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28.09.00
11:49 Uhr
CDU

TOP 10, 11 und 12 Martin Kayenburg: Der Rechtsstaat muss mit kühlem Kopf entschlossen handeln

LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N

Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.landsh.de/cdu-fraktion/ e-mail:fraktion@cdu.landsh.de
PRESSEMITTEILUNG Nr. 334/00 vom 28. September 2000

TOP 10, 11 und 12 Martin Kayenburg: Der Rechtsstaat muss mit kühlem Kopf entschlossen handeln
In einer eindrucksvollen Debatte hat sich der Schleswig-Holsteinische Landtag vor fast acht Jahren, am 30. Oktober 1992, mit den Taten und Gedanken der damals in diesem Landtag vertretenen rechtsextremistischen DVU auseinander gesetzt.
Wir haben damals Position bezogen gegen den neuen Rechtsextremismus, gegen seine Vertreter, die wir in diesem Parlament ertragen mussten, und gegen seine absurde Gedankenwelt, die sich in zahlreichen Anträgen, die diesen Landtag erheblich belasteten, auch dokumentieren lassen.
Alle demokratischen Fraktionen des Landtages waren sich einig in der Ablehnung dieser Neo-Nazis und wir haben dies - erfolgreich, wie ich meine - deutlich gemacht - wie auch in einer Broschüre des Landtages nachzulesen. Vier Jahre später verschwand der braune Spuk aus dem Landtag und wir alle waren froh darüber.
Die Wählerinnen und Wähler in Schleswig-Holstein hatten uns verstanden und verwiesen diese unappetitliche Gruppe wieder aus dem Parlament. Mit dem zuvor gefundenen gemeinsamen Weg zur Reform des Asylrechts hatten die demokratischen Fraktionen allerdings auch die Welle gebrochen, die die DVU ins Parlament gespült hatte.
Heute müssen wir uns wieder mit einer Ausprägung des Rechtsextremismus befassen, der seine alte Fratze hinter einer neuen Maske verbirgt.
Lassen Sie mich eines vorweg sagen. Ich bin froh und dankbar darüber, dass es am Ende doch zu einer gemeinsamen Resolution der demokratischen Fraktionen gegen den Rechtsextremismus und für ein tolerantes Schleswig-Holstein gekommen ist. Nichts wäre schlimmer gewesen, als wenn es zwischen den Demokraten keine gemeinsame Linie in der Ablehnung des politischen Rechtsextremismus mehr geben würde. Wenn wir heute besorgt und bestürzt neue Erscheinungsformen, insbesondere des Rechtsextremismus, erleben, müssen wir uns natürlich auch selbstkritisch nach den Ursachen fragen.
Haben wir in der Freude über den Rausschmiss der DVU aus dem Landtag in unserer Wachsamkeit nachgelassen?
Haben wir Probleme nicht erkannt, die jetzt möglicherweise den Nährboden für neuen Extremismus bilden?
Haben wir uns vielleicht auch in mancher Debatte hier im Landtag zu weit von den Sorgen und Nöten gerade der jungen Menschen entfernt und sie so zu leicht ansprechbaren Opfern extremer Ideologen gemacht?
Haben wir in unserem Bemühen, Schleswig-Holstein für die Herausforderungen des globalen Wettbewerbs fit zu machen und darüber zu diskutieren, die Ängste vergessen, die viele junge Menschen vor dieser Globalisierung haben?
Haben wir am Elfenbeinturm der Politik kräftig weitergebaut und nicht genug Türen und Fenster gelassen, um aufzunehmen, was die Menschen wirklich bewegt? Sind wir nicht mehr vor die Tür gegangen?
Setzen wir in der Bildungspolitik, in den Lehrplänen, inhaltlich die Schwerpunkte, die junge Menschen dazu befähigen extremistischen Einflüsterungen zu widerstehen?
Wird das „Ja“ zu Staat und Demokratie nicht zu oft auch in der veröffentlichten Meinung in Frage gestellt?
Sind in den Augen vieler Menschen nicht diejenigen die Dummen, die Steuern bezahlen, ihren Wehr- oder Zivildienst ableisten, sich ehrenamtlich in Vereinen, Verbänden oder auch Parteien engagieren und diejenigen die Cleveren, die selbstsüchtig nur ihre eigenen Interessen verfolgen?
Diese eher rhetorischen Fragen führen zu der entscheidenden Frage: Was können und was müssen wir tun, um diesen neuen Angriff der Extremisten auf unser Staatswesen, auf unsere Demokratie erfolgreich und nachhaltig abzuwehren?
Mit dem Extremismus muss sich unsere Demokratie wehrhaft auseinandersetzen. Das heißt, extremistische Straftaten müssen wie alle Straftaten verfolgt und geahndet werden - auf der Grundlage der bestehenden Gesetze und unter Anwendung rechtsstaatlicher Prinzipien. Gerade das zeichnet die „erwachsene“, stabile, gelebte und lebendige Demokratie aus.
Wer Grundrechte in Frage stellt, nur weil sie von Extremisten schamlos ausgenutzt werden, der bietet jenen eine Chance, die die Grundrechte anderer in Frage stellen. Ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Demokratie stark genug und in den Köpfen und Herzen der Mehrheit unserer Bürgerinnen und Bürger so fest verankert ist, dass



