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08.06.00
15:04 Uhr
SSW

Das gesellschaftlich überragende Problem der Arbeitslosigkeit sollte in allen Politikbereichen angegangen werden

PRESSEINFORMATION Kiel, den 8.6.2000 Es gilt das gesprochene Wort TOP 20 Wirtschaftsbericht 2000 (15/60)
Lars Harms: „Das gesellschaftlich überragende Problem der Arbeitslosigkeit sollte in allen Politikbereichen angegangen werden.“
Der vorliegende Wirtschaftsbericht 2000 ist ein eindrucksvolles Werk, das aufzeigt wie positiv sich die wirtschaftliche Entwicklung in den letzten Jahren darstellt. Daher gilt unser Dank der Landesregierung für den Bericht und für die positive wirtschaftliche Entwicklung. Die Qualität der Wirtschaftspolitik des Landes hat sich seit 1988 merkbar verbessert. Der SSW will nicht die Inhalte des Berichtes ausschließlich wiederholen, sondern wir wollen Anregungen geben, was aus unserer Sicht noch verbessert werden könnte oder sollte.

Schon seit einigen Jahren haben wir einen positiven wirtschaftlichen Trend in Schleswig- Holstein. Das zeigt das langjährige Wachstum im Lande von durchschnittlich 2,03%. Schleswig-Holstein lag mit 2% Wachstum für 1999 sogar an der Spitze der westdeutschen Bundesländer. Dennoch sind diese Wachstumsraten leider zu gering, um das derzeitige Beschäftigungsniveau aufrechterhalten zu können. Wirtschaftswissenschaftler gehen davon aus, dass erst bei einem Wachstum von über 3% ein nachhaltiger Anstieg der Beschäftigung zu erreichen ist.

Die Zahlen aus dem Wirtschaftsbericht beweisen die abnehmende Beschäftigung in vielen Branchen im vergangenen Jahr. So fielen die Beschäftigungszahlen im Verarbeitenden Gewerbe um – 1,6%, in der Bauwirtschaft um – 3,9% , im Handwerk um –3,8%, im Einzelhandel um –1,4%, im Tourismus sogar um –6,7% - auch der Schiffbau verzeichnet eine leicht rückläufige Beschäftigung. So erfolgreich die Wirtschaftpolitik der Landesregierung war, so problematisch ist dennoch weiterhin die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Deshalb darf man sich nicht mit der vordergründig guten Zahl im Jahresdurchschnitt von 9,4% Arbeitslosen in 1999 und der gerade heute veröffentlichen Arbeitslosenzahl im Monat Mai von 8% zufrieden geben. Andere Länder stehen weitaus besser da, ein Blick nördlich der Grenze genügt da.

Doch trotz eines starken Konjunkturanstieges im 1. Quartal 2000, kommen auf Schleswig- Holstein weitere Belastungen zu: Vor dem Hintergrund der schlechten finanziellen Lage bei Land und Kommunen ist kurz- und mittelfristig mit weiteren Behördenabbau zurechnen. Dies wird zu Reduzierungen der Personalstärke bei Land und Kommunen führen. Dazu kommt wahrscheinlich ein massiver Truppenabbau und Standortschließungen auch in Schleswig- Holstein durch die geplante Bundeswehrreform von Rudolf Scharping. Dies alles gepaart mit den rückläufigen Beschäftigungstendenzen in den genannten Wirtschaftsbereichen, zeigt die enorme Aufgabe, vor der die Landesregierung weiterhin steht.

Die Landesregierung hat dieses erkannt und will durch eine gezielte Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik entgegen wirken. So will die Landesregierung in den nächsten Jahren mit dem Programm „Zukunft im eigenen Land“ (ziel) fast 2,3 Mia. DM für gezielte Investitionen in die Entwicklung des Landes bereitstellen. Davon sind beispielsweise für das neue Regionalprogramm 2000 755 Mio. DM bis 2006 angesetzt. Dabei ist die Förderung aus einer Hand der richtige Weg, um schneller zum Ziel zu kommen.

Der SSW wird sich weiterhin bei der Landesregierung dafür einsetzen, dass die besondere Förderung für den Landesteil Schleswig erhalten bleibt. Es muss weiterhin, dass Ziel einer zukunftsfähigen Regionalpolitik sein, die ökonomische Schieflage zwischen den Landesteilen Schleswig und Holstein abzubauen. Ein Ziel, das viele Landesregierungen verfolgt haben, aber noch keine geschafft hat. Gerade die Förderung von Technologie- und Gründerzentren mit einer damit verbundenen Hochschulförderung kann neu Schübe auf den regionalen Arbeitsmärkten geben.

