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16.10.00
15:37 Uhr
Landtag

Anlage zu Pressemitteilung 134/200: Rede "Der Beitrag der Parlamente zur Ostseezusammenarbeit: Rückschau und Ausblick"

„Der Beitrag der Parlamente zur Ostseezusammenarbeit: Rückschau und Ausblick“

Rede von Landtagspräsident Heinz-Werner Arens anlässlich des 5-jährigen SCHIFF-Jubiläums am Dienstag, dem 17. Oktober 2000



1. Einleitung
Sehr geehrte Damen und Herren,
fünf Jahre SCHIFF und zehn Jahre Ostseekooperation lautet das Leitthema der heuti- gen Veranstaltung. Was sind zehn Jahre für einen Politiker? Gerade einmal zwei Le- gislaturperioden. Und was sind zehn Jahre für einen Historiker? Allenfalls ein Blitzlicht, eine Momentaufnahme im historischen Abriss. Und dennoch werden gerade die ver- gangenen zehn Jahre in die Geschichte und in die politische Bilanz des Landes Schleswig-Holstein eingehen, wenn man den Ostseeraum und die Entwicklung dieser Beziehungen in einen größeren regionalen Zusammenhang und in einen internationalen Kontext stellt.
In der mittelalterlichen Hansezeit gehörte der Ostseeraum zu den politisch und wirt- schaftlich bedeutendsten Regionen Europas und der Welt. Dänemark und Schweden waren lange Zeit Mächte von europäischem Rang. Und St. Petersburg glänzte bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs als eine europäische Metropole.
Uns alle fasziniert die Idee, diesen Wirtschafts- und Lebensraum Ostsee wieder zu be- leben. Es war Björn Engholm, der im Jahr 1987 - also vor dem Fall von Mauer und Ei- sernem Vorhang - seine Vision von einer Neuen Hanse verkündete. Vor zehn Jahren wurde der politische Wunsch Wirklichkeit. Der Untergang der kommunistischen Zwangssysteme in Mittel- und Osteuropa, die Aufnahme Schwedens und Finnlands in die Europäische Union ebenso wie ihre anstehende Erweiterung nach Osten haben den politischen Horizont erweitert. So wie die Geschichtsschreibung die Hanse als einen internationalen Städtebund und als Mittlerin zwischen Ost und West interpretiert, sehen wir die Ostsee wieder in ihrer verbindenden und großräumigen Dimension. Hier wächst buchstäblich und sichtbar zusammen, was zusammengehört - geografisch, politisch, wirtschaftlich und kulturell.
Hinter dieser Entwicklung steht ein zentrales Motiv, das ich Sicherheitspolitik durch An- näherung nennen will. Wer sonst, wenn nicht die Parlamente und ihre Abgeordneten wären gefordert, diesen Auftrag zu erfüllen. Den Frieden zu bewahren und zu sichern, heißt vielleicht zuallererst, den Frieden zu erforschen, die vorhandenen Möglichkeiten -2-



