TOP 11: Martin Kayenburg: Hohe Beamte nicht besser stellen als andere Bürger
LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.landsh.de/cdu-fraktion/ e-mail:fraktion@cdu.landsh.dePRESSEMITTEILUNG Nr. 420/00 vom 15. November 2000TOP 11: Martin Kayenburg: Hohe Beamte nicht besser stellen als andere Bürger Die Oppositionsfraktionen beantragen heute die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, um einen Vorgang aufzuklären, bei dem es um viel mehr geht, als um unterschiedliche Rechtsauffassungen zur Handhabung von staatsanwaltschaftlichen Untersuchungsakten in Strafsachen, wie es die SPD die Öffentlichkeit glauben machen will.Ich werde mich aber in den Streit der Juristen nicht einmischen, sondern ich will versuchen deutlich zu machen, warum die Öffentlichkeit einen Anspruch darauf hat, zu erfahren, was sich im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen Staatssekretär Mantik im unmittelbaren Umfeld des Wirtschaftsministers aber auch im Zusammenspiel der Landessregierung zwischen Justizministerium, Staatskanzlei und Wirtschaftsministerium abgespielt hat. Für mich ist das nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine Frage der politischen Hygiene und Kultur; auch darum geht es uns.Zum Sachverhalt. Am 14. Juni diesen Jahres durchsuchten Staatsanwälte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wegen Untreue und Bestechlichkeit gegen Staatssekretär Mantik dessen Diensträume im Wirtschaftsministerium. Dort stießen sie zu ihrer eigenen Überraschung auf einen Vermerk, den die Staatsanwaltschaft im Rahmen der Berichtspflicht in Strafsachen für die Leitungsebene des Justizministeriums gefertigt hatte.Damit hat unzweifelhaft der in einem Strafverfahren beschuldigte Staatssekretär Informationen über die Arbeit der Staatsanwaltschaft in dem Verfahren bekommen, das ihn selbst betrifft. Ein Vorgang, der den Staatssekretär besser stellt, als jeden anderen Beschuldigten in unserem Land. Mit der Weitergabe des sogenannten Bestra-Vermerks an den Betroffenen in unserem Land ist zweierlei Recht entstanden, und darüber können und dürfen wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.Wir haben Ihnen, Herr Minister Dr. Rohwer, deshalb in einer Sondersitzung des Innen- und Rechtsausschusses Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sie haben sich dort, Herr Minister, umfangreich geäußert. Sie haben dem Parlament in diesem Ausschuss eine Geschichte über die Abläufe erzählt, auf die Sie sich offensichtlich sorgfältig vorbereitet hatten. Sie haben in diesem Ausschuss nicht eingeräumt, einen Fehler gemacht zu haben, sondern Sie haben die Tatsache, dass sie einem Beschuldigten Erkenntnisse aus staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zukommen ließen, versucht, zu rechtfertigen und dies sogar als Ihre Dienstherrenpflicht bezeichnet.Exakt 14 Tage später, am 12. Oktober, als erste Zweifel an ihrer Darstellung vor dem Innen- und Rechtsausschuss geäußert werden, korrigieren Sie Ihre Geschichte von den Abläufen am 11. Mai. Die Glaubwürdigkeit Ihrer Aussage vor dem Innen- und Rechtsausschuss haben Sie dadurch nicht gerade gestärkt. Im Gegenteil. Und Sie wissen ganz genau, Herr Minister, dass wir in Schleswig-Holstein aus den Erfahrungen der Vergangenheit besonderen Wert auf wahrheitsgemäße und glaubwürdige Erklärungen in Ausschüssen des Parlaments legen.Ich will auf weitere Einzelheiten und Unstimmigkeiten, die sich zwischen Ihrer Aussage vor dem Innen- und Rechtsausschuss und den bisher durch die Landesregierung übermittelten Akten ergeben, jetzt nicht weiter eingehen. Umfassende Aufklärung ist die Aufgabe des Untersuchungsausschusses, und ich freue mich darüber, Herr Astrup, dass Sie dies nach Ihrer Presseerklärung vom 13. Oktober im Kern offenbar genauso sehen.Allerdings stimme ich mit ihnen nicht überein, wenn Sie in derselben Presseerklärung meinen, es handele sich lediglich um die Frage, ob die Weitergabe des Bestra- Vermerks rechtmäßig war oder nicht. Das ist wesentlich zu kurz gesprungen.Wir haben uns nämlich mit einem Fall zu beschäftigen, in dem Prinzipien rechtsstaatlicher Ermittlungstätigkeiten durch ein Regierungsmitglied gebrochen worden sind.Darüber können wir als Parlament nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Ich stelle es noch einmal fest: Es ist in unserem Rechtsstaat nicht akzeptabel, dass Unterschiede bei Beschuldigten in Strafverfahren gemacht werden, Unterschiede, die sich daran messen, ob ein Beschuldigter Zugang zu Berichten über staatsanwaltliche Ermittlungen bekommt, weil er Staatssekretär ist oder nicht.Wenn dies die Regel würde, wären hohe Beamte in unserem Land strafrechtlich besser gestellt als alle