machen jetzt in Hektik und werden am Ende doch scheitern, weil sie in Berlin keine starke Lobby haben.
Ich find es ja ganz toll, dass Herr Scharping Ihnen, Frau Simonis, bei Ihrem Treffen in Hamburg heute vor einer Woche die Kriterien mitgeteilt hat, nach denen bei der Strukturreform vorgegangen werden soll, wenn es um Standorte der Bundeswehr geht. Dafür hätten Sie nicht nach Hamburg fahren müssen. Das ergibt sich doch eindeutig aus den vom Verteidigungsministerium herausgegebenen Veröffentlichungen - also nichts als Aktionismus. Zudem haben Sie, Frau Simonis, zu Herrn Scharping ja ein besonderes Verhältnis. Sie erinnern sich sicherlich noch daran, welches Echo sie auslösten, als Sie ihn 1995 im Kreis von Journalisten als „Autisten“ bezeichneten. Und Sie haben ihn auch in anderem Zusammenhang, als er Bundesvorsitzender und Kanzlerkandidat Ihrer Partei war, übel attackiert. Jetzt müssen Sie den Mann, den Sie wirklich grob beleidigt haben, für schleswig- holsteinische Interessen gewinnen.
Glauben Sie denn, dass Herr Scharping vergessen hat, wie Sie mit ihm umgesprungen sind? Ich sage Ihnen, Frau Simonis, wir sind jetzt an einem Punkt, wo sich Ihre flotten Sprüche nachteilig für unser Land auswirken werden. Dass Schleswig-Holstein in Berlin eine so schlechte Lobby hat, ist zum Teil eindeutig Ihre Schuld. Sie haben seinerzeit dem Trio Schröder, Scharping, Lafontaine Spielchen mit Förmchen im Sandkasten vorgeworfen. Ich glaube, heute will mit Ihnen keiner mehr spielen. Und deshalb schaden Sie unserem Land.
Was Sie, Frau Simonis, jetzt endlich erarbeiten müssen, ist ein landesweites Konzept, um Kreise, Gemeinden und Städte, aber auch die Politiker aller Parteien für die künftigen Diskussionen zu rüsten. Dieses Konzept muss die Entwicklung der Bundeswehr in Schleswig- Holstein ebenso beinhalten, wie eine Beschreibung des Ist-Zustandes zu Strukturdaten, Kaufkraftentwicklungen und Möglichkeiten für Ersatzarbeitsplätze.
Wir benötigen dringend einen Überblick über die Verwertbarkeit von Liegenschaften und die sozialen Folgen von Truppenreduzierungen und Standortschließungen. Und schließlich muss auch klargelegt werden, welche Auswirkungen für den Katastrophenschutz in unserem Land zwischen den Meeren befürchtet werden müssen. Wenn Sie darüber hinaus auch noch Vergleichsdaten für die Ersatzstandorte liefern könnten, wäre wenigstens eine Basis für die von uns gemeinsam zu führende Debatte vorhanden.
Das was Sie bisher geliefert haben, reicht nicht einmal für ein Grobkonzept aus. Bis heute haben Sie Ihre Aufgaben nicht erfüllt.
Und ich will zum Schluss noch eines zu Ihnen sagen, Herr Standortbeauftragter, Innenminister Buß: Wenn Ihnen zukünftig nichts anderes einfällt, als für den Standort Neumünster bei Herrn Scharping damit zu werben, dass in der Hindenburg-Kaserne die Böden verseucht sind, dann sind Sie Ihrer Aufgabe nicht gewachsen. Das war schon mehr als peinlich, und ich denke, Herr Scharping und gerade auch die betroffenen Soldaten und ihre Familien in Neumünster sehen das ganz genauso.