der Frühwarnung und Konfliktprävention auszuloten. Folglich muss sich das politische Handeln auf fundierte wissenschaftliche Grundlagen stützen. In Schleswig-Holstein ste- hen uns hierfür Kompetenz und konzentriertes Wissen zur Verfügung. Ich spreche von unserem heutigen Gastgeber, dem Schleswig-Holsteinischen Institut für Friedenswis- senschaften an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel - kurz ich spreche von dem SCHIFF.
Ein Blick in den SCHIFF-Tätigkeitsbericht für 1999 macht deutlich, dass das Schleswig- Holsteinische Friedensforschungsinstitut und die Ostseeparlamentarier eng zusam- menarbeiten: Ich zitiere: „Die Ostseeregion steht im Mittelpunkt des empirischen Bezugs der For- schungsarbeit am SCHIFF, ... vor allem in der Perspektive einer prozesshaften Gestal- tung von Frieden in Europa. Welche Rolle kommt der Ostseeregion bei der Entfaltung neuer europäischer Friedensstrukturen zu und umgekehrt, wie wirken die Veränderun- gen in Europa auf die Ostseeregion und die Lebensbedingungen der Menschen in ihr zurück? Dabei wird gleichermaßen nach den Konfliktpotenzialen in der Ostseeregion selber gefragt, wie auch nach den Möglichkeiten, sie durch verstärkte grenzüberschrei- tend-regionale Kooperation ... zu verringern und einer konstruktiven Bearbeitung zuzu- führen.“ – Zitat Ende.
Die Parlamente der Ostseeanrainerstaaten sind an den wissenschaftlichen Erkenntnis- sen sehr interessiert. Erkenntnis allein reicht jedoch nicht aus. Es ist ebenso wichtig, diese umzusetzen, mit anderen Worten, politisch zu gestalten. Hieran anknüpfend will ich die Entwicklung und das Selbstverständnis der Ostseeparlamentarierkonferenz er- läutern. Die grenzüberschreitende parlamentarische Zusammenarbeit, insbesondere mit dem Oblast Kaliningrad, wird ein weiterer Schwerpunkt meines Vortrages sein.
2. Ostseekooperation
Die Idee der Zusammenarbeit im Ostseeraum hat sich ursprünglich aus vielfältigen städtischen, kirchlichen, wirtschaftlichen, sozialen und privaten Kontakten entwickelt. Die politische Zusammenarbeit durch Begegnungen auf der Ebene der Parlamente und Re- gierungen ist eine weitere tragende Säule. In kürzester Zeit hat sich im Ostseeraum ein Netzwerk von parlamentarischen, staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen ent- wickelt. Die verschiedenen Akteure haben bei letztlich gleicher Zielsetzung jeder für sich einen eigenen Auftrag und ein eigenes Selbstverständnis, was ich am Beispiel der Ost- seeparlamentarierkonferenz erläutern will. Hierzu nachfolgend:
2.1 Die Ostseeparlamentarierkonferenz
Nach dem Wegfall des Eisernen Vorhangs schufen die Parlamentarier aller Ostseean- rainerstaaten 1991 auf finnische Initiative zunächst die Ostseeparlamentarierkonferenz, ein Diskussionsforum. Die Konferenz hat sich zum Ziel gesetzt, durch enge politische Zusammenarbeit zu Sicherheit und Stabilität im Ostseeraum beizutragen. Ihr hervorste- chendes Merkmal ist, dass regionale und nationale Parlamente gleichberechtigt zu- sammenwirken. Das ist, soweit ich sehe, in ganz Europa und wohl auch darüber hinaus ohne Beispiel. -3-