anderen Bürger - und dies kann und darf nicht sein. Und die Aufklärung dieses Vorgangs liegt, eben weil es um gleiches Recht für alle geht, in öffentlichem Interesse. Und genau deshalb wollen wir alle Umstände klären, unter denen Herr Mantik in den Besitz dieses Vermerkes gekommen ist, und wir wollen wissen, was mit diesem Papier geschehen ist. Das dafür am besten geeignete Mittel ist eben ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, dem ganz andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, als einem ordentlichen Ausschuss unseres Parlaments, und auch deshalb haben wir uns dazu entschlossen, einen solchen Untersuchungsausschuss jetzt einzusetzen.Aus der Geschichte unseres Landes ist ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss im Bewusstsein vieler eine höchst ungewöhnliche und dramatische Angelegenheit. Richtig ist sicher, dass dieses schärfste Schwert der Opposition nicht ständig geschlagen werden kann. Aber genauso richtig ist auch, dass in anderen Bundesländern parlamentarische Untersuchungsausschüsse ein Stück Normalität sind. Zur Zeit gibt es in den Bundesländern und im Bund 16 parlamentarische Untersuchungsausschüsse. Allein in Nordrhein-Westfalen gab es in der vergangenen Legislaturperiode vier Untersuchungsausschüsse.Ich sage dies nur, um deutlich zu machen, dass die Dramatik, die wir aus den beiden großen Ausschüssen der Jahre 1987/1988 und 1993 bis 1995 hier erleben mussten, nicht die Regel ist.Wir wollen sachlich, konsequent und schnell jetzt diesen Sachverhalt aufklären, der nach allen bisher bekannt gewordenen Tatsachen auch die Frage aufwirft, wie die Landesregierung, die Staatskanzlei mit Vermerken der Staatsanwaltschaft umgeht, in denen über Ermittlungen in besonderen Fällen berichtet wird.Und wir wollen die merkwürdige Metamorphose aufklären, wie aus einem Bestra- Vermerk der Staatsanwaltschaft auf dem Weg über die Staatskanzlei zum Wirtschaftsministerium plötzlich ein Bestandteil einer Personalakte werden konnte. Wir hoffen, dass dies in Ihrer Staatskanzlei, Frau Simonis, nicht der Normalfall im Umgang mit brisanten Akten ist.Wie unabhängig kann eigentlich unsere Staatsanwaltschaft in bedeutenden Verfahren noch ermitteln, wenn sie damit rechnen muss, dass ihre Vermerke darüber Beschuldigten zugeleitet werden, weil es vielleicht politisch geboten erscheinen könnte. Und ich muss in diesem Zusammenhang auch die Frage stellen, ob es denn üblich ist, dass in politisch brisanten Fällen, wie es vorliegend zweifellos der Fall ist, dienstrechtliche Prüfungen parallel zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren geführt werden. Ich halte dies zumindest für ungewöhnlich, und deshalb wollen wir den Grund dafür wissen. Wir wollen auch wissen, warum Sie, Herr Rohwer, in das dienstrechtliche Prüfungsverfahren, zu dem Sie möglicherweise die Ministerpräsidentin aufgefordert hat, sofort Sachverstand von außen eingebunden haben, der ja auch vom Steuerzahler bezahlt werden muss. Sie hätten doch Ihre Fragen zunächst einmal an das Justiz- oder das Innenministerium richten können. In beiden Häusern sitzen erfahrene Juristen, die sich auch in Disziplinarverfahren bestens auskennen müssten. Aber Sie gingen einen anderen Weg. Auch dieser Vorgang ruft nach Erklärung. Dafür muss es Gründe geben, und ich frage mich: Welche denn nur?Wir beantragen, dass dieser Untersuchungsausschuss 13 Mitglieder haben soll. Damit ist sichergestellt, dass alle Fraktionen und auch der SSW in ihm mitarbeiten können, wenn sie dies wollen. Zugleich ist das Gremium so klein, dass effektive Arbeit möglich ist. Ich gehe auch nicht davon aus, dass dieser Ausschuss hohe Kosten verursachen wird, weil er sich nach heutigem Kenntnisstand auf eine relativ geringe Zahl von Auskunftspersonen aus den entsprechenden Regierungsstellen im Wesentlichen beschränken wird.Wir werden, wenn wir zügig und schnell arbeiten wollen, sicherlich auf die Auskunftsbereitschaft der Landesregierung angewiesen sein, und ich gehe davon aus, Frau Ministerpräsidentin, dass auch der Regierung an einer schnellen Aufklärung gelegen ist. Deshalb hoffe ich, dass wir nicht in langwierige Verfahren eintreten müssen, wenn es darum geht, Beweisanträgen des Ausschusses zu entsprechen.Wir möchten mit diesem parlamentarischen Untersuchungsausschuss beweisen, dass es möglich ist einen Fall, der unzweifelhaft im öffentlichen Interesse liegt, schnell und zugleich mit aller notwendigen Sorgfalt aufzuklären. Ich bin sicher, wenn Sie von den Koalitionsfraktionen dies auch wollen, haben wir hier eine neue Chance zu einer fraktionsübergreifenden Zusammenarbeit im Interesse der Wahrheit und letztlich der Unabhängigkeit unserer Justizorgane.