Bundesregierung muss Vorsitz im Ostseerat nutzen um die Ostseezusammenarbeit deutlich voranzubringen!
1PRESSEINFORMATION Kiel, den 12.7.2000 Es gilt das gesprochene WortTOP16,19 u. 29 Ostseekooperation (15/202;15/208;15109) Anke Spoorendonk: „Bundesregierung muss Vorsitz im Ostseerat nutzen um Zusammenarbeit im Ostseeraum deutlich voranzubringen!“ Im Anschluss an die diesjährige Mitgliederversammlung der Parlamentarischen Gesellschaft hielt der Generalkonsul der Republik Estland, Herr Hans Wilhelm Berger, einen interessanten Vortrag zum Thema „Deutschland – von außen betrachtet“. Konklusion seiner Ausführung war, dass die Bundesrepublik in Estland praktisch nicht wahrgenommen wird. Schleswig-Holstein hingegen kennt man eher. Der jährlich vorgelegte Ostseebericht der Landesregierung belegt, dass dieses ohne das vor zehn Jahren eingeleitete Engagement des Landes Schleswig-Holstein heute ganz anders aussehen würde. Was vor zehn Jahren als etwas spinnerte Idee einiger Nordlichter in Schleswig-Holstein galt, hat sich längst zu einer Erfolgsgeschichte gemausert, schrieben die Lübecker Nachrichten kürzlich. Ohne das Engagement Schleswig-Holsteins in Sachen Ostseekooperation, wäre die Bundesrepublik im Ostseeraum ein eher unbekanntes Wesen. Grund genug, sich darüber zu freuen, dass die Arbeit der Schleswig-Holstein-Büros im Ostseeraum für die nächsten drei Jahre gesichert ist. Grund zur Freude ist auch, dass mit dem gemeinsamen Besuch des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidentin im Baltikum ein Schleswig-Holstein-Büro in Vilnius eröffnet werden konnte. Der SSW teilt die Auffassung der Landesregierung, dass sich das Konzept der ständigen Repräsentanzen bewährt hat. Mit der Eröffnung des neuen Büros in Vilnius ist ein gute Basis für die weitere wirtschaftliche Kooperation zwischen Schleswig-Holstein und dem Baltikum geschaffen worden. Aus parlamentarischer Sicht kommt es nun darauf an, dass im Rahmen der kommenden Haushaltsberatungen sicher gestellt wird, dass die von uns gewollte Kooperation mit Kaliningrad mehr wird als nur eine Unterschrift unter einem Vertrag. Der SSW unterstützt daher die Einstellung 2einer Halbtagskraft zur Unterstützung der neuen Parlamentspartnerschaft mit Kaliningrad. Wir hoffen, dass dies parteiübergreifend so beschlossen werden kann. Der vorliegende Antrag der Regierungskoalition muss vor dem Hintergrund dessen gesehen werden, dass Deutschland zum 1.Juli den Vorsitz des Ostseerates übernommen hat. Dabei ist es wünschenswert, die Arbeit des Ostseerates neu zu bestimmen. Zurecht wird die Erwartung ausgesprochen, dass die Bundesregierung diesen Vorsitz nutzt, um die Zusammenarbeit im Ostseeraum deutlich voranzutreiben. „Der Ostseerat dümpelt vor sich hin“, schrieb der ehemalige Europaminister Gerd Walter Mitte Juni in einem Gastbeitrag in den Kieler Nachrichten. Es verbreite sich der Eindruck einer gewissen Stagnation der Ostseekooperation, meinte er – „nicht in den Projekten wohl gemerkt, aber auf der Bühne der „großen Politik“. „Das hat viele Ursachen: In Deutschland wird die politische und wirtschaftliche Bedeutung der Ostseeregion immer noch unterschätzt. Wer weiß schon, dass der Export Deutschlands in die Region fast so hoch ist wie der in die USA und nach Japan zusammen". Der Bundesaußenminister hat anscheinend das Problem erkannt. Seine Antrittsrede als Ostseeratsvorsitzender in Bergen deutet darauf hin, wobei dennoch die Frage erlaubt sei, ob Joschka Fischer die eigenständigen Perspektiven der Ostseekooperation erkannt hat. Einige Presseberichte deuten darauf hin, dass Joschka Fischer nicht vor hat, sich persönlich zu engagieren. Ich habe daher Verständnis dafür, dass es Unmut darüber gibt, dass der Bundesaußenminister als Vorsitzender des Ostseerates nicht an der Eröffnung der Ostsee-Parlamentariker-Konferenz im September teilnehmen will. Was Not tut, ist also eine gründliche Analyse der bundesdeutschen Ostseepolitik. Dann kann man auch einen sinnvollen Katalog verschiedener Maßnahmen aufstellen. