TOP 13 Martin Kayenburg: Gesteuerte Zuwanderung ist notwendig
LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.landsh.de/cdu-fraktion/ e-mail:fraktion@cdu.landsh.dePRESSEMITTEILUNG Nr. 434/00 vom 16. November 2000TOP 13 Martin Kayenburg: Gesteuerte Zuwanderung ist notwendig Der von der F.D.P. eingeforderte Bericht wird wichtige Ergebnisse für volkswirtschaftliche Diskussionen bringen. Es besteht allerdings das Risiko, dass damit von der eigentlichen Problematik abgelenkt und diese auf statistische, demographische und versicherungsmathematische Fragen reduziert wird. Dabei geht es um viel mehr.Angesichts der laufenden Diskussionen über Zuwanderung und angesichts von Fremdenfeindlichkeit in einigen Gruppierungen in Deutschland, die zum Beispiel in den Aufmärschen der Rechtsradikalen immer wieder deutlich wird, ist eine objektive Diskussion über Möglichkeiten der Gestaltung und die Notwendigkeit von Einwanderung dringend erforderlich. Der F.D.P.-Antrag zwingt die Landesregierung deshalb, die tatsächlichen Gegebenheiten konkret aufzuarbeiten.Jeder von uns hat Beziehungen und Kontakte zu Ausländern, privat und im allgemeinen Umgang. Wir gehen in die Pizzeria oder zum Chinesen zum Essen. Beim Einkauf werden wir häufig mit einem fremden, oft liebenswerten Akzent begrüßt. In den Kliniken werden wir von ausländischen Ärzten behandelt. Auch mancher niedergelassene Arzt ist Ausländer. Die Putzkolonnen der Reinigungsfirmen bestehen häufig komplett aus ausländischen Mitarbeitern. Im öffentlichen Dienst haben wir eine ähnliche Situation. Und diese Auflistung ließe sich beliebig fortsetzen.In fast jeder Berufsgruppe finden wir also inzwischen Ausländer, egal ob es sich um gering oder hochqualifizierte Berufe handelt. Wir werben mit einer sogenannten "Greencard" um ausländische Computerspezialisten aus der ganzen Welt. Die Industrie möchte inzwischen die sogenannte "Greencard"-Regelung auf die technischen Berufe ausgedehnt haben, denn es fehlen uns nicht nur Kommunikations- und Informatikexperten, sondern auch naturwissenschaftliche Ingenieure und Facharbeiter.Wir werben auch für Lehrstellen in vielen ausbildenden Unternehmen, die von ausländischen Mitbürgern geleitet werden. Dies alles zeigt, welche Bedeutung ausländische Arbeitgeber und ausländische Arbeitnehmer schon heute in unserem Land haben.Ende 1999 kamen 9 % der Bevölkerung in Deutschland oder 7,34 Mio. Menschen aus anderen Ländern; davon allein 28 % aus der Türkei, 10 % aus Restjugoslawien, 8,4 % aus Italien und 5 % aus Griechenland. Die restlichen knapp 50 % verteilten sich vor allem auf 16 weitere Nationen. Gründe und Motivation, weswegen diese Ausländer bei uns leben, sind sehr unterschiedlich. Manche sind schon in den 60er Jahren als Gastarbeiter gekommen, manche flüchteten vor blutigen Bürgerkriegen und manche erhielten politisches Asyl und Bleiberecht, manche sind zugewandert und haben die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen.Hier bei uns in Schleswig-Holstein lebten Ende 1999 151.200 Ausländer. Das waren mit 5,5 % wesentlich weniger als im Bundesdurchschnitt mit 9 %; nur in den ostdeutschen Ländern, im Bremen und im Saarland haben wir geringere Quoten.Die Bedeutung all dieser Mitbürger und weiterer Zuwanderer wird in Zukunft noch stark zunehmen. Der Bevölkerungswissenschaftler Prof. Dr. Herwig Birg von der Universität Bielefeld leistete dazu einen viel beachteten Beitrag u. a. in der FAZ vom 12. April 2000. Danach benötigt Deutschland, um den jetzigen Stand an Beschäftigten bei alternder und schrumpfender Bevölkerung in etwa halten zu können, bis zum Jahre 2050 netto eine Zuwanderung von 188 Mio. Menschen. Dabei geht Birg allerdings von der Annahme aus, dass sich auch diese Zuwanderer in ihrem Generationenverhalten dem der einheimischen Bevölkerung anpassen werden, wie wir das bei der bisherigen Zuwanderung beobachten konnten.Diese Zahl scheint unvorstellbar hoch. Aber dennoch: es muss uns auch klar sein, dass eine Zuwanderung überwiegend nicht aus Europa kommen kann, denn alle europäischen Staaten haben mehr oder weniger ein ähnliches Problem in ihrer demographischen, in ihrer Altersstruktur. Zuwanderung wird also vor allem aus anderen Kulturkreisen kommen.Wir dürfen die Zuwanderung aber nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Rentenproblematik betrachten. Viel gravierender ist die Tatsache, dass ohne die Zuwanderung auch nicht genügend Arbeitskräfte zur Verfügung stehen werden.Das heißt, Unternehmen müssten ohne entsprechende Zuwanderung ihre Produktion aus Deutschland verlagern, um die notwendigen Arbeitskräfte zu finden. Unsere Wirtschaft hier in Deutschland würde ausbluten, Arbeitsplätze wegfallen. Verarmung, vor allem der nicht so qualifizierten Bevölkerungsgruppen wäre die Folge. Wir würden ein Land vielleicht von Holdings und wenigen High-Tech-Unternehmen und Ökobauern bei hohen Arbeitslosenzahlen werden.Die Alarmglocken klingeln schon lange. Der Berichtsantrag wird eine Ist-Analyse bringen. Was wir aber benötigen ist darüber hinaus eine Zukunftsvision, die auf eine Integrationspolitik ausgerichtet ist, die in unserem europäisch geprägten Kultur- und Traditionsraum den gewollten Zuwanderern in unserer freiheitlichen Demokratie Arbeit und gesellschaftliche Aufnahme bietet und so ökonomische Notwendigkeiten und mitmenschliche Solidarität miteinander verbindet. Eine gesteuerte Zuwanderung ist unverzichtbar, wenn wir unsere Zukunftsprobleme lösen wollen.