So kurz – ich wies eingangs darauf hin – eine Zeitspanne von zehn Jahren ist, sie reicht aus, um Erfahrungen zu sammeln, zu lernen und, wo es notwendig ist, Entwicklungen zu präzisieren und auf ein Ziel hin zu fokussieren. In dem Zeitraum von zehn Jahren hat sich auch die Zusammenarbeit der Parlamente spürbar verändert. Waren zu Beginn das Ins- Gespräch-Kommen, die Kontakte, das Sich-Kennenlernen, der persönliche Kontakt unter den Parlamentariern Ziel, Inhalt und Zweck, so stehen heute konkrete und zielge- richtete politische Aktivitäten im Mittelpunkt. Aus dem ursprünglichen Diskussionsforum ist mit Verabschiedung einer Geschäftsordnung im vergangenen Jahr eine Arbeits- plattform geworden. Dieser Wandel, dieses neue Selbstverständnis der Ostseeparla- mentarierkonferenz, spiegelt sich auch in dem neuen Namen der Konferenz wieder. Sie firmiert seither unter dem Kürzel BSPC, Baltic Sea Parliamentary Conference. Im Mit- telpunkt der Arbeit steht die Implementierung der jährlich verabschiedeten Resolutionen, für die das politische Leitungsgremium der Konferenz, das Standing Committee, ver- antwortlich zeichnet. In diesem Gremium sind der Nordische Rat, die Baltischen Staa- ten, Polen, Russland und die Parlamente der norddeutschen Küstenländer (SH, MVP, HH, HB) sowie der Deutsche Bundestag vertreten.
Das Standing Committee übt die ihm übertragenen Aufgaben in enger Rückkoppelung mit der Arbeitsebene der jeweiligen Parlamente aus, d.h., mit den zuständigen parla- mentarischen Gremien, insbesondere den Europa- und den sonstigen Fachausschüs- sen. Dieser Ansatz unterstreicht zugleich die Notwendigkeit einer engen politischen und fachlichen Zusammenarbeit aller an der Ostseekooperation beteiligten deutschen Par- lamente. Nur wenn wir mit einer Stimme sprechen, werden wir im Ostseeraum gehört.
Dass uns dies ganz gut gelingt, zeigt die jüngste Jahreskonferenz im September d.J. in Malmö. Zwei zentrale Punkte der in Malmö verabschiedeten Resolution sind auf eine gemeinsame Initiative der norddeutschen Ostseeanrainer und des Deutschen Bundes- tages zurückzuführen. Hierbei handelt es sich um die Forderung nach einer Intensivie- rung des Jugendaustausches und der Einrichtung einer Ostseejugendstiftung. Als Ori- entierung, vielleicht sogar als Keimzelle dieser Stiftung kann möglicherweise das schon bestehende Ostseejugendsekretariat in Kiel dienen, auf das die Malmö-Resolution ausdrücklich Bezug nimmt.
Eingebettet in den Bereich von Bildung und Nachwuchs ist auch die Forderung nach einer Internationalen Sommerakademie zum Thema „Die Ostseeregion im neuen Euro- pa“. Zu dieser Idee der Sommerakademie für junge Führungskräfte aus dem Ostsee- raum hat das Schleswig-Holsteinische Institut für Friedenswissenschaften den Anstoß gegeben und der Konferenz eine entsprechende Ausarbeitung vorgelegt. Das sei, so der Vertreter des Nordischen Rates im Standing Committee, „eine fantastische Idee“. Ich habe in der Zwischenzeit ein Schreiben an die Ministerpräsidentin gerichtet und sie in zweifacher Hinsicht um Unterstützung gebeten: Einerseits die Förderung des Projektes in Gestalt von Stipendien seitens der schles- wig-holsteinischen Wirtschaft im Initiativkreis Ostsee zu erörtern und andererseits in einer konzertierten Aktion von Landtag und Landesregierung dem Bundesaußenminster als dem derzeitigen Vorsitzenden des Ostseerates vorzuschlagen, dass der Ostseerat die Schirmherrschaft für das Projekt übernimmt. Es ist unsere Absicht, dass hier – beginnend in Schleswig-Holstein – ein Ostseeprojekt vom Stapel laufen soll, das über Jahre angelegt und unabhängig vom jeweiligen Vorsitz im Ostseerat in den ganzen Ostseeraum hineinwirkt. -4-