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir den vorliegenden Antrag von SPD und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN, weil dadurch auch das besondere Know-how des Landes zum Ausdruck kommt. – Wichtig ist, dass sichergestellt wird, dass die Stärken der Ostseezusammenarbeit nicht „hinten runter fallen“. Aus Sicht des SSW ist Ostseepolitik mehr als nur EU-Politik. Ostseekooperation läuft auf allen Ebenen und in unzähligen Gremien. Es wäre ein Fehler, das kreative Chaos strukturieren zu wollen oder gar eine völlig institutionalisierte Zusammenarbeit anzustreben. Durch die Beteiligung und Mitwirkung auf den unterschiedlichsten Ebenen bekommt die Ostseezusammenarbeit eine demokratische Dimension, die nicht zu unterschätzen ist. Alles dies gilt es zu stärken – Ostseekooperation darf nicht nur als Vehikel der EU-Politik verstanden werden. Man muss anders argumentieren: ohne eine erfolgereiche Ostseekooperation werden die beiden wichtigen Vorhaben der EU – die Osterweiterung und eine Politik der guten 3Nachbarschaft mit Russland – nicht gelingen. Dennoch ist es im Interesse der Ostseekooperation, in Brüssel besser wahrgenommen zu werden. Darum macht es Sinn, sich für ein gemeinsames Auftreten in Brüssel einzusetzen. Der Antrag geht auch auf den Aspekt Minderheitenpolitik ein. Das „Gerangel“ um die Wiederbesetzung der Stelle von Prof. Ole Espersen, Beauftragter des Ostseerates für Demokratie und Menschenrechte, macht deutlich, wie wichtig dieser Aspekt ist. Hier hat Schleswig-Holstein eine Möglichkeit, sich zu profilieren. Ole Espersen wurde vorgeworfen, dass er zu sehr auf Seiten der russischen Volksgruppen in Estland und Litauen sei. Wiederholt hatte er moniert, die Regierungen in Tallinn und Riga würden den dort lebenden Russen international anerkannte Minderheitenrechte vorenthalten. Insbesondere ging es um die Frage, wie weit die Russen zum Gebrauch der baltischen Sprachen verpflichtet werden können. Dieser minderheitenpolitische Konflikt macht deutlich, wie schwierig es ist, von modellhaften Betrachtungen in Sachen Minderheitenpolitik auszugehen. Dennoch erwarte ich von der Landesregierung, dass sie auch in der Ostseekooperation zu der von ihr immer wieder gelobten Minderheitenregelung des deutsch-dänischen Grenzlandes steht. Das gleiche erwarte ich übrigens von der dänischen Seite, wobei ich den Eindruck hatte, dass Ole Espersen genau dieses getan hatte, während sich die staatliche „Ebene“ - sowohl die skandinavischen Staaten als auch die deutsche Seite - sich ihm gegenüber eher kritisch verhielten. Geht man aber von der Bonn-Kopenhagener Erklärungen aus, dann ist es ein Kernstück „unserer“ Minderheitenregelung, dass das Bekenntnis zu einer nationalen Minderheit frei ist und nicht von Amtswegen hinterfragt werden darf. Aus Sicht des SSW sollte Schleswig-Holstein hier weiter eine Vorreiterrolle spielen. Konkret begrüßen wir, dass sich das Europäische Zentrum für Minderheitenfragen in Flensburg, ECMI, nach Aussagen des neuen Direktors in diesem Bereich intensiver einbringen will. Auch begrüßen wir, dass das ECMI vorhat, die Zusammenarbeit mit anderen Forschungseinrichtungen zu stärken. Ich denke dabei nicht zuletzt an das Schleswig-Holsteinische Institut für Friedensforschung, SCHIFF, das sich ja seit langem in der Ostseezusammenarbeit engagiert hat und gegen Ende der letzten Wahlperiode im Europaausschuss einen Konzeptentwurf für eine „Ostsee-Sommerakademie“ vorstellte. Der Berichtsantrag der CDU-Fraktion spricht einen anderen Aspekt der Ostseepolitik an, nämlich die Sicherheitskooperation. Ohne Zweifel ein wichtiges Thema, worauf näher eingegangen werden sollte, wenn der Bericht der Landesregierung vorliegt. Einiges geht ja schon aus dem Ostseebericht 4der Landesregierung hervor, der nach der Sommerpause debattiert werden soll. Aber die CDU möchte weitere Daten zur der Entwicklung haben. Das ist legitim und der SSW unterstützt deshalb den Antrag der CDU. Abschließend noch ein paar Bemerkungen zu Kaliningrad, weil die Zukunft dieser Region mehr noch als alles andere über die Stabilität im Ostseeraum entscheidend. Hier hat der Ostseerat unter dem Vorsitz der Bundesrepublik eine wirkliche Aufgabe zu erfüllen. Dabei wird auch deutlich, wie wichtig es ist, die eigenständige Dimension der Ostseekooperation zu stärken. Das Problem Kaliningrad zeigt: Was aus Brüsseler Sicht richtig erscheint, wirkt auf der regionalen Ebene kontraproduktiv. So wirkt sich das Schengen-Abkommen besonders negativ auf Kaliningrad aus. Jährlich überqueren 8 Millionen Menschen und 3 Millionen PKW´s die Grenze zwischen Kaliningrad sowie Litauen und Polen in beiden Richtungen. Wenn nur ein Bruchteil dieser 8 Millionen Menschen registriert und visapflichtig werden sollte, würde das einen riesigen Stau und ungeheuren bürokratischen Aufwand verursachen. Hinsichtlich der Visafrage muss möglichst noch vor dem EU-Beitritt von Litauen und Polen eine Lösung gefunden werden.Die Partnerschaft Schleswig-Holsteins mit Kaliningrad ist daher eine wichtige vertrauensbildende Maßnahme – nicht zuletzt, weil sie die vielfachen Basisaktivitäten aus Gesellschaft, Bildung und Kultur abstützt und fördert.