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18.10.00
11:22 Uhr
FDP

Ekkehard Klug zu Multimedia an Schleswig-Holsteins Schulen

F.D.P. L a n d t a g s f r a k t i o n Schleswig-Holstein 1
Christian Albrecht Pressesprecher
V.i.S.d.P.


Nr. 227/2000 F . D . P . F r a k t i on i m Schleswig-Holsteinischen Landtag Kiel, Mittwoch, 18. Oktober 2000 Landeshaus, 24171 Kiel Postfach 7121 Sperrfrist: Redebeginn Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497 E-Mail: fraktion@fdp-sh.de
Ekkehard Klug zu Multimedia an Schleswig-Holsteins Schulen
In seinem Debattenbeitrag zu TOP 7 (Auswirkungen von Multi-Media) sagte der bildungspolitische Sprecher der F.D.P.-Landtagsfraktion, Dr. Ekkehard Klug:



Presseinformation „Multimedia-PC und Internet verändern die Welt - und im besonderen verändern sie die Welt des Lehrens und Lernens in einer Weise, wie es zuletzt, vor mehr als 500 Jahren, die Erfindung des Buchdrucks getan hat. Dieser Vergleich beschreibt die Herausforderung, vor der alle Bildungseinrichtungen heute stehen. Den Skeptikern, die - selten in offenem Widerspruch, aber um so häufiger mit hinhaltendem Widerstand - das Thema „Schulen ans Netz“ als eine Modewelle ansehen und diese mit der Sprachlabor-Euphorie der späten 60er Jahre vergleichen, sei ausdrücklich widersprochen: Eine solche Einstellung ist so töricht, wie sie im Zeitalter Gutenbergs die Ablehnung von Büchern als Instrumente der Wissensvermittlung und des Lernens gewesen wäre. Anderseits verdeutlicht der Vergleich mit der Erfindung des Buchdrucks aber auch die Grenzen, die dem Einsatz neuer Medien und moderner Informations- und Kommunikationstechnologien gesetzt sind. So, wie es damals nicht damit getan war, Bücher in Klassenräumen aufzustellen, bekommt man heute selbstverständlich noch lange nicht eine gute Schule, wenn man dort PCs aufstellt und Internetanschlüsse installiert. Mit anderen Worten: Das neue - zusätzliche - Instrumentarium für Lehren und Lernen darf nicht mit Bildung gleichgesetzt werden. Speziell die elektronischen Medien verleiten zu einer kurzschlüssigen Betrachtungsweise. In einem 50-Sekunden-Fernsehbeitrag vermag ein Computerraum, in dem Schüler vor Monitoren sitzen, scheinbar eine intakte, moderne Schule zu zeigen. Ob die neuen Medien und Kommunikationstechnologien auch tatsächlich sinnvoll im Unterricht eingesetzt werden, verraten solche Bilder jedoch nicht. Wo hier Probleme liegen, zeigt u.a. die kritische Situationsbeschreibung, die zwei Flensburger Realschüler auf der Internet-Messe ProNetS lieferten und die das „Flensburger Tageblatt“ am 23. Juni d. J. wiedergab: 2 Ihre Schule verfüge über eine PC-Ausstattung mit 12 Schülerarbeits- plätzen, einem Lehrerarbeitsplatz und zwei Servern, aber nur 40 der insgesamt 240 Schüler arbeiten mit rund 60.000 Mark teuren Anlage. Fünf Sechstel der Schüler haben nichts davon, weil es an der Schule zu wenig Lehrer gibt, die mit der neuen Technik arbeiten können und / oder wollen. Dieses Beispiel zeigt: Allen regierungsamtlichen Erfolgsmeldungen zum Trotz ist Schleswig-Holstein bei der systematischen Einbe- ziehung der modernen Informations- und Kommunikations- technologien in Lehr- und Lernprozesse noch ein Entwicklungsland. Dieser Zustand wird auch dann nicht überwunden sein, wenn wir, wie von der Landesregierung versprochen, vielleicht tatsächlich bis Ende des Jahres 2001 das Ziel erreichen, alle Schulen ans Netz zu bringen. Denn das genannte Beispiel aus Flensburg zeigt: In weitem Umfang wird die installierte Technik kaum genutzt. In vielen Schulen stehen, wenn überhaupt, nur „So-da-PCs“. Der eigentliche Engpaß in diesem Bereich liegt in der unzureichenden Aus- und Fortbildung der Lehrer, in der noch unzulänglichen Entwicklung methodischer und didaktischer Hilfen zum Einsatz der neuen Technik für Unterrichtszwecke. Um die sinnvolle Anwendung der neuen Medien und der modernen Informations- und Kommunikationstechniken in möglichst vielen Fächern zu erreichen, bedarf es noch großer Anstrengungen. Die F.D.P.-Fraktion wird deshalb im Zuge der Haushaltsberatungen beantragen, den Etat des IPTS für Lehrerfortbildungsmaßnahmen auf 1 Million DM zu erhöhen und damit fast zu verdoppeln. Zweites Handlungsfeld ist die Ausbildung des Lehrernachwuchses. Über fünftausend neue Lehrerinnen und Lehrer wird das Land in den nächsten fünf Jahren einstellen, das ist etwa ein Fünftel der gesamten Lehrerschaft. Es wäre eine Riesendummheit, wenn man die Chance verstreichen ließe, diesen neuen Lehrer gleich von Anfang an methodische und didaktische Kenntnisse für den Einsatz der modernen Informations- und Kommunikationstechniken zu vermitteln. Vor wenigen Wochen hat eine Studie der Bertelsmann-Stiftung gezeigt, dass fast 90% der angehenden Lehrer sich nicht ausreichend auf die Unterrichtspraxis in den neuen Medien vorbereitet fühlen. Eine einzige Pflichtlehrveranstaltung mit zwei Semesterwochen, wie sie neuerdings in Schleswig-Holstein vorgeschrieben, wird daran nichts Wesentliches ändern.