An beiden Beispielen wird deutlich, dass es inzwischen eine eigenständige parlamenta- rische Arbeit im Ostseeraum gibt. Nicht mehr nur Regierungshandeln begleiten, sondern selbständig und in eigener Regie Kooperationen und Projekte initiieren und so dem Zusammenwirken eine breite demokratische Legitimation zu verleihen – das sind unser Selbstverständnis und unser Auftrag.
Zurück zu dem Thema Sicherheit: Durch die unterschiedlichen Lebensbedingungen im Ostseeraum, durch Armut und Ar- beitslosigkeit entwickelt sich sozialer Sprengstoff, der die Sicherheit entscheidend ge- fährden kann. In den ehemals kommunistischen Ländern sind die Probleme am größten. Hier sind besonders alte Menschen, kinderreiche Familien, Menschen in der Landwirt- schaft, im Bergbau und in der Textilindustrie von Armut betroffen.
Die Ostseeparlamentarier sind sich einig, dass die Länder im Übergang ihre Gesell- schaftssysteme aus eigenem Antrieb verändern müssen. Unzureichende Produktivität, erhöhte Unfallzahlen am Arbeitsplatz und im Straßenverkehr, eine vergleichsweise nied- rige Lebenserwartung, ungesunde Lebensgewohnheiten und teilweise unzureichende Fürsorge für Kinder signalisieren, dass ein verantwortungsvolles soziales Verhalten noch fehlt. Die Lösung dieser Probleme ist untrennbar mit dem Aufbau einer Zivilge- sellschaft verbunden. Die Ostseeparlamentarierkonferenz in Malmö hat folgerichtig beschlossen, ihre nächste Jahreskonferenz in Greifswald unter dieses Leitthema zu stellen. Die Vorarbeiten hierzu laufen. Das von mir in Auftrag gegebene und vom SCHIFF im Juni d.J. vorgelegte Gutachten zur Zivilgesellschaft in Kaliningrad ist schon jetzt eine wichtige Orientierung. Es ist vor allem wissenschaftlich qualifiziertes Material, das auch im Rahmen der Malmö-Konferenz internationale Beachtung gefunden hat.
3. Kaliningrad als Schwerpunktthema der BSPC
Die Nördliche Dimension, die sich im wesentlichen auf die Einbindung Kaliningrads in das Netzwerk der Ostseezusammenarbeit konzentriert, ist das zentrale politische The- ma.
Mit der Erweiterung der EU nach Osten gewinnt ihre künftige gemeinsame Grenze mit der Russischen Föderation zunehmend an Bedeutung. Dem Kaliningrader Gebiet fällt dann aufgrund seiner geographischen Lage als russischer Exklave eine besondere Rolle zu - eine Rolle von politischer Bedeutung für die ganze Ostseeregion.
Für die russische Führung gilt Kaliningrad als Pilotregion für die Entwicklung einer regi- onalen Zusammenarbeit mit der EU. Die Europäische Union, die Russische Föderation und die Ostseeanrainerstaaten – insbesondere Polen und Litauen – suchen nach ge- eigneten Maßnahmen, um die Konsequenzen aus der Enklavensituation aufzufangen und das immer größer werdende sozioökonomische Gefälle zu überbrücken.
Das Stichwort vom Baltic Schengen, das Für und Wider von Freihandels- und Sonder- wirtschaftszonen sowie die Bekämpfung der organisierten Kriminalität lassen erkennen, dass die Politik vor großen Herausforderungen steht. Gemeinsam sind Parlamente und Regierungen aufgefordert, Lösungen zu erarbeiten und den uns auf der Ebene der je- weiligen Zuständigkeit möglichen Beitrag zu ihrer Realisierung zu leisten. -5-



So sind es vor allem auch die regionalen Partnerschaften und die regionale Wirt- schaftskooperation, die dazu beitragen, das Partnerschafts- und Kooperationsabkom- men zwischen der EU und Russland ebenso wie die EU-Russland-Strategie mit Leben zu erfüllen.
Vor diesem Hintergrund sehe ich die gegenwärtig eher abwartende Haltung der russi- schen Zentralmacht gegenüber den regionalen Kooperationsmodellen mit Sorge. Der russische Präsident hat kurz nach seinem Amtsantritt neue Schritte zur Stärkung des Zentralstaates in Russland eingeleitet. Die Verwaltungsreform zielt darauf ab, die präsi- diale Kontrolle über die Regionen zu verbessern. In den sieben abgegrenzten föderalen Bezirken soll je ein Präsidentenvertreter die Einhaltung föderaler Gesetze und die Um- setzung der Kreml-Dekrete sicherstellen.
Ich habe die russische Politik nicht zu bewerten. Was wir können und was wir wollen, ist dass wir einen aktiven Beitrag zu einer stärkeren Einbindung Kaliningrads in die Ost- seekooperation leisten. Als erstes und einziges Parlament ist der Schleswig- Holsteinische Landtag um die Aufnahme partnerschaftlicher Beziehungen mit der Ge- bietsduma von Kaliningrad gebeten worden. Das hat seinen Grund, genauer gesagt, mehrere Gründe:
Seit 1992 gibt es eine Städtepartnerschaft zwischen der Landeshauptstadt Kiel und der Stadt Kaliningrad, und im Februar 1999 hatte die Schleswig-Holsteinische Landesre- gierung mit der Gebietsverwaltung von Kaliningrad ein Kooperationsabkommen ge- schlossen. Damit waren bereits politische Rahmenbedingungen auf verschiedenen E- benen vorbereitet, die im Januar dieses Jahres zur Unterzeichnung des Memorandums über parlamentarische Zusammenarbeit zwischen der Kaliningrader Gebietsduma und dem Schleswig-Holsteinischen Landtag geführt haben.
Die schnelle Einigung über die Inhalte des Memorandums war möglich, weil der Präsi- dent der Kaliningrader Gebietsduma, Valerij Ustyugov, und ich bereits seit längerem im Standing Committee der Ostseeparlamentarierkonferenz zusammenarbeiten. Nicht zu- letzt das in dem Gremium gewachsene Vertrauen und die persönlichen Kontakte haben den Weg für die Unterzeichnung des Memorandums geebnet.
Das Memorandum beschränkt sich bewusst auf parlamentsspezifische Themen und somit auf das, was wir als Parlament zu leisten imstande sind. Im Vordergrund stehen die Konsolidierung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Konkret heißt dies die Festigung der staatlichen Institutionen, insbesondere der Gesetzgebungs-, Exekutiv- und Rechtspflegeorgane. Des weiteren wird besonderes Schwergewicht auf die Mo- dernisierung der Verwaltung, auf Schulungsprogramme für junge Politiker und die schon erwähnte Entwicklung einer Zivilgesellschaft gelegt.
Das parlamentarische Abkommen zwischen Schleswig-Holstein und Kaliningrad soll keine Sonderstellung und Sonderbeziehung mit Ausschließlichkeitscharakter einleiten. Vielmehr verstehe ich es als einen Beitrag zu dem Prozess der Vertrauensbildung in der Ostseeregion. Dieser ist eingebettet in das Netzwerk der interparlamentarischen Beziehungen in Gestalt der Ostseeparlamentarierkonferenz. -6-



