Wolfgang Kubicki zum Rechtextremismus
F.D.P. L a n d t a g s f r a k t i o n Schleswig-Holstein 1 Christian Albrecht Pressesprecher V.i.S.d.P. F.D.P. Fraktion im Nr. 198/2000 Schleswig- Holsteinischen Landtag Landeshaus, 24171 Kiel Kiel, Donnerstag, 28. September 2000 Postfach 7121 Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497 Sperrfrist: Redebeginn E - Mail: fraktion@fdp-sh.de Internet: http://www.fdp-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!Wolfgang Kubicki zum Rechtextremismus„Nun beschließen wir als Schleswig-Holsteinischer Landtag erneut kraftvoll eine Resolution gegen neonazistische Gesinnung und rechtsradikale Gewalt. Aber mich beschäftigt hierbei die bisher nicht beantwortete Frage, warum wir dies eigentlich tun bzw. tun müssen, fast Presseinformation acht Jahre nach Mölln und Solingen, fast fünf Jahre nach dem Verschwinden der DVU aus diesem Landtag.Was ist eigentlich schief gelaufen und wo haben die politischen Entscheidungsträger auch dieses Landes versagt, wenn wir uns ausgerechnet heute von dem nicht liberalen oder freiheitlichen Jörg Haider den Spiegel vorhalten lassen müssen, Österreich werde europaweit geächtet, weil die „Freiheitlichen“ dort mitregierten, aber in Österreich gebe es keine neonazistischen Demonstrationen, dort würden keine Asylbewerberheime in Brand gesetzt und Menschen getötet, weil sie anderer Hautfarbe oder Religion sind.Über diese Debatte und diese gemeinsam zu beschließende Resolution hinaus erwarten wir Liberalen von der Landesregierung, erwarten wir vom Schleswig-Holsteinischen Landtag, in den Haushaltsberatungen ein deutliches Signal, das nicht nur keine Kürzung in der Jugendarbeit, insbesondere auch in der politischen Bildungsarbeit vorgenommen wird, sondern dass wir unseren markigen Worten auch markige Taten folgen lassen und in den Haushaltsansätzen dokumentieren, dass uns die rationale Auseinandersetzung mit neonazistischen Umtrieben im wahrsten Wortsinn etwas wert ist.Ich mahne ausdrücklich eine rationale Auseinandersetzung an, da es im „Kampf gegen Rechts“ eine Reihe von Trittbrettfahrern gibt, denen es hierbei um alles geht, nur nicht darum, die Demokratie, den Rechtsstaat und die Wertentscheidungen des Grundgesetzes zu verteidigen oder gegenüber jedermann durchzusetzen.Ich wehre mich dagegen, eine offene Diskussion über nicht zu leugnende Probleme der Integration und des Zusammenlebens zu tabulisieren. Nicht jeder Türkenwitz ist ein Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit – dies gilt im übrigen für Ostfriesenwitze in gleicher Weise. 2 Die besten Türken- und Ostfriesenwitze erzählt im übrigen mein langjähriger Mitarbeiter und Freund Mehmet Daimagüler. Nicht jeder Ausländer ist bereits deshalb ein guter Mensch, weil er Ausländer ist und nicht jede Verfolgung von Straftaten gegenüber Kriminellen aus anderen Staaten ist Ausdruck rassistischer Verfolgungswut deutscher Behörden.Ich sage dies deshalb, weil der Kampf gegen rechte Gewalt und der Kampf gegen die niedrige neonazistische Gesinnung nur und ausschließlich mit rechtsstaatlichen Mitteln geführt und auch gewonnen werden kann und nicht mit Gesinnungsethik – selbst wenn sie gut gemeint ist.Wer „Sonderrechte“ gegen Rechte fordert, leistet in meinen Augen einen wesentlich schlimmeren Beitrag zum Angriff auf unsere rechtsstaatliche Ordnung, als es die faschistischen Spinner und die Gewalttäter und Kriminellen mit oder ohne rechte Gesinnung je könnten. Recht ist eben dankenswerter Weise nicht die in Gesetzesform gegossene Willkür einer bestimmten politischen Überzeugung, sondern ein gegenüber jedermann oder jederfrau in gleicher Weise verbindlich normiertes Regelwerk zur Konfliktlösung.Deshalb danke ich dem SSW ausdrücklich, dass er darauf hingewiesen hat, dass wir die vorhandenen Instrumentarien des Rechtsstaates nur konsequent einsetzen müssen, nicht jedoch unter dem Deckmantel eines „Kampfes gegen Rechts“ rechtsstaatliche Grundprinzipien selbst in Frage stellen dürfen. Eine Veränderung des Versammlungs- und Demonstrationsrechtes brauchen wir nicht und die F.D.P. wird dies auch nicht mitmachen. Ein „Sonderstrafrecht“ für rechte Gesinnung brauchen wir nicht und die F.D.P. wird dies auch nicht mitmachen. Wer vorschlägt, Rechtsradikalen den Führerschein zu nehmen, weil sie ihre charakterliche Unzuverlässigkeit dokumentiert hätten, dokumentiert damit nicht seine hoch moralische Überlegenheit in einem gesellschaftlichen Konflikt, sondern sein mangelndes Grundverständnis der verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen. Ich will es bei diesen mahnenden Worten bewenden lassen, obwohl ich noch einiges hinzufügen könnte.Wir müssen als Parlament und Parlamentarier nicht nur den Schulterschluss gegen verfassungs- feindliche rechte Gesinnung üben und unsere Strafverfolgungsbehörden in der Verfolgung krimineller Taten mit rechtem Hintergrund unterstützen. Wir müssen auch aufpassen, dass eine rationale Auseinandersetzung nicht unter dem Druck vermeintlicher moralischer Überlegenheit verhindert wird.Auf meine Kritik an den Äußerungen des Innenministers Buß zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, eine Demonstration von Rechten in Neumünster zuzulassen – übrigens eine zutreffende Entscheidung, die den Ordnungsbehörden vor Ort auch dokumentiert hat, dass man mit den Auflagen des Versammlungsrechtes durchaus sinnvoll operieren kann -, erhielt ich einen Brief eines überzeugten Demokraten mit dem Hinweis, Schleswig-Holstein brauche in meiner Person keinen Haider. Das mag für manche zwar amüsant sein, aber es zeigt für mich auch die bedenkliche und gefährliche Dimension eines „Kampfes gegen Rechts“, der sich nicht auf die Durchsetzung des Rechts konzentriert, sondern sich auf tatsächliche oder angebliche moralische Kategorien zurückzieht.Ich will in diesem Zusammenhang ausdrücklich den Gerichten auch unseres Landes danken, dass sie gelegentlich in einer aufgeregten politischen und öffentlichen Diskussion darauf hinweisen, dass es verfassungsrechtliche Grundentscheidungen gibt, die wir heute auch mit unserer gemeinsamen Resolution bekräftigen. Und es gibt einen demokratischen Rechtsstaat, der mit den Kriminellen, gleich welcher Gesinnung, fertig wird.Wir sollten uns davor hüten, den Eindruck zu erwecken, mehrere hundert oder mehrere tausend Chaoten der rechten Szene wären in der Lage, den demokratischen Rechtsstaat aus den Angeln zu heben.“