Eine alte Forderung des SSW ist die Verbesserung der einzelbetrieblichen Förderung. Hierbei geht es um Direktförderung von Unternehmen mit innovativem Programmen oder um verstärkte Ansiedlungsförderung durch nicht rückzahlbare Investitionszuschüsse an ansiedlungswillige Unternehmen. Der Wirtschaftsbericht zeigt, dass im Schnitt die Schaffung oder der Erhalt eines Arbeitsplatzes durch die einzelbetriebliche Förderung ein Jahresgehalt eines leitenden Angestellten gekostet hat. Diese Tatsache zeigt, dass gerade diese Förderung sehr effektiv ist. Deshalb sollte die einzelbetriebliche Förderung ausbaut werden. Am alarmierendsten sind die Beschäftigungsrückgänge im Tourismus. Das liegt teilweise an der veralteten Struktur im touristischen Angebot in Schleswig-Holstein. Wir haben in Schleswig-Holstein immer noch zu viele Privatquartiere im Angebot anstatt Ferienhäuser oder Gasthöfe mit entsprechenden Freizeitangeboten wie in Dänemark oder Südeuropa. Dazu steckt die landesweite Vermarktung leider immer noch in den Kinderschuhen. Einheitliche Buchungs- und Informationsmöglichkeiten und eine einheitliche Vermarktungsstrategie sind unbedingt von Nöten, damit unser Land wettbewerbsfähig wird. Wir müssen aufhören mit den regionalem Sektierertum. Andere Bundesländer - beispielsweise Bayern und Baden- Würtemberg - sind in diesen Bereichen viel weiter als Schleswig-Holstein.

Neben dem Gesundheitstourismus, der Natur und der Landschaft ist noch ein klassischer Zweig in Schleswig-Holstein vorhanden, der bisher nicht stark genug genutzt wird. In Wales, Schottland und anderen europäischen Regionen wurde vor langer Zeit die Idee des „cultural turism“, „Kulturtourismus“ geboren. Man versucht regionale Kulturen in Tourismuskonzepte und touristische Aktivitäten mit einzubauen und sich so gegenseitig zu befruchten. Sprach- und Kulturförderung verbunden mit der Darstellung von etwas Besonderem, um sich so von anderen touristischen Destinationen abzugrenzen.

Wo wäre es leichter eine solche Idee ebenfalls umzusetzen, wenn nicht in dem Land, in dem neben deutsch auch Plattdeutsch, Dänisch und Friesisch als regionale Kulturen aufeinandertreffen. Erste Schritte macht man jetzt an der Westküste, indem die dortige Radwegebeschilderung in Teilbereichen zweisprachig auf deutsch und friesisch ausgeführt wird. Weitere solcher Aktivitäten sollten folgen.

Neben den 11 Technologie- und Gründerzentren ist der kommende Multimedia-Campus ein wichtiges Projekt zur Förderung der Zukunftstechnologien in Schleswig-Holstein. Der SSW hätte gerne den Standort des Multimedia-Campus in Flensburg gesehen. Die Landesregierung hätte so die Chance gehabt, aktiv die Wirtschaftstruktur im Landesteil Schleswig zu fördern. Jetzt sind nur noch die Städte Kiel und Lübeck als Standorte im Gespräch. Daher ist es jetzt wichtig den kommende Multimedia-Campus mit allen vorherigen Bewerberstädten zu vernetzen, um an allen Orten Aktivitäten auszulösen und ein hohes Informationsniveau vorzuhalten. Von den Erkenntnissen der Technologieförderung können auch die alteingesessenen Erwerbszweige wie Landwirtschaft oder Schiffbau profitieren. Technologieförderung darf daher nicht isoliert gesehen werden. Von Biotechnologie oder neuen Innovationen in der Energiegewinnung, wie der Windkraft, hat in der Vergangenheit beispielsweise gerade die Landwirtschaft profitiert.

Die Verkehrsinfrastruktur ist eines der größten Probleme für die wirtschaftliche Entwicklung in Schleswig-Holstein. Einer der Hauptpunkte im Bereich der Schiene ist für den SSW die Elektrifizierung von Itzehoe nach Westerland. Eine solche Elektrifizierung hätte nachhaltige Auswirkungen auf den Tourismus und den grenzüberschreitenden Verkehr mit Dänemark. Den die Elektrifizierung ist die Grundlage dafür, den Verkehr von und nach Dänemark zumindest in Teilen auf die Bahn zu bekommen. Hoffnung macht, dass laut Zeitungsberichten deutschlandweit 80 Bahnhöfe durch die DB AG modernisiert werden sollen. Hoffentlich werden auch einige der längst überfälligen Bahnhöfe in Schleswig-Holstein renoviert und auf den neuesten Stand gebracht.

Vordringlich bei allen Straßenbauprojekten ist für den SSW weiterhin der Bau der A20 mit einer westlichen Elbquerung bei Glückstadt. Im Vergleich zu anderen Verkehrsprojekten zieht sich die Planung und der Bau dieses eminent wichtigen Projektes einfach zu lange hin. Alleine schon diese Tatsache trägt zu einem hohe Maße dazu bei, dass Schleswig-Holstein immer noch nicht so am wirtschaftlichen Prozess teilnehmen kann, wie es sonst könnte. Hier werden regelrecht Chancen vertan. Daher sollte die Landesregierung sich weiterhin vordringlich auf diese Aufgabe konzentrieren, ehe man neue Großprojekte in Angriff nimmt.

Zum Schluss möchte ich noch einmal aus dem Wirtschaftsbericht zitieren: „Die Schaffung neuer, zukunftssicherer Arbeitsplätze ist und bleibt das oberste Ziel der Wirtschaftspolitik der Landesregierung.“

Ich möchte die Zielsetzung etwas erweitern: Die Schaffung neuer, zukunftssicherer Arbeitsplätze und der Erhalt bestehender Arbeitsplätze ist und bleibt das oberste Ziel der gesamten Politik der Landesregierung.“ Das gesellschaftlich überragende Problem der Arbeitslosigkeit sollte in allen Politikbereichen angegangen werden. Bei dieser Aufgabe wünschen wir der Landesregierung, eine glückliche Hand und vor allem schnelle Entscheidungen für unser Land.