Wolfgang Kubicki zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses im F all "Rohwer/Mantik"
F.D.P. L a n d t a g s f r a k t i o n Schleswig-Holstein 1 Christian Albrecht Pressesprecher V.i.S.d.P. F.D.P. Fraktion im Nr. 263/2000 Schleswig- Holsteinischen Landtag Landeshaus, 24171 Kiel Kiel, Mittwoch, 15. November 2000 Postfach 7121 Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497 Sperrfrist: Redebeginn E - Mail: fraktion@fdp-sh.de Internet: http://www.fdp-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!Zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Fall „Rohwer/Mantik“ sagte der Vorsitzende der F.D.P.-Landtagsfraktion, Wolfgang Kubicki:„„Untersuchungsausschüsse“ gehören zu den traditionellen Institutionen des parlamentarischen Regierungssystems in Bund und Ländern. Sie Presseinformation haben in der parlamentarischen Demokratie eine bedeutsame Aufgabe zu erfüllen. Als Hilfsorgane sollen sie im Rahmen des ihnen erteilten Untersuchungsauftrages das Parlament bei seiner Arbeit unterstützen und seine Entscheidungen vorbereiten. Sie versetzen das Parlament in die Lage, weitgehend eigenständig und unabhängig von Regierung, öffentlicher Verwaltung und Justiz mit hoheitlichen Mitteln Sachverhalte zu überprüfen, an deren Aufklärung ein durch den Verfassungsauftrag der Vertretung des Volkes begründetes Interesse besteht.“Diese Sätze, die das Bundesverfassungsgericht in seinem 49. Band formuliert hat, sind der Maßstab, an dem die F.D.P.-Landtagsfraktion ihre Entscheidung gemessen hat, die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu beantragen.Die zunächst zu stellende Frage, ob der Anlass, - Weitergabe eines vertraulichen Berichtes der Staatsanwaltschaft Lübeck an das Justizministerium über die Staatskanzlei und den Wirtschaftsminister des Landes Schleswig-Holstein an den Beschuldigten Staatssekretär Uwe Mantik – die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses rechtfertigt, kann sicher unterschiedlich beantwortet werden. Dies gilt insbesondere, wenn man beachtet, dass im Vordergrund der Tätigkeit von Untersuchungsausschüssen die politische Auseinandersetzung zwischen Parlament und Regierung einerseits sowie zwischen Opposition und die Regierung tragenden Fraktionen anderseits stehen und Untersuchungsausschüsse deshalb typischerweise als politische Kampfinstrumente, von denen insbesondere die Opposition Gebrauch zu machen pflegt, bezeichnet werden. Aber es ist unbestritten und unbestreitbar, dass der zur Untersuchung anstehende Vorgang sowohl in Schleswig-Holstein, als auch in der gesamten Bundesrepublik Deutschland Einmaligkeitscharakter besitzt. Und es gilt, die Hintergründe hierfür aufzuklären, die den Wirtschaftsminister veranlasst haben, sich – wie öffentlich erklärt – 2 gegenüber Herrn Mantik in bemerkenswerter Weise fürsorglich zu verhalten.Die Süddeutsche Zeitung hat am 14.11.2000 getitelt: „Verdächtige Fürsorge“ und unter Bezug auf die Pfeiffer/Barschel-Affäre und die Schubladen-Affäre ausgeführt:„Beide Affären sind noch heute tief ins Gedächtnis der Kieler Polit- Akteure eingegraben. So ist es vielleicht nicht ganz verwunderlich, dass an diesem Mittwoch der Kieler Landtag wieder einen Untersuchungsausschuss einsetzen wird in einer Affäre, die anderswo in der Republik vielleicht in den regulären Parlamentsgremien aufgearbeitet worden wäre. Wenn es die Erfahrung mit Affären in Kiel eben nicht gäbe, und wenn diese neue Fax- Affäre nicht vielleicht doch noch ein bisschen politischen Sprengstoff enthalten könnte, der, wenn er denn hochginge, die Regierung von Heide Simonis ein wenig erschüttern könnte.