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28.09.00
10:16 Uhr
FDP

Joachim Behm zur Ostseekooperation

F.D.P. L a n d t a g s f r a k t i o n Schleswig-Holstein 1 Christian Albrecht Pressesprecher
V.i.S.d.P.


F.D.P. Fraktion im Nr. 197/2000 Schleswig- Holsteinischen Landtag Landeshaus, 24171 Kiel Kiel, Donnerstag, 28. September 2000 Postfach 7121 Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497 Sperrfrist: Redebeginn E - Mail: fraktion@fdp-sh.de Internet: http://www.fdp-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!
Joachim Behm zur Ostseekooperation
"Der erste Überblick zum Thema Ostseekooperation ist nur sehr schwer zu gewinnen. Zurecht befassen wir uns mit den Komplexen
• Aktivitäten im Ostseeraum



Presseinformation • Erweiterungsprozess der EU • Sicherheitskonzept im Ostseeraum und • Ostseeparlamentarierkonferenz
in einem Block.
Ein "Wust" von Papier gefüllt mit Denkschriften, Studien, Beschlüssen - meist unverbindlicher Art - und Resolutionen kommt auf den Parlamentarier zu. Mir stellten sich die Fragen als Mitglied des Europaausschusses des Landtages und auch als Teilnehmer der Ostseeparlamentarierkonferenz in Malmö:
• Was ist seit dem Umbruch in Europa schon erreicht worden ? • Wo gibt es noch gravierende Defizite ? • Wo wird echte Entwicklung nur von Resolutions- und Beschlussaktionismus vertarnt ? • Wo drohen Gefahren für das Zusammenleben der Völker rund um die Ostsee ?
Abschließend zufriedenstellende Antworten wird es zum jetzigen Zeitpunkt nicht geben können. Aber die Verantwortlichen werden positive Zwischenergebnisse ganz sicher vorweisen können.
Das Herausragende ist ganz ohne Zweifel: Verantwortliche Persönlichkeiten aus allen Anrainerstaaten der Ostsee treffen sich regelmäßig und sprechen miteinander über ihre Probleme im eigenen Land und auch über Umstände, die das grenzüberschreitende Miteinander noch erschweren. Immer wieder wird neu festgestellt: Wer hätte sich das vor 10 Jahren so erträumt ?
So weit zum Allgemeinen, zum "sittlich Wertvollen", wie ich es immer gerne benenne. 2 Aber dennoch, auch bei mir geht es weiter mit positiven Aspekten, bevor ich Mängel benennen möchte: Die drei skandinavischen Länder, die drei Baltenrepubliken Estland, Lettland und Litauen und Deutschland gehen so offen und freundschaftlich miteinander um, dass alle anstehenden Probleme schnell und meistens auch unbürokratisch gelöst werden können.
Die von der Landesregierung gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer Kiel unterhaltenen Kontaktbüros in Wilnius, Riga und Tallinn leisten dabei für alle Bereiche der Kontaktpflege gute Arbeit, und das bei relativ geringen Kosten. Zu nennen sind hier:
• der Kulturaustausch, • die Wirtschaftsbeziehungen, • der Tourismus, • Sport- und spezielle Jugendfragen.
Dies trifft zunehmend auch auf die Beziehungen mit Polen zu, unserem Nachbarland im Osten, mit dem wir eine Geschichts- und Schicksalsgemeinschaft seit mehreren hundert Jahren teilen.
Eine persönliche Anmerkung muss ich an dieser Stelle einflechten: Als Offizier der Bundeswehr gehörte ich 8 Jahre zum unmittelbar unterstellten Bereich des NATO- Kommandos LAND-JUT in Rendsburg. Fast hätte ich es in meiner aktiven Dienstzeit geschafft, mit diesem Kommando in meine Geburtsstadt Stettin umzuziehen. Allein an diesem Umstand kann man ermessen, welch einen Geschichtssprung wir miterleben dürfen.
Und die Bemerkung sei gestattet: Die dänischen, polnischen und deutschen Soldaten bilden in diesem Kommando, dem NATO-Ostseekommando, jetzt schon eine fast problemlose strategische Einheit.
Dem aufmerksamen Zuhörer meiner Ausführungen ist nicht entgangen, dass ich die Russische Förderation als Ostsee-Anrainer noch nicht erwähnt habe:
Den offiziellen Regierungsvertretern und den Diplomaten sind bei der Beschreibung der Problematik mit der Russischen Förderation häufig der Schreibhand und auch dem Munde "Zügel angelegt". In den Köpfen dieser Personen mag es etwas großzügiger vorgehen.
Ich erlaube mir einmal die parlamentarische Freiheit, einige Dinge direkt anzusprechen: Russland ist keine Großmacht mehr, und sie wissen das. Die Einschränkung, dass die Russische Förderation noch eine Atommacht ist, muss angefügt werden. Deswegen kann man - ohne dass unsere russischen Nachbarn irritiert sind - die Russische Förderation als Großmacht im Übergang bezeichnen.
Russland möchte im Ostseeraum dennoch deshalb wenigstens als Großmacht im Übergang respektiert werden. Dafür sollten wir Verständnis haben.
