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28.09.00
10:49 Uhr
SPD

Rolf Fischer zu TOP 36, 37, 41 und 47: Ostseebericht

Sozialdemokratischer Informationsbrief


Landtag Kiel, 28.09.00
aktuell Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn

Rolf Fischer zu TOP 36,37, 41 und 47:

Ostseebericht
Mehr Kooperation im Ostseeraum, größeres Selbstbewusstsein gegenüber Europa und der Aufruf, stärker als bisher über die Rolle und Integration Russlands zu diskutie- ren – das waren die Eckpunkte einer herausragenden Rede des ehemaligen däni- schen Außenministers Uffe Ellemann Jensen auf der 9. Parlamentarierkonferenz.

Und in diesen Punkten spiegelte sich tatsächlich der „Geist“ dieser Konferenz wider; nicht zuletzt angeregt und provoziert durch eine ebenso offene wie pragmatische Rede des russischen Duma-Abgeordneten.

Konkret gab es für die deutsche Delegation zwei besondere Punkte: Die Einrichtung einer internationalen Sommerakademie zur Schulung und Ausbildung von Experten und die organisatorische Stärkung der Jugendarbeit und des Jugendaus- tausches.

Beide Projekte sind wichtig, der Präsident hat in seiner Rede entsprechendes ausge- führt, so dass ich dies hier nicht wiederholen muss.

Die Abschlussresolution nennt weitere Bereiche, – wir werden sie beraten – eine erste Runde im Europaausschuss ist bereits erfolgt, und wir werden die Resolution zusam- men mit den entsprechenden NGO umsetzen.
Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion und SPD-Landesvorstand Verantwortlich: Manfred Schröder Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



Mir geht es um einen weiteren Aspekt, der in allen Reden und mehr noch in den Ge- sprächen am Rande der Konferenz deutlich wurde: Die EU-Erweiterung; ie spielte in all diesen Beiträgen die heimliche Hauptrolle.

Deshalb möchte ich an dieser Stelle deutlich sagen: Wir müssen einsehen, dass wir einander brauchen, wenn wir ein vereintes Europa wollen: Ost und West; in Malmö wurde dies deutlich.

Denn es geht eben nicht nur um Beitritte, so wie man vielleicht einem Verband beitritt oder eine Gesellschaft um neue Mitglieder vergrößert; es geht um nichts weniger als die friedliche und stabile Zukunft unseres Kontinents, um die Wiedervereinigung Euro- pas.

Immer wieder kommen aber Zweifel bei unseren europäischen Nachbarn auf, dass wir die EU-Erweiterung doch eigentlich gar nicht wollten. Diese Zweifel haben ihren Grund z.B. im Spielen mit Ängsten und Vorurteilen gegenüber Europa.

Es gibt da ein Politik der Nadelstiche, die ich für sehr gefährlich halte. Einige Beispiele:

Wenn wider besseres Wissen spekuliert wird, dass bei der EU viel zu wenig Geld für die Erweiterung vorhanden sei, wenn der Verlust der regionalen Identität unterstellt wird oder wenn die „Überschwemmung“ (was für ein Wort!) des deutschen Arbeits- marktes mit osteuropäischen Billigarbeitern angedroht wird, dann wecken diese Zwi- schentöne in Europa Zweifel an der deutschen Haltung zur Erweiterung. Und sie erzeugen auch bei uns im Lande Zweifel an Europa.

Ich möchte davor warnen: Wer europapolitische Probleme als Hebel für innenpoliti- sche Konfrontation benutzt, wer Ängste vor Heimatverlust oder „Überfremdung“ schürt, der schafft kein Europa, der schadet Europa. -3-



EU-Kommissionspräsident Prodi hat vor wenigen Tagen diese Punkte richtig gestellt und hat die genannten Aspekte dahin verwiesen, wo sie hingehören: in den Bereich der Spekulation. Und das ist gut so.

Denn wenn die neuen Länder in Osteuropa daran scheitern, ihre Demokratien zu festi- gen, ihre Wirtschaften zu modernisieren, die Umwelt zu schützen und soziale Sicher- heit aufzubauen, dann scheitern wir mit ihnen.

Entweder exportieren wir Stabilität und soziale Gerechtigkeit oder wir werden Unruhe und Unfrieden importieren.

Schon deshalb muss der Beitrag des russischen Duma-Abgeordneten in Malmö, der die Isolation seines Landes kritisierte, sehr ernst genommen werden.

Die Gespräche zur Erweiterung laufen; vom EU-Gipfel in Nizza erwarten die Beitritts- kandidaten ein klares Szenario für die weiteren Verhandlungen, inklusive eines festen Zeitplanes.

Der Bericht der Landesregierung gibt ein stimmiges Bild der Lage.

Bis zum Zeitpunkt der Beitritte wird auch die institutionelle Reform in Europa auf dem Weg sein.

In Nizza muss der Einstieg geschafft werden, mehr ist wohl nicht zu erwarten; ich bin überzeugt, dass der genannte Kompromiss, eine weitere Regierungskonferenz zu diesem Thema abzuhalten, sehr realistisch, weil pragmatisch, ist.

Für mich ist ein Punkt in diesem Zusammenhang besonders wichtig: -4-



Wir müssen uns um breite demokratische Legitimation in Europa bemühen; d.h. die parlamentarischen Kräfte, wie z.B. das Europäische Parlament, müssen weiter ge- stärkt werden.

Und es gilt: Europa- und die Länderparlamente sind Partner, nicht Konkurrenten.

Und dieser Gedanke führt mich zurück zur Parlamentarierkonferenz und zur Ostseepo- litik.

Ich glaube, dass wir die parlamentarische Dynamik verstärken müssen. Sonst verlieren wir im Verhältnis zu den Regierungen im Ostseerat weiter an Boden.

Deshalb möchte ich zum Schluss meiner Rede zwei sehr vorsichtige Denkanstöße ge- ben, nicht als Antrag oder Vorlage, nur als Anregung:

Wie wäre es, wenn wir nun – 10 Jahre nach Gründung – über eine neue Form der Par- lamentarierkonferenz nachdenken würden?

Wie wäre es, wenn wir als politisches Ziel die Realisierung einer parlamentarischen Versammlung oder – als Fernziel – sogar eines „Ostseeparlaments“ diskutieren wür- den?

Eine parlamentarische Versammlung ist klarer, deutlicher und stärker als eine Konfe- renz; die Verbindlichkeit der Beschlüsse und die Möglichkeit ihrer Umsetzung können dabei nur verbessert werden.

Ich bin überzeugt: Die Parlamente rund um die Ostsee rücken dadurch noch enger zu- sammen. Und das wollen wir doch. -5-



Wir sollten dies einmal – vielleicht im Europa-Auschuss, auf jeden Fall aber mit dem Landtagspräsidenten als Vorsitzenden des „standing committee“ – diskutieren.

Und als zweiter und letzter Vorschlag: Wenn wir im nächsten Jahr in Greifswald tagen, sollten wir als Schleswig-Holsteiner die Diskussion der „Minderheitenfrage im Ostesee- raum“ auf die Tagesordnung setzen.

Das passt zum Thema Bürgergesellschaft, zu Schleswig-Holstein, zum Ostseeraum und natürlich zu Europa.