“Der Wirtschaftsminister hat in seiner Antwort auf die Pressekonferenz von F.D.P. und CDU am 13.10.2000 erklärt, meine - im übrigen als solche gekennzeichneten – Aussagen seien Vermutungen und Verdächtigungen.Dies stimmt.Aber wie auch die Staatsanwaltschaft jedem Verdacht nachgehen muss, ihn aufzuklären versucht, um ihn zu bestätigen oder zu widerlegen, so hat auch das Parlament gegenüber der Öffentlichkeit eine Verpflichtung, Verdachtsmomente aufzuklären.„ All animals are equal, - some animals are more equal“an diese Zeilen aus dem Buch „animal farm“ von George Orwell fühlten wir uns erinnert, als wir der Frage der Gleichbehandlung von Beschuldigten in staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren nachgegangen sind, nachdem Herr Prof. Rohwer uns erklärte, er sei geradezu zu seiner Handlungsweise verpflichtet gewesen.Es wird deshalb im Untersuchungsausschuss nicht darauf ankommen, die Hintergründe des Vorgangs der Weitergabe von Informationen aus staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren aufzuklären, sondern auch die Kriterien zu formulieren, unter denen sich Entsprechendes nicht oder für alle gleich wiederholt.An die Sozialdemokraten richte ich in diesem Zusammenhang die Aufforderung, die Kriterien der political correctness, die sie an andere anlegen, auch in ihren eigenen Reihen zu beherzigen. Der Fall Klimmt gibt Anlass zur Besorgnis, dass die Sozialdemokratie hier ihre Maßstäbe verliert und dies im Fall Mantik zumindest droht.In diesem Zusammenhang will ich ausdrücklich sagen, dass Untersuchungsgegenstand weder sein soll, noch sein wird, was Herrn Staatssekretär Mantik von der Lübecker Staatsanwaltschaft vorgeworfen 3 wird. Dies ist ausschließlich Aufgabe der Lübecker Staatsanwaltschaft, deren Entschließung abzuwarten, von Regierung und Parlament aber auch zu beachten sein wird.Aber ich will an dieser Stelle eins ganz deutlich sagen:Untreue, das heißt die Schädigung fremden anvertrauten Vermögens, hat mit Eigennutz überhaupt nichts zu tun. Eine Untreue oder ein Raub werden nicht deshalb zu einer weniger verabscheuungswürdigen Tat, weil das dem Eigentümer unrechtmäßig entzogene Vermögen durch den Täter der Welthungerhilfe anstatt dem eigenen Bankkonto zugeführt wird.Es ist von dieser Stelle auch darauf hinzuweisen, dass das von verfassungswegen geforderte „öffentliche Interesse“ nicht gleichzusetzen ist mit dem Interesse der Öffentlichkeit. Das öffentliche Interesse ist bereits deshalb zu bejahen, weil offenkundig innerhalb der Regierung zwischen den unterschiedlichen Ministerien und der Staatskanzlei unterschiedliche Auffassungen darüber bestanden und bestehen, wie mit derartigen streng vertraulichen BeStra-Vermerken umzugehen ist. Möglicherweise, auch dies könnte ein Ergebnis des Untersuchungsausschusses sein, bedarf es hierfür einer gesetzlichen Regelung.Die weitere damit zusammenhängende Frage drängt sich geradezu auf: Hat die Weitergabe des Vermerks bzw. der in ihm enthaltenen Informationen den Beschuldigten Staatssekretär Uwe Mantik in die Lage versetzt, Einfluss auf die weiteren Ermittlungen zu nehmen. In diesem Zusammenhang ist die Aussage des Wirtschaftsministers bemerkenswert, er habe sich selbst in der Lage gesehen, zu entscheiden, dass dies ausgeschlossen werden könne. Eine Erklärung, die bei mir nicht nur Erstaunen, sondern auch große Nachdenklichkeit auslöst. Denn es dürfte eigentlich kein Streit darüber bestehen, dass eine entsprechende Einschätzung nur von den ermittelnden Staatsanwälten selbst vorgenommen werden kann.Ich halte es, lieber Kollege Puls, auch für bemerkenswert, wie schnell die sozialdemokratische Landtagsfraktion mit der Erklärung in der Öffentlichkeit war, Herr Minister Rohwer habe rechtmäßig gehandelt. Ich habe hieran