4. Ausblick
Damit schließt sich der Kreis von dem Institut für Friedenswissenschaften an der Chris- tian-Albrechts-Universität zu Kiel über den Schleswig-Holsteinischen Landtag bis hin zur Ostseeparlamentarierkonferenz. Gemeinsam arbeiten wir an Sicherheit und Stabilität im Ostseeraum. Wir sind in den fünf oder zehn Jahren, die uns bisher zur Verfügung standen, ein gutes Stück vorangekommen.
Natürlich bin ich mir dabei bewusst, das die Aufgabe der Parlamente nicht die konkrete Aktion, die handlungsorientierte Umsetzung ist. Vielmehr geht es darum, Demokratie zu legitimieren, anzuregen und aufzufordern. Dieser Auftrag wird bisweilen missverstan- den, denn Journalisten fragen gern nach den konkreten Erfolgen.
Zwei Bemerkungen will ich dazu machen. Weil die Ostseeparlamentarierkonferenz ein Gremium ist, in dem nationale und regionale Parlamente gleichberechtigt arbeiten, gilt das Konsensprinzip. Das ist eine Kultur, die es woanders nicht gibt. Wenn man Arbeits- ergebnisse erreichen will, muss man überzeugen und sich abstimmen. Mit Druck und Mehrheitsentscheidungen ist da nichts zu machen.
Zweitens möchte ich anmerken: Man mag mit dem wertenden halb vollen und halb lee- ren Glas an jedes Ergebnis herangehen, aber eines scheint mir sicher zu sein: per- spektivisch wird die Ostseeparlamentarierkonferenz in den nächsten ein bis zwei Jahr- zehnten noch mehr als heute gebraucht werden. Sie ist das einzige politische Gremium im europäischen Erweiterungsprozess und damit in der europäischen Integration, das Mitgliedstaaten der EU, Noch-nicht-Mitgliedstaaten und Nie-Mitgliedstaaten an einen Tisch bringt. Unter dem Aspekt Stabilität und Frieden im Zuge der osteuropäischen Er- weiterung in Europa ist es gut zu wissen, dass wir ein Forum haben, in dem alle Reprä- sentanten der regionalen Ebene wie der nationalen Ebene an einem Tisch sitzen.
Darum ist die parlamentarische Dimension der Ostseekooperation notwendig: Wir müssen unsere Arbeit an unseren eigenen verfassungsrechtlichen Aufgaben und Forde- rungen messen. Wir laufen nicht von morgens bis abends mit dem Geldsack durch die Lande und verteilen Wohltaten über Gerechte und Ungerechte. Unsere Aufgabe ist es, Handlungsrahmen abzustecken, Legitimität für Regierungshandeln, für Impulse zu ge- ben, Brücken zu schlagen, Kooperation aufzubauen und eine Moderatorenrolle einzu- nehmen. Das ist unsere Aufgabe – nicht mehr, aber auch nicht weniger.