Hier ist noch vieles zu tun. In diesem Zusammenhang möchte ich auch an Herrn Kollegen Lothar Hay appellieren, seine ablehnende Haltung zum „IT-Kompetenzzentrum“ für den Hochschulstandort Flensburg zu überdenken. Die rot-grüne Koalition hat vor wenigen Jahren beschlossen, die Ausbildung der Grund- und Hauptschullehrer in Flensburg zu konzentrieren. Sie haben damit den Lehrernachwuchs in Schleswig- Holstein erheblich verknappt - was uns noch in den nächsten Jahren bei wachsendem Lehrermangel zu schaffen machen wird.
Jetzt sorgen Sie bitte wenigstens dafür, dass die Nachwuchslehrer, die in Flensburg studieren, auch eine zeitgemäße Ausbildung bekommen ! Und dazu ist ein IT-Kompetenzzentrum an Hochschulstandort Flensburg eine unverzichtbare Voraussetzung ! 3 Am Standort Kiel wird es für die hier angebotenen Lehramtsstudiengänge darum gehen, diese Voraussetzung durch einen Ausbau des bereits existierenden Multimedia-Zentrums der Christian-Albrechts- Universität zu schaffen. Die Kieler Uni plant außerdem die Errichtung eines Zentrums für Lehrerbildung und didaktische Forschung, das hierbei ebenfalls Aufgaben übernehmen könnte, ebenso wie vielleicht auch der Multimedia-Campus - wenn er denn eines Tages reale Gestalt annimmt. Auch an den Schulen müssen bessere Voraussetzungen für die Arbeit mit den neuen Medien geschaffen. Lehrer, die an den Schulen hier Koordi- nationsaufgaben leisten, erhalten zu wenig Entlastung. Schulträger soll- ten vom Land Hilfestellungen für Ausschreibungen und Service-Verträge erhalten, etwa durch Formulierung von Muster-Verträgen. Die Stadt Bad Oldesloe hat vor den Sommerferien angekündigt, dass städtische Mit- arbeiter, die die kommunalen IT-Anlagen betreuen, künftig die Administration der örtlichen Schul-PCs übernehmen sollen. Solche Beispiele sollten Schule machen. Abschließend möchte ich, in der wenigen verbleibenden Redezeit, noch kurz auf die kritischen Stimmen eingehen, die vor einer „Computer- euphorie“ im Bildungswesen warnen. Meine Auffassung, dass die neuen Medien epochale Veränderungen bewirken, denen sich auch die Schulen stellen müssen, habe ich eingangs begründet. Ich habe aber auch Verständnis für die von Susanne Gaschke in der ZEIT geäußerte Sorge, die Kampagne für PCs und Internet an Schulen könne andere Probleme der Schulen in der öffentlichen Aufmerksamkeit in den Hintergrund drängen - wodurch der Eindruck entstünde, unser Bil- dungswesen kranke vor allem am Computermangel (DIE ZEIT, 30. März 2000, „Verheißung Internet“). Um das zu verhindern, muss vor allem die Frage nach dem sinnvollen Einsatz der neuen Medien in den einzelnen Unterrichtsfächern im Vordergrund stehen - und die Entwicklung entsprechender methodischer und didaktischer Kompetenz bei den Lehrern. Schließlich geht es bei dem Umgang mit den modernen Informations- und Kommunikationstechnologien vor allem darum, deren sinnvolle, vernünftige, und das heißt auch : kritische Nutzung zu sichern - und welche Institution sollte dafür die Grundlage schaffen, wenn es nicht die Schule täte? Bildung ist mehr als die Aneignung von Wissen. Durch Anklicken einer beliebig steigerbaren Anzahl von Websites wird niemand durch das Internet „gebildet“, und ob er im Netz brauchbare Informationen findet, ist auch nicht ausgemacht. Die neuen Medien können auf vielfältige Weise in den Dienst des Schulunterrichts gestellt und bieten manche Vorteile, aber sie werden niemals die direkte menschliche Kommunikation ersetzen: weder das Schüler-Lehrer-Gespräch noch die Kommunikation der Schüler untereinander. Der vernünftige, kritische Umgang mit dem erworbenem Wissen, den entwickelten Fähigkeiten, - ganz im Sinne des Wahlspruchs der Aufklärung: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ - dies bleibt auch im Informationszeitalter ein Ziel der Bildung. Dieses Ziel wird jedoch nur dann erreichbar sein, wenn sich die Bildungseinrichtungen mit den Technologien dieser neuen Zeit auseinandersetzen und sie nicht ignorieren oder dämonisieren