Angelika Birk zur Sozialversicherungsfreiheit ehrenamtlich Tätiger
PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Sperrfrist: Redebeginn Landeshaus Es gilt das gesprochene Wort! Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Durchwahl: 0431/988-1503 Zu TOP 20, Sozialversicherungsfreiheit ehrenamtlich Zentrale: 0431/988-1500 Tätiger, erklärt Angelika Birk, sozialpolitische Telefax: 0431/988-1501 Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.gruene.ltsh.de Nr. 103.00 / 12.05.2000Es besteht Regelungsbedarf, aber es darf keine grundsätzliche Ausnahme des Ehrenamtes gebenEs wäre eine Illusion gewesen, zu glauben, dass eine Gesetzesänderung, die fünfein- halb Millionen Menschen in der Bundesrepublik direkt und unmittelbar betrifft, ohne Schwierigkeiten umzusetzen wäre. Es wäre eine Illusion gewesen zu glauben, dass eine Neuregelung der geringfügigen Beschäftigung auf Anhieb komplett und ohne Bedarf an Nachregulierung und Praxisangleichung machbar sein würde. Dessen waren wir uns immer im Klaren.Ich habe Verständnis für die Reaktion von Betroffenen, Verständnis für die Skepsis der ArbeitnehmerInnen und Verständnis für die Kritik der ehrenamtlich Tätigen. In vielen Fällen führen die Neuregelungen für engagierte ehrenamtlich tätige Menschen zu einer Sozialversicherungspflicht ihrer ehrenamtlichen Nebentätigkeit. Die Betroffenen sind hierüber nicht erfreut.Das verabschiedete Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhält- nisse macht es Arbeitgebern etwas schwieriger, sich aus der Verantwortung zu schlei- chen. Es verteilt - so unangenehm es im Einzelfall auch ist - die Belastung der Einkünfte mit Steuern und Sozialabgaben etwas gerechter. Ziel dieser Gesetzesänderung war und ist nicht, die ehrenamtliche Arbeit in Vereinen und Verbänden zu beeinträchtigen. Und wir nehmen es ernst, wenn Volkshochschulen, Sportvereine, Jugend- und Wohlfahrts- verbände erklären, sie hätten erhebliche Probleme mit diesen Regelungen und sehen Gefährdungen ihrer Arbeit, die vorher niemand so vorausgesehen hat. Ehrenamtliche Tätigkeit ist nicht mit einem abhängigen Lohnarbeitsverhältnis gleichzu- setzen. Es wird nicht in Entsprechung zu den geleisteten Arbeitsstunden vergütet, son- dern durch eine pauschale Aufwandentschädigung und ggf. durch Sitzungsgelder und Tagegeld ergänzt. Generell besteht weder Sozialversicherungspflicht noch Steuerpflicht, denn man will das Ehrenamt zum einen durch die Abzugsfreiheit stärken und zum ande- ren wird davon ausgegangen, dass diese Form der Tätigkeit nicht als Lebenssicherung fungiert, sondern neben einer Berufstätigkeit oder einem Rentenbezug freiwillig geleistet wird, das heißt anderweitig die soziale Absicherung gewährleistet ist.Diesen Grundannahmen trägt auch die Gesetzesnovelle Rechnung: mehrere Nebentä- tigkeiten werden zusammengezogen, wobei Steuer- und Sozialversicherungspflicht für alle Tätigkeiten besteht, nicht aber für Beamte, Selbstständige, befreite Angestellte, und nicht für steuerfrei Aufwandsentschädigungen von Vereinen und Wohlfahrtsverbänden. Allerdings wird aus meiner Sicht zu Recht die Höhe der steuerfreien pauschalen Auf- wandsentschädigungen problematisiert.Nahezu konsensuell wurde von Vereinen, Verbänden und Interessenvertretungen ge- fordert, die steuerfreie Aufwandsentschädigung im Bezug auf den jetzigen Stand zu ver- doppeln. Nicht nur ich habe mich dieser Ansicht angeschlossen, sie ist bereits durch die Änderung des Einkommenssteuergesetzes seit dem 1.1.2000 in Kraft. Auf diesem Wege ist in effektiver Weise auch die Sozialversicherungsfreiheit in diesen Tätigkeitsverhält- nissen aufgehoben, wenn eine andere soziale Absicherung besteht. Insofern steht einer Zustimmung unserer Landesregierung im Rahmen einer Entschließung des Bundesra- tes zum vorgelegten Antrag des Freistaates Bayern nichts entgegen, sie ist in diesem Punkt allerdings den Realitäten hinterhergespukt.Skeptisch stehe ich allerdings der eingangs formulierten Forderung der grundsätzlichen Aussetzung der Gesetzesregelung im Bezug auf das Ehrenamt gegenüber. Ich möchte anmerken, dass im Zuge einer Flexibilisierung von Arbeit die Grenzen zwischen Ehren- amt und Erwerbsarbeit zunehmend als fließend anzusehen sind. Gerade das Beispiel ehrenamtlicher Kommunalpolitiker zeigt, dass diese Verwaltungsbeamten eben nicht nur repräsentative Aufgaben wahrnehmen, sondern sehr wohl in das konkret Verwaltungs- handeln als tätige eingebunden sind. Ein Paradebeispiel für den Übergang von der eh- renamtlichen zur hauptberuflichen Tätigkeit. Sicherlich besteht hier Regelungsbedarf, si- cherlich aber nicht in der Hinsicht einer grundsätzlichen Ausnahmeregelung innerhalb der überfälligen und schwer erkämpften Gesetzesnovelle für die geringfügige Beschäfti- gung. ***