Die Oblast Kaliningrad, das nördliche Ostpreußen, ist keine selbständige politische Einheit, sondern ist Teil der Russischen Förderation. Dies muss bei allen unseren Aktivitäten beachtet werden. Letzlich wird in Moskau entschieden, welche Kontakte gewünscht werden und welche auf Misstrauen stoßen. Dies unterscheidet diese Region von der Oblast St. Petersburg. Dort scheint man eine großzügigere Regelung zu akzeptieren. 3 Ich sage dies, weil manche Aktivitäten gerade mit Kaliningrad sich so schwer durchhalten lassen und zum Teil auch wieder versandet sind. Dies auch deswegen, weil unsere Aktivitäten sich stark auf dieses Gebiet konzentrieren und immer wieder hoffnungsvolle Akzente für eine Zusammenarbeit herausgearbeitet werden konnten.
Meine abschließende Betrachtung:
Gerade zu dem letztgenannten Thema können wir erfreut zur Kenntnis nehmen, daß an der Universität in Kaliningrad, der alten KÖNIGSBERGER ALBERTINA, in diesen Tagen eine EURO-Fakultät ins Leben gerufen wurde.
In einem Gespräch berichtete Herr Kindsmüller darüber. Fünfhundert erwartungsvolle Personen nahmen an dieser Veranstaltung teil. Menschen mit einem großen Multiplikakationsfaktor in die Region. Nutzen wir diese Chance.
Daher der Appell der FDP-Landtagsfraktion: Unser Land Schleswig-Holstein kann sehr viel in der Ostseeregion leisten: Nicht nur als Wirtschaftsstandort, als Verkehrsdrehscheibe, als Ziel- und Durchgangsland und als Logistikzentrum, sondern auch als Wissenschaftsstandort, als Verbindungspunkt für die Hochschulstandorte im Ostseeraum.
Die FDP erwartet von der Landesregierung, dass es vorangeht mit den Verkehrsverbindungen in Schleswig Holstein und vor allem mit gezielten Investitionen in den Wissenschaftsstandort Schleswig Holstein.
Herr Landtagspräsident Heinz Werner Arens, ich habe Sie nunmehr nicht nur bei der Ostseeparlamentarierkonferenz in Malmö, sondern auf verschiedenen Veranstaltungen des Landtages und seiner Ausschüsse als unermüdlichen Fürsprecher und Moderator für diese Ziele erlebt.
Über die Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg habe ich Sie erlebt, wie Sie geschickt und unverdrossen auch in schwierigen Situationen die Menschen und Akteure zusammenführen und selbst bei komplizierten Lagen ein Vorankommen erreichen. Also, Herr Landtagspräsident: Respekt. Die FDP-Fraktion dieses Hauses - und das gilt auch für meine Person- werden Sie und die weiteren Aktiven auf dem geschilderten Weg gerne konstruktiv begleiten.
Herr Kayenburg, eine kurze Anmerkung zu ihren Ausführungen zu diesem Themenkomplex:
Die vielfältigen Aktivitäten zur Ostseekooperation in die Nähe einer Luftnummer zu rücken, wird den Erfolgen, die erzielt wurden, nicht gerecht. Die Türen zu den Ostseeanrainerstaaten wurden ganz sicher auch durch die Aktivitäten des Landtages und auch der Landesregierung weit geöffnet. Mittel wurden nur in geringem Maße eingesetzt. Das ist zu bedauern, aber wegen der bekannten Haushaltsfakten nicht grundlegend zu ändern. Mit Ihnen, Herr Kayenburg, ist die FDP-Fraktion aber der Meinung, dass im Lande mehr getan werden muss, unsere Position als Standort im Ostseebereich deutlich zu verbessern.
Einem weiterer Bereich muß das Land eine größere Aufmerksamkeit schenken: Der Sicherheit des Schiffsverkehrs. Diese ist die Grundlage für den Handelsverkehr und den Tourismus. Sie stellt aber im Falle von Havarien eine große Gefahr für die Umwelt im Ostseeraum dar. Das Land fordern wir auf, schnell mit unseren Nachbarn diesbezüglich Vorsorge zu treffen, wie dies im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung mit der "Ostsee- Task-Force" schon erfolgreich der Fall ist. 4
Die Erweiterung der EU wird uns im Ostseeraum noch stark beschäftigen. Hierbei wird es noch größerer Anstrengungen bedürfen, die wirtschaftlichen Standards der Beitrittswilligen an die EU-Normen anzupassen.
Ich denke dies wird aber lösbar sein. Wie wir künftig die Problematik der entstehenden Enklave Kaliningrad zufriedenstellend lösen, wage ich nicht vorauszusagen.
Hierzu aber dennoch ein unkonventioneller Vorschlag:
Vielleicht sollte unser Bundeskanzler sich für einen weiteren Moskau-Besuch etwas mehr Zeit nehmen und einen "Saunabesuch" mit Staatschef Putin einplanen. Es gibt doch Beispiele, dass ein "Männergespräch" in der Sauna viele Dinge voranbringen kann.
Frau Simonis, vielleicht reichen sie diesen Vorschlag mal weiter nach Berlin.
Ich denke in der Ostseekooperation gibt es eine größere Übereinstimmung in diesem Hause als im ersten Moment erkennbar ist.
Nutzen wir diese Übereinstimmung und bringen die Dinge voran."