wir keinen Anlass für überzogene Reaktionen haben. Dies gilt auch bei aller Betroffenheit über die Bilder, die zum Beispiel von Neumünster aus in alle Welt gehen und unserem Land, aber auch Deutschland insgesamt, schaden.
Wir dürfen, wenn die Glatzköpfe mit ihren Springerstiefeln über unsere Straßen marschieren, nicht schweigen, aber wir müssen auch in unserer Betroffenheit und unserem Erschrecken einen kühlen Kopf bewahren und klug handeln.
Der Rechtsstaat darf sich nicht provozieren lassen. Wer Rechtsextremisten die Chance verschafft, sich bei Demonstrationen auf höchstrichterliche Urteile zu berufen, ist schon über das Stöckchen gesprungen, das ihm von den Extremisten hingehalten wurde.
Deshalb sage ich, die wehrhafte Demokratie muss entschlossen und überlegt handeln, gleich welche Form des Extremismus sie bekämpft. Und deshalb darf es einen Verbotsantrag gegen die NPD auch nur dann geben, wenn nach objektiven Maßstäben feststeht, dass diesem Antrag nach menschlichem Ermessen auch entsprochen werden wird.
Die Extremisten dürfen keine Chance haben, vom Bundesverfassungsgericht ihre Verfassungsmäßigkeit quasi bestätigt zu bekommen. Ich habe den Eindruck, dass sich diese Auffassung nach einer Phase verständlicher Betroffenheit bei vielen jetzt durchsetzt. Und das ist gut so.
Wir müssen auch jenen extremistischen Gruppen von links, die gegen die Neo-Nazis demonstrieren und dabei auch vor Gewalt nicht halt machen, immer wieder deutlich vorhalten, dass sie sich auf das böse Spiel der Rechten einlassen.
Für Demokraten kann es keinen Zweifel daran geben, dass beide Gruppen, diejenigen, die marschieren, und diejenigen, die die Marschierenden angreifen, ein gemeinsames Ziel haben. Sie wollen unseren freiheitlichen Rechtsstaat kaputtmachen, und das werden wir nicht zulassen!
Und genau aus diesem Grunde legen wir soviel Wert darauf, dass wir den Extremismus insgesamt in seine Schranken verweisen und entschlossen bekämpfen.
Deshalb danken wir der Polizei für ihren umsichtigen Einsatz vor Ort. Den Polizeibeamten, denen übel wird, wenn sie die Glatzen vor den Autonomen schützen sage ich: Sie schützen nicht die Rechtsextremen vor den Linksextremen, sondern sie schützen unseren Rechtsstaat vor Gewalt von Rechts und von Links, und genau dafür sind wir Ihnen dankbar. Natürlich sind wir in Deutschland wegen unserer Vergangenheit und wegen der schrecklichen Verbrechen, die in deutschem Namen begangen wurden in einer völlig anderen Situation, als andere Länder, die mit Rechtextremismus in unterschiedlichsten Formen leben müssen. Wir erleben es jetzt seit Jahrzehnten, dass der Ungeist des Extremismus in einer Art Wellenbewegung hinter jeweils anderen Masken immer wieder aus dem Untergrund auftaucht.


Unsere Demokratie hat dem bisher standgehalten, und ich bin sicher, dass auch der neue braune Spuk wieder verschwinden wird. Was mich dennoch ernsthaft besorgt, ist die Tatsache, dass anders als früher, die braunen Parolen offenbar verstärkt Gehör bei jungen Menschen finden.
Rechtsextremistische Liedtexte als populäre Rocksongs und zum Beispiel die Nutzung des jungen Mediums Internet für extremistisches Gedankengut zeigen, dass die Ewiggestrigen die neue grenzenlose Medienwelt für ihre üblen Ziele missbrauchen.
Da wir den internationalen Zugang zum Internet gesetzlich kaum werden regeln oder auch nur umfassend kontrollieren können, muss es die Aufgabe des Staates und insbesondere der Bildungspolitik sein, durch Wissensvermittlung und Aufklärung deutlich zu machen, dass Rechtsextremismus Deutschland schon einmal ins Verderben geführt hat.
Wir müssen aber auch durch gezielte Fortbildung Lehrerinnen und Lehrer in die Lage versetzen, extremistische Tendenzen bei Schülerinnen und Schülern zu erkennen und dagegen vorzugehen. Ich war neulich schon überrascht, als ich hörte, dass zum Beispiel weiße Schnürsenkel in Springerstiefeln ein besonderes Erkennungszeichen sind, und ich weiß nicht, wie viele Lehrer das wissen.
Wir müssen uns aber auch darüber klar sein, dass viele Jugendliche zu den Rechtsextremen stoßen, weil sie dort in der Gruppe eine Art von Geborgenheit finden, die Ihnen anderswo fehlt. Und deshalb bin ich auch froh darüber, dass Sie, Herr Hay, jetzt schon signalisiert haben, dass Sie im Haushaltsentwurf der Landesregierung Umschichtungen zugunsten einer aktiven, demokratischen Jugendarbeit vornehmen wollen.
Wir müssen aber auch als Politiker selbst alles tun, um die Chancen aufzuzeigen, die für junge Menschen in der immer internationaler werdenden Welt liegen, und wir müssen ihnen diese Chancen auch bieten.
Und dazu ist es auch notwendig, deutlich zu machen, dass ein Leben in Frieden und Freiheit keine Selbstverständlichkeit ist, sondern immer des Engagements vieler Einzelner bedarf. Die Resolution, die der Landtag 1992, wenige Monate nach dem Einzug der DVU in dieses Parlament, verabschiedete schloss mit den Worten „Wehret den Anfängen“. Dem fühlen wir uns nach wie vor verpflichtet.
Diejenigen, die Freiheit, Demokratie und Toleranz in unserem Land mit ihren Stiefeln zertreten wollen, werden auf unsere entschiedene Abwehr treffen.