meine Zweifel, ohne dass daraus jedoch ein subjektiver Schuldvorwurf in Richtung des Ministers erhoben werden soll.Schließlich ist die Frage zu beantworten, ob der Landtag mit seinen sonstigen Instrumenten in der Lage wäre, ohne hoheitliche Mittel, das heißt ohne die Möglichkeiten der Zeugeneinvernahme mit Vereidigung, der Beschlagnahme von Unterlagen sowie der Durchsetzung des umfassenden Akteneinsichtsrechtes den Sachverhalt in hinreichender Weise aufzuklären. Dies erscheint mir nach der Vorstellung des Wirtschaftsministers im Innen- und Rechtsausschuss sowie der Durchsicht der dem Innen- und Rechtsausschuss zur Verfügung gestellten Unterlagen nicht möglich. 4 Hierbei will ich gar nicht weiter auf die Widersprüche in den Aussagen des Ministers eingehen, darauf, dass einige seiner Erklärungen im Innen- und Rechtsausschuss bereits urkundlich widerlegt werden können oder darauf, dass er der Staatskanzlei im Juni diesen Jahres und dem Innen- und Rechtsausschuss trotz intensiver Vorbereitung noch Ende September diesen Jahres eine Ablaufschilderung gab, die sich von der Ablaufschilderung völlig unterscheidet, die das Wirtschaftsministerium am Morgen der Pressekonferenz von CDU und F.D.P. zur geplanten Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses der staunenden Öffentlichkeit zuleitete. Vieles von dem, was der Minister geäußert hat, stimmt nicht oder besser gesagt, es besteht diesseits der nicht unerhebliche Verdacht, dass die Aussagen insoweit unzutreffend waren und in einem rechtsförmigen Verfahren durch den Minister selbst korrigiert werden müssen. Aber dies aufzuklären ist Gegenstand des Untersuchungsauftrages.Schließlich bleibt die Frage, ob sich der Vorfall Rohwer/Mantik und/oder das Verhalten der Ministerpräsidentin und der Staatskanzlei in dieser Sache für die Auseinandersetzung in und mit dem politischen Kampfinstrument Parlamentarischer Untersuchungsausschuss eignet. Man wirft uns vor, es sei unser Ziel, den Wirtschaftsminister weiter zu beschädigen, jedenfalls über das Maß hinaus, das er sich selbst an Schaden bereits zugefügt hat. Darum geht es nicht, jedenfalls nicht in erster Linie. Es geht uns um Wahrheitsfindung und Gleichbehandlung, es geht uns um die unabdingbare Achtung von Regierungsmitgliedern gegenüber dem Parlament.Vorgänge in Sachsen, Thüringen, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen haben gezeigt, ohne dass sie von mir im einzelnen bewertet werden sollen, dass die Integrität und Unabhängigkeit der Justiz ein hohes Gut sind, das zu verteidigen in einem demokratischen Gemeinwesen erste Aufgabe des Parlamentes sein sollte. Wir können ein Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie durch die Bürgerinnen und Bürger, durch die jungen Menschen, nur erwarten, wenn nicht der Eindruck entsteht, justizförmige Verfahren unterlägen der politischen Willkür und seien ihrerseits auch Ausdruck von Filz. Hier jedem Verdacht zu begegnen, jeden Anschein einer parteipolitischen Ausrichtung der Justiz zu zerstreuen, liefert für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses die durchgreifendste Begründung.Wir gehen davon aus, dass die anstehenden Fragen und Sachverhalte innerhalb relativ kurzer Zeit und ohne großen finanziellen Aufwand erledigt werden können. Auch kleine Untersuchungsausschüsse bei vergleichsweise kleinem Anlass tragen gelegentlich die Tendenz in sich, Großes zu bewirken. Meine Fraktion und ich würden uns freuen, wenn am Ende des Untersuchungsausschusses Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes und nicht Georg Orwells animal farm künftig Beachtung finden würde oder nur der erste Teil der von mir zitierten Passage: